Die Gastronomie stellt sich auf umsatzarme Feiertage ein. Viele Reservierungen werden gerade storniert. Foto: Pixabay/Hans Braxmeier

Die Vorweihnachtszeit ist für gewöhnlich eine gute Zeit für Gaststätten. Dieses Jahr sieht es anders aus. Betriebliche wie private Weihnachtsfeiern werden massenweise abgesagt - und das, wo die Restaurants teils schon wieder die erste Coronahilfe zurückzahlen müssen.

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Oberndorf - Verunsicherung in Bezug auf das bevorstehende Weihnachtsfest herrscht nicht nur im privaten Bereich, sondern ganz besonders auch in Unternehmen. An Weihnachtsfeiern können viele von ihnen im Moment nicht denken. Auch bei Firma Waldmann aus Villingen-Schwenningen, die Beleuchtungssysteme herstellt, muss dieses Jahr auf die Tradition verzichtet werden. "Allerdings überlegen wir uns wieder eine corona-konforme Alternative", erklärt Marketing-Beauftragte Silke Weidenfeld. "Letztes Jahr hatten wir einen Foodtruck hier, von dem sich die Mitarbeiter etwas an den Arbeitsplatz holen konnten."

Ebenso sieht es beim Waffenhersteller Heckler & Koch in Oberndorf aus. "Eine zentrale Weihnachtsfeier oder ein Weihnachtsdorf wird es bei Heckler & Koch auch in diesem Jahr nicht geben", teilt Kommunikations-Chef Marco Seliger mit. "Zum zweiten Mal verschieben wir unsere beliebte Jubilarfeier, diesmal auf den Sommer 2022. Die Weihnachtsfeier der Geschäftsführung mit dem oberen Führungskreis fällt ebenfalls aus. Wie im vorigen Jahr besteht die Absicht, auch diesmal eine virtuelle Weihnachtsfeier in diesem Kreis durchzuführen." Dafür bemühe man sich derzeit, ein Paket mit Zutaten für ein Weihnachtsessen zu organisieren. Dann können die Kollegen gemeinsam virtuell kochen und essen. 

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Viele Unternehmen werden kreativ, um ihren Mitarbeitern eine Alternative bieten zu können. Die Gastronomen zeigen Verständnis für die begründete Vorsicht. Dennoch haben sie mit den wegfallenden klassischen Weihnachtsfeiern große Umsatzeinbußen zu verzeichnen.

Alles wird wieder abgesagt

Alles werde wieder abgesagt, bedauert Bärbel Höfler, die den Hotel-Gasthof zum Hirschen in Donaueschingen führt. Sowohl private- als auch Firmenweihnachtsfeiern. "Mit anderen Veranstaltungen sieht es gleich aus." Die müssen schließlich im Voraus geplant werden und das sei vielen in dieser Lage zu unsicher. 

"Der Sommer ist gut gelaufen", erzählt sie. "Da war die ganze Arbeit mit dem Personalmangel aber fast nicht zu schaffen." Der Lockdown habe viel zu lange gedauert, als dass die Mitarbeiter es sich hätten leisten können, ihren Arbeitgebern treu zu bleiben. Und wer das Gastronomiegewerbe einmal verlassen und sich anders orientiert habe, komme in der Regel nicht zurück, so ihre Erfahrung. 

Höfler ist erleichtert, dass die 2Gplus-Regel, bei der auch geimpfte Personen Tests nachweisen müssen, nicht für die Gastronomie gilt. "Das wäre ein Lockdown durch die Hintertür gewesen. Wer geimpft ist, lässt sich nicht auch noch testen, um essen zu gehen." Sogar Stammkunden habe sie im Vorfeld sagen gehört, wenn es so komme, bleiben sie zu Hause. 

Hohe Kosten und keine Einnahmen

Ähnlich geht es Reinhold Orawetz aus Rottweil. Er betreibt die Veranstaltungs-Location Pulverfabrik. Seine Räume werden normalerweise rege für Feiern gebucht. In diesem Jahr habe es bisher jedoch deutlich weniger Reservierungen auf Weihnachten gegeben, als sonst. Und von denen, die reserviert haben, hätten zwei Drittel auch schon wieder abgesagt. "Es gibt kaum einen Betrieb, in dem momentan keiner krank oder in Quarantäne ist", sagt Orawetz. Den Unternehmen sei es einfach zu riskant, bei dieser Inzidenz Weihnachten zu planen. "Bisher kamen die Ankündigungen für neue Coronaregeln ja auch immer sehr kurzfristig. Die Leute sind vorsichtig geworden." 

