Der Ausbau soll die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Zürich von aktuell drei Stunden für Reisende verkürzen. (Symbolfoto) Foto: dpa

Präsidentin der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg meint: "Strecke muss endlich Ansprüchen der Wirtschaft gerecht werden".

Region - "Unverzüglicher Ausbau statt Stillstand" - mit einer klar formulierten Forderung wandte sich jetzt das "Grenzüberschreitende Wirtschaftsbündnis" an die Öffentlichkeit, um die Schienenachse zwischen Stuttgart und Zürich wieder in den Fokus zu bringen.

Während einer Veranstaltung in den Räumen der Marquardt GmbH in Rietheim-Weilheim wurde deutlich, dass die Wirtschaft auf beiden Seiten der Grenze dringend auf die verbesserte Schienen-Anbindung angewiesen ist. Das Wirtschaftsbündnis umfasst zwölf Verbände. Birgit Hakenjos-Boyd, Präsidentin IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, forderte "nach Jahren des Stillstands den unverzüglichen Gesamtausbau der Schienenachse Stuttgart-Zürich zu einem leistungsfähigen Schienenkorridor für den Personen- und Güterverkehr mit internationaler Bedeutung". Die Strecke müsse endlich den Ansprüchen der Wirtschaft gerecht werden. Man erwarte von der Politik und der Deutschen Bahn, der die Präsidentin "Verzögerungstaktik" vorwarf, konkrete Schritte und ein transparentes Vorgehen, "damit der Bundesverkehrswegeplan bis Ende der Laufzeit 2030 auch tatsächlich umgesetzt ist".

Bereits seit 2003 befindet sich die Strecke, die niemand aus dem Bündnis wegen des provinziellen Beigeschmacks mehr "Gäubahn" nennen will, im Vordringlichen Bedarf des Plans, "es herrscht aber Stillstand, obwohl alles bereit wäre", so Hakenjos-Boyd. Guido Wolf, Minister der Justiz und für Europa und Vorsitzender des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodenseebahn, verwies neben der wirtschaftlichen Bedeutung des Ausbaus auf den Klimaschutz: "Um mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen, ist der Ausbau der Schienenachse von Stuttgart nach Zürich unerlässlich." Angesichts des mittlerweile mehrere Jahrzehnte andauernden Kampfes um den Ausbau, konnte er sich ein wenig Galgenhumor nicht verkneifen: "Vielleicht sollten wir Mondays for Gäubahn einführen."

Vertreter aus der Schweiz machten deutlich, dass die Strecke unzweifelhaft eine europäische Dimension besitze: "Die Schweiz hat bereits viel in den Nord-Süd-Korridor investiert: die Realisierung der NEAT – also der Neuen Alpentransversale mit dem Gotthard- und dem Lötschberg-Basistunnel – kostete rund 20 Milliarden Euro", sagte Kurt Lanz, Mitglied der Geschäftsführung des Unternehmensverbandes Economiesuisse. Die Infrastruktur im alpquerenden Verkehr sei allerdings nur halb so viel wert, wenn im Norden und Süden die entsprechenden Zulaufkapazitäten fehlen.

Andrea Marongui, Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg, legte dar, wie wichtig der Ausbau ist, damit die Unternehmen aus Baden-Württemberg und der Schweiz die Seehäfen im Norden und im Süden schneller erreichen können. Auch daran lasse sich die europäische Bedeutung der Strecke ablesen, unterstrichen Hansruedi Werner als Vertreter des eidgenössischen Logistikverbandes Spedlogwiss sowie Ralf Bopp von der Handelskammer Deutschland-Schweiz.

Aber warum wird der Bau von drei zweigleisigen Streckenabschnitten sowie einer Verbindungskurve bei Singen nicht umgesetzt, zumal die Bundesrepublik Deutschland sich bereits im NEAT-Staatsvertrag 1996 zu einer Stärkung dieser Achse verpflichtet hatte? Für Thomas Albiez, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, "zerfließt unsere Forderung trotz unserer ständigen Gespräche auch in Berlin in den Fachreferaten". Deshalb sei steter öffentlicher Druck notwendig, denn an den vergleichsweise geringen Kosten von 550 Millionen Euro für den Gesamtausbau könne es kaum liegen. Allein der volkswirtschaftliche Schaden durch die Sperrung der Rheintallinie 2017 bei Rastatt habe zwei Milliarden Euro betragen, ergänzte Lanz. Im Land und auch in der Zusammenarbeit mit der Schweiz immerhin herrscht Einigkeit. Wolf betonte, dass er sich beim Ausbau der Strecke mit Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) "absolut einig" sei. Gleichzeitig sei die Unterstützung aus der Schweiz hilfreich. Gastgeber Harald Marquardt brachte die Stimmung in der Wirtschaft entlang der Strecke auf den Punkt: "Wir haben die Nase voll und es satt, ständig vertröstet zu werden."

Das "Grenzüberschreitende Wirtschaftsbündnis" aus Deutschland und der Schweiz repräsentiert zwölf Verbände mit knapp 430 000 Mitgliedsunternehmen. Neben den fünf angrenzenden Industrie- und Handelskammern Schwarzwald-Baar-Heuberg, Nordschwarzwald, Reutlingen, Hochrhein-Bodensee und Region Stuttgart gehört auch die Handelskammer Deutschland-Schweiz dazu. Die Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn, der Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg komplettiert die deutsche Seite. Aus der Schweiz sind die Zürcher Handelskammer, der Logistikverband Spedlogswiss, die Industrie- & Wirtschaftsvereinigung Schaffhausen und der eidgenössische Wirtschaftsdachverband economiesuisse, der mehr als 100 000 Unternehmen vertritt, engagiert.