Wegen langer Bauzeiten für Flüchtlingsunterkünfte musste der Kreis Ludwigsburg bereits auf Notunterkünfte in Sporthallen wie hier an der Carl-Schaefer-Schule in Ludwigsburg zurückgreifen. Foto: Simon Granville

Ludwigsburgs Landrat Dietmar Allgaier berichtet von einer immer schwierigeren Planung neuer Unterbringungsmöglichkeiten. Die Liste an Problemen aus einer Gemeinde ist besonders lang.

Landräte schlagen Alarm, Hilferufe aus den Städten und Gemeinden, Streit über die Verteilung und die Kosten – die Unterbringung von Flüchtlingen ist besonders seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine eines der bestimmenden Themen auf politischer Ebene in Deutschland. Die Region Stuttgart bildet da keine Ausnahme. Doch was sagen die Zahlen? Wie genau sieht die Situation in den einzelnen Landkreisen aus? Eine Übersicht zur vorläufigen Unterbringung im Kreis Ludwigsburg.


Serie „Flüchtlinge: Das ist die Lage in den Landkreisen“


Wie viele Flüchtlinge sind derzeit in den Unterkünften vorläufig untergebracht?

Rund 1940 Flüchtlinge sind aktuell im Rahmen der vorläufigen Unterbringung im Kreis Ludwigsburg auf insgesamt 38 Gemeinschaftsunterkünfte verteilt. Zu den Hauptherkunftsländern zählen die Türkei (circa 25 Prozent), Syrien (circa 20 Prozent) und Afghanistan (circa 18 Prozent). „Die ukrainischen Geflüchteten werden in der Regel direkt den Städten und Gemeinden in die Anschlussunterbringung zugeteilt oder bleiben meist nur wenige Tage in den Unterkünften des Landkreises“, erklärt ein Sprecher. Für die Anschlussunterbringung – nach dem Abschluss des Asylverfahrens oder nach 24 Monaten, bei Ukrainern nach sechs Monaten – sind dann jeweils die einzelnen Städte und Gemeinden zuständig. Seit 2016 konnten im Kreis Ludwigsburg rund 15 800 Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung untergebracht werden.

Wie viel Kapazität hat der Kreis Ludwigsburg noch?

Laut Landratsamt sind die knapp 2700 Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften zu rund 75 Prozent belegt, also sind theoretisch noch etwa 700 Plätze verfügbar. „Davon können jedoch nicht alle Plätze belegt werden, weil zu Familien keine fremden Personen einquartiert werden können und immer wieder auch Unterkünfte saniert werden“, erklärt ein Sprecher. Es gebe nur noch wenig freie Kapazitäten. Der Kreis Ludwigsburg baue daher seine Unterbringungskapazitäten weiter aus.

Wo sind neue Unterkünfte geplant?

Konkrete Planungen zum Bau neuer Gemeinschaftsunterkünfte gibt es laut Kreisverwaltung derzeit in Erdmannhausen, Eberdingen und auf dem Gelände des Beruflichen Schulzentrums in Ludwigsburg am Römerhügel. Zum Teil haben die Baumaßnahmen bereits begonnen.

Welche Probleme gibt es bei der Unterbringung?

Wenn etwa Sporthallen als Notunterkünfte für die vorläufige Unterbringung der Flüchtlinge genutzt werden müssten, würden vereinzelt Konflikte auftreten, berichtet ein Sprecher. „Durch den weiteren Ausbau der Unterbringungskapazitäten soll dies allerdings zukünftig vermieden werden.“

Was sagen die Städte und Gemeinden?

Die Liste an Problemen in Hemmingen ist besonders lang: Ein Sprecher berichtet unter anderem von häufigen Polizeieinsätzen in den Unterkünften, Auseinandersetzungen unter den Bewohnern, nächtlicher Lärmbelästigung, mutwilliger Zerstörung von gemeindeeigenen Gegenständen oder ständigen Renovierungsarbeiten aufgrund von Wand-und Bodenverschmutzungen. Positivere Töne kommen dagegen aus Gerlingen: „Die Betreuung der Geflüchteten läuft problemlos. Ehren- und Hauptamt leisten hier sehr gute Arbeit“, berichtet eine Sprecherin. In der Stadt ist vor allem die Finanzierung der Unterbringung Geflüchteter ein großes Thema: „Die finanziellen Mittel von Bund und Land decken nur einen geringen Teil der Ausgaben, insbesondere der Investitionen in neue Unterkünfte“, sagt die Sprecherin.

In den anderen Städten und Gemeinden im Kreis Ludwigsburg gestaltet sich vor allem die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten zunehmend schwieriger. „Aktuell sind wir an unserer Belastungsgrenze angekommen“, klagt eine Sprecherin der Stadt Freiberg am Neckar. Sie berichtet: „Ideale Unterbringungsmöglichkeiten stehen kaum noch zur Verfügung, was sich wiederum verstärkend auf das Konfliktpotenzial unter den oftmals traumatisierten Bewohnerinnen und Bewohnern auswirkt.“

Wie viel kostet den Kreis die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen?

Für das Jahr 2023 rechnet die Ludwigsburger Kreisverwaltung für die vorläufige Unterbringung der Flüchtlinge mit Kosten in Höhe von rund 8,7 Millionen Euro. Ein Großteil der Kosten werde zwar im Nachgang vom Land finanziert. „Es sind aber nicht alle Kosten erstattungsfähig“, klagt ein Sprecher. Der Landkreis müsse etwa für Steuerungskosten, ein Teil der Personalkosten und für das Wlan in den Unterkünften aufkommen. Ein weiterer Kostenfaktor: Wenn Flüchtlinge bereits die Voraussetzungen für die Anschlussunterbringung in den Städten und Gemeinden erfüllen, doch trotzdem weiter in den Gemeinschaftsunterkünften der vorläufigen Unterbringung untergebracht werden müssen, würden den Kreisen hohe Beträge bei der Abrechnung nicht anerkannt werden. „Diese müssen dann gleichermaßen aus der kommunalen Kasse querfinanziert werden“, erklärt der Sprecher.

Ludwigsburgs Landrat Dietmar Allgaier Foto: Simon Granville

Wie beurteilt Landrat Dietmar Allgaier die Flüchtlingssituation?

„Der große Zuzug von geflüchteten Menschen belastet die kommunale Ebene insgesamt, aber vor allem unseren hochverdichteten Ballungsraum“, so Landrat Allgaier. Im vergangenen Jahr habe der Kreis über 3500 Geflüchtete vorläufig untergebracht, darunter Geflüchtete aus der Ukraine sowie aus Drittstaaten. Es werde für die kommunale Ebene immer schwieriger, neue Unterkünfte zu planen: „Vor Ort treffen wir immer häufiger auf Widerstände. Zudem müssen wir mit längeren Liefer- und Bauzeiten für Flüchtlingsunterkünfte sowie gestiegenen Preisen rechnen.“ Aus diesem Grund musste bereits auf Notunterkünfte in Sporthallen zurückgegriffen werden, so Allgaier: „Ich habe deshalb unsere Forderungen nach einer gerechteren Verteilung innerhalb der EU und innerhalb Deutschlands mehrfach dezidiert gegenüber dem Bund formuliert und werde das auch weiter tun. Die im Juni beschlossene Asylrechtsreform war ein erster Schritt in die richtige Richtung.“