Auch andere Veranstaltungen wie Hochzeiten und Geburtstage brauchen bekanntlich lange Planungs-Vorlaufzeiten. Und wenn man da auf 2G setze, also nur noch Geimpfte und Genesene ins Haus lassen darf, ergebe sich für die Veranstalter ein recht nüchternes Bild. "Manche haben ihre Hochzeiten nun schon zwei oder drei Mal verschoben und haben so langsam gar keine Lust mehr." Aber der Veranstalter habe bis dahin die Arbeit gehabt: Im Vorfeld sucht er einen Raum aus, kümmert sich um die Anordnung der Tische in Anbetracht der Gästezahl, um Einrichtung und Dekoration, um den Ablauf- und Zeitplan. "Und dann findet die Hochzeit nicht statt und wir verdienen nichts für die Arbeit." Und wenn sie dann doch stattfinde, nur unter 2G mit 30 Gästen weniger, könne man mit der Planung von vorne anfangen.

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Er nehme Corona sehr ernst und ihm sei klar, dass Veranstaltungen nicht wie gewohnt stattfinden können. Aber "das Gefüge passt nicht", sagt er mit kritischem Blick auf die Politik. "Wir hatten zwei Lockdowns und jetzt einen halben Dritten. Und wir lernen nichts daraus. Wenn man zwei Mal ins Messer läuft, muss man beim nächsten Mal doch besser vorbereitet sein." Seine Befürchtung ist, dass viele Gast- und Veranstaltungsstätten den Winter mit den aktuellen Regeln nicht überleben werden. 

Land will erste Hilfsgelder schon zurück

"Das Allerschlimmste ist, dass die Leute denken, uns sei geholfen worden", sagt Orawetz. "Wir müssen von den Coronahilfen alles zurückzahlen. Die 9000 Euro, die es im Frühjahr 2020 gab, sogar jetzt schon. Viele haben nicht gewusst, dass sie die Hilfen der Staatsbank Baden-Württemberg zurückzahlen müssen, ist er sich sicher. Und 9000 Euro auf einen Schlag, das sei eine Ansage. "Da muss man erst einmal schauen, dass man einen Kredit bekommt."

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In die laufenden Kosten seien trotz Hilfspaket viele Rücklagen geflossen - auch aus dem privaten Bereich. Was an Kosten anfalle, sei vielen nicht klar. "5000 Euro jährlich fallen für die Überwachung der Brandschutzanlage an. Dann gibt es einen Aufzug, der gewartet werden muss. Hinzu kommen die Grundsteuer und die Gebäudeversicherung. Das sind alles allein behördliche Auflagen. An monatlichen Grundkosten hat eine Veranstaltungs-Location 5500 Euro zu zahlen." Die Pulverfabrik gehöre ihm, es falle also keine Pacht an. "Da habe ich gegenüber anderen Unternehmern oder Gastronomen einen Vorteil."

"Die da oben", sagt er über die Bundespolitiker, "haben nicht begriffen, wie es dem Mittelstand geht." Es bringe nichts, da etwas schön zu reden. Dennoch sei er auch keiner, der viel vom Jammern hält. "Wir kommen schon über die Runden", meint er optimistisch. "Irgendwie."

Politiker zu weit entfernt?

Die Schuld sieht auch Thomas Lacher vom Hofgut Domäne in Hechingen zu einem großen Teil bei den Entscheidungsträgern. "Die Politiker sind so weit von uns Gastronomen entfernt, das ist kaum zu glauben. Wir versuchen immer, das beste aus den Regeln und Auflagen zu machen. Aber die Politiker grätschen uns immer wieder rein. Und eine richtige Lösung finden sie trotzdem nicht." Er nennt ein Beispiel: "Vor etwa vier Wochen kam die Regel, dass wir alle nicht geimpften Mitarbeiter zwei Mal wöchentlich testen müssen. Nur einen Satz weiter stand, dass wir den Impfstatus unserer Mitarbeiter aus Datenschutzgründen nicht abfragen dürfen."

