In Hechingen wird verhandelt. Foto: Marschal

Wegen Steuerhinterziehung in sechsstelliger Höhe müssen sich seit Mittwoch zwei Albstädter Gastronomen vor Gericht verantworten.

Die beiden Angeklagten, eine 37 Jahre alte Frau und ein 41-jähriger Mann, haben hintereinander mehrere Jahre lang ein chinesisches Restaurant in Albstadt betrieben – die Frau war von 2014 bis 2017 Inhaberin, der Mann übernahm im August 2017.

Wurden die Einnahmen bewusst niedrig angesetzt?

In dieser Zeit sollen beide eine unvollständige Buchhaltung geführt, ihre Einnahmen bewusst zu niedrig angesetzt und infolgedessen auch zu wenig Umsatz-, Einkommens- und Gewerbesteuer entrichtet haben. Die Staatsanwaltschaft veranschlagt die in drei Jahren aufgelaufene Steuerschuld der 37-Jährigen mit 373 000 und die Summe, die der heute 41-Jährige dem Fiskus schuldet, mit 231 000 Euro: 93 400 für 2017 und 137 000 Euro für 2018, wobei letztere Zahl auf einer reinen Schätzung beruht, weil für dieses Jahr gar keine Steuererklärung abgegeben wurde. Das Amtsgericht Hechingen, vor dem die Sache verhandelt wird, hatte ursprünglich vier Sitzungstage für den Prozess angesetzt, von denen der erste allerdings gleich ausgefallen war – er hätte in der vergangenen Woche stattfinden sollen.

15 Ordner voller Aktenmaterial

An einer Einigung, die es dem Gericht ersparen könnte, umfangreiches Aktenmaterial im Umfang von 15 Ordnern durchzupflügen, wäre unter diesen Umständen gewiss allen Beteiligten gelegen – allerdings nicht um jeden Preis, wie sich zeigte. Die Verteidigung hatte nach der Verlesung der Anklageschrift ein Verständigungsangebot unterbreitet, das sich auf die Kurzformel „Umfassendes Geständnis gegen Bewährungsstrafe“ bringen ließ. Wenn eine Freiheitsstrafe verhängt wird, ist Bewährung nur möglich, wenn das Strafmaß zwei Jahre nicht übersteigt. Aus der Verständigung wurde nichts, und zwar nicht so sehr, weil die Staatsanwältin Bewährungsstrafen abgeneigt gewesen wäre, sondern aus einem anderen Grund.

Wenn jemand seine Einnahmen nicht vollständig angibt und auf diese Weise Steuern hinterzieht, dann wird es äußerst schwer fallen, lückenlos zu rekonstruieren, wie viel eingenommen und wie viel hinterzogen wurde.

„Rohgewinnaufschlagsatz“ spielt eine wichtige Rolle

Die Steuerfahnder bedienen sich deshalb bei der Ermittlung von Steuerschulden noch anderer Mittel, und dabei spielt eine Richtgröße mit dem schönen Namen „Rohgewinnaufschlagsatz“ eine gewichtige Rolle, ein Faktor, mit dem man die Summe der Investitionen multiplizieren muss, um den geschätzten Geschäftsertrag zu erhalten. Er ist von Branche zu Branche unterschiedlich, kann aber auch von Fall zu Fall variieren – und sich unter Umständen aushandeln lassen.

Das haben die Verteidiger der beiden Angeklagten im Hechinger Strafprozess getan: Sie haben sich, als es um die Begleichung der Steuerschuld ging, mit dem Stuttgarter Finanzgericht auf einen Rohgewinnaufschlagsatz von 235 Prozent verständigt. Das hätten sie in Hechingen auch gerne getan. Dabei wären freilich niedrigere Zahlen herausgekommen als die von der Staatsanwaltschaft genannten.

Und weil niedrigere Steuerschuld auch niedrigere Strafe bedeutet, war die Staatsanwältin nicht einverstanden, sondern insistierte auf einer Prüfung durch das Gericht. Das bedeutet Mehrarbeit – der Prozess wird am 6. März fortgesetzt.