Er habe noch nicht erlebt, dass ein Politiker ihn oder einen seiner Gastro-Kollegen schon einmal gefragt hätte, wie es ihnen gehe und ob sie über die Runden kommen. "Wofür haben wir die denn?", ärgert er sich. "Wie können sie zum Beispiel im Landtag sitzen und über Dinge diskutieren, wenn sie mit den Menschen, die die betreffen, gar nicht geredet haben?"

Die vergangenen 1,5 Jahre freue man sich über Kostendeckung. An Gewinne sei kaum zu denken. Die positive Nachricht ist, dass es dem Hof verhältnismäßig gut gehe. "Wir sind eine Event-Location. Wir leben hauptsächlich von den Veranstaltungen und nicht von A la carde." Seit Anfang November ist Winterzeit auf dem Domäne Areal. Die ganze Hoflandschaft ist erleuchtet, es gibt Glühwein und Kulinarisches. "Die Winterzeit wurde bisher sehr gut angenommen."

Was die Reservierungen für Weihnachtsfeiern angeht, sieht es dagegen weniger gut aus. "Es sind zwar 80 Prozent der Gäste geimpft, aber die Panik ist natürlich da", sagt Lacher. Die Gastronomie ist bis jetzt zwar nicht von der neuen 2Gplus-Regel betroffen. Dennoch: "Die Weihnachtsfeiern fallen zu 90 Prozent aus", bedauert er. "Die letzten Jahre waren für keinen Gastronomen prickelnd", zieht Lacher sein Fazit. "Und wir sind müde."

70 Prozent weniger Umsatz seit 2G

Seit die 2G-Regel in Gaststätten gilt, hat die Café-Bar Wohnzimmer in Dornstetten einen Umsatzrückgang von 70 Prozent zu verzeichnen, wie Betreiberin Carolin Wetzel erklärt. "Auf Weihnachten hatten wir schon einige Reservierungen, haben aber jetzt auch viele Absagen. Vor allem die Firmen tun sich schwer." Das Wohnzimmer ist diese Woche vier Jahre alt geworden und hat damit fast die Hälfte seiner Lebenszeit bisher im Ausnahmezustand verbracht. "Wir Gastronomen kämpfen seit eineinhalb Jahren. Und es ist noch nicht vorbei. Noch dazu werden wir im Stich gelassen." Die ersten Soforthilfen vom Land, die es vergangenes Jahr gegeben hat, sind jetzt nämlich schon wieder zurückzuzahlen. Das sei ihr vergangene Woche mitgeteilt worden. "Dabei gab es bisher gerade einmal zwei Monate, in denen der Betrieb wieder halbwegs normal gelaufen ist." Sie wisse nicht, wo sie das Geld hernehmen solle.

Großteil vom Jahresumsatz geht vielen verloren

Rolf Berlin ist nicht nur der Betreiber des 4-Sterne-Hotels Berlins Krone Lamm in Bad Teinach-Zavelstein, er ist auch Dehoga-Vorsitzender des Kreises Calw. Und die Probleme der Gastronomen im Kreis seien überall die gleichen: Es herrscht Personalmangel und die Reservierungen in der normalerweise umsatzstärksten Zeit - nämlich vor Weihnachten - werden massenhaft abgesagt. "Die Infektionszahlen steigen. Es ist nicht in Aussicht, dass sich da bald etwas ändert. Ich tue mich schwer mit der Zuversicht für das nächste Jahr", meint er. "Was mich ärgert ist, dass man schon vorher wusste, was im Winter kommt. Trotzdem ist man mal wieder unvorbereitet."

Und es werde nicht einfacher. "Die Verunsicherung bei den Gästen ist ein großes Problem. Es kommen unglaublich viele Absagen. Und jede Buchung verursacht ja auch Kosten und Aufwand." Das Hotel und Restaurant bemühe sich schließlich um individuelle Arrangements. Betriebliche Weihnachtsfeiern gebe es in seinem Restaurant aus Kapazitätsgründen weniger, aber er weiß von Kollegen, bei denen diese einen Großteil des ganzen Jahresumsatzes ausmachen. "Da hängt so viel dran. Ein weiterer Lockdown, sollte er diesen Winter noch kommen, wäre für unsere Branche eine Katastrophe."