Das Limpurger Rind und andere alte Nutztierrassen sind jetzt noch auf dem Schaubauernhof zu sehen. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Die Wilhelma soll in den kommenden Jahren umgestaltet werden. Das stößt nicht nur auf Begeisterung. Besonders eine Gruppe ist sauer.

Stuttgart - Peter Cheret ist traurig. So traurig, dass er trotz Expertise passen wird, wenn in der nahen Zukunft Architekten mit Erfahrung in Zoobauten gesucht werden. Cheret ist der Mann, der den Schaubauernhof der Wilhelma entworfen hat – das erste Werk seiner Karriere als freier Architekt, sein erster gewonnener Wettbewerb. Und nun auch das erste Gebäude aus seiner Feder, das abgerissen werden soll, lange vor seiner Zeit. „Etwas Funktionierendes abreißen, nach nur 24 Jahren, das ist in der Architektur wie wegwerfen“, sagt Peter Cheret. Das tue weh, und darum werde er es nicht übers Herz bringen, sich zu beteiligen, wenn der Wettbewerb für das Elefantenhaus oder für andere Gebäude im geplanten asiatischen Dorf beginnt, sagt Peter Cheret.

Die Wilhelma will umbauen. Am oberen Ende des Rundgangs wird eine „Asienwelt“ entstehen. Herzstück soll eine Elefantenzuchtanlage werden. Dafür soll der 1993 eröffnete Schaubauernhof wohl im Jahr 2020 weichen.

Die Retter der Schwäbisch-Hällischen Landschweine sind sauer

Der Architekt ist traurig, die Landwirte wütend. „Das ist ja ein doppelter Salto rückwärts", wettert Rudolf Bühler, der Gründer und Vorstand der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Die Gemeinschaft züchtet das Schwäbisch-Hällische Landschwein. Diese Rasse mit der charakteristisch gescheckten Haut ist bislang Bestandteil des Schaubauernhofs, die Bauer freut das: „Vor gut 20 Jahren hat sich dann die damalige Wilhelma-Leitung in vorbildlicher Weise zur Aufgabe gemacht, seltene heimische Haustierrassen in artgerechter Haltung auszustellen, um damit einen wertvollen Beitrag zur Umweltbildung und Sicherung der Biodiversität zu leisten“, lobt Bühler. Weitere Zoos seien diesem Vorbild gefolgt, aktuell baue der Züricher Zoo seinen Schaubauernhof aus. Das Ende dieser Einrichtung betrachtet die Erzeugergemeinschaft als „Rückfall in die Zoopädagogik der 1960er Jahre“, sagt Bühler.

Ein Streichelzoo soll auch Bestandteil des umgestalteten Bereichs sein

Gar so aufgebracht würden die Zoobesucher nicht reagieren, sagt Harald Knitter, der Sprecher der Wilhelma. Gut zwei Dutzend Briefe von Besuchern stapeln sich dennoch auf seinem Schreibtisch, „das ist ungewöhnlich viel“, räumt er ein. „Der Tenor ist: ‚Es hat uns dort doch immer so gut gefallen’. Richtig harte Kritik ist nicht dabei“, fasst der Pressesprecher zusammen. Es herrsche nach wie vor bei vielen Besuchern das Missverständnis, dass die Wilhelma nach dem Umbau auch keinen Streichelzoo mehr bieten würde. „Das ist nicht so, es werden dann nur andere Rassen sein, passend zu dem Thema des asiatischen Dorfes“, sagt Knitter. Auch sei die Befürchtung falsch, das Leben der dann nicht mehr zu sehenden Tiere sei gefährdet. „Wir werden alle an andere Zoos oder Wildparks vermitteln, kein Tier wird getötet“, stellt der Sprecher klar.

Peter Cheret ist der Wilhelma weiterhin als Ehrenmitglied des Fördervereins verbunden. Er habe „auch mal alle Kollegen ins Auto gepackt und wir sind hingefahren zum Mittagessen“, erzählt er in seinem Büro im Stuttgarter Westen. Dass ein Zoo sich entwickeln muss, das verstehe er. „Aber dass ausgerechnet die Einrichtung weichen muss, die bei den Besuchern laut einer Studie die höchste Verweildauer hat, das finde ich schade“, sagt Cheret, der auch die Wilhelmaschule entwarf.

Der Rosensteinpark ist als Erweiterungsfläche tabu

Eins kann man als sicher betrachten: Ein Stück Rosensteinpark als Erweiterung werde die Wilhelma nicht bekommen, um dort zu bauen und den Bauernhof zu erhalten. „Das geht auch aus Denkmalschutzgründen nicht“, sagt Georg Fundel, der Vorsitzende des Fördervereins. „Die Pläne sind fertig, die Situation wirkt auf mich nicht so, als ob noch Anregungen gewünscht wären“, sagt der Architekt Peter Cheret zur Frage nach Alternativen. Die Retter des Schwäbisch-hällischen Landschweins hoffen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist: „Wir werden uns noch zu Wort melden, um diesen geistigen Rückfall in Kolonialzeiten zu verhindern“, sagt Bühler.

Der SPD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Finanzminister Nils Schmid verteidigt die von seiner Nachfolgerin Edith Sitzmann (Grüne) vorgestellten Pläne gegen alle Kritiker. Er verstehe zwar, dass der Architekt traurig sei und die Landwirte enttäuscht seien. Von einem Rückfall in alte Zeiten könne man aber nicht sprechen. „Die Pläne sind in meiner Zeit im Ministerium entstanden, ich finde sie richtig“, sagt er. Die Aufgabe der Wilhelma sei nun einmal, „vor allem die Tier- und Pflanzenwelt aus anderen Teilen der Erde“ zu zeigen, nicht primär einen Schaubauernhof zu unterhalten. Schmid meint, die Stadt Stuttgart könne ja überlegen, ob sie einspringen und an anderer Stelle einen Bauernhof schaffen könnte, falls dieser für Schulklassen dringend gewünscht sei. Der Reiz des Masterplans liege für ihn darin, dass großzügige, nach Kontinenten und Lebensräumen geordnete Gehege geschaffen werden sollen: „Das ist dann auf jeden Fall auch artgerechter.“ Aus einem Guss werde nun Platz geschaffen für die asiatische Tier- und Pflanzenwelt. Dass die Wilhelma weiterhin einen Streichelzoo bieten wird, darüber freut man sich auch im Hause Schmid. „Meine Kinder gehen da auch gern hin“, sagt der Politiker.

Der Landesbauernverband bedauert den Wegfall ebenfalls

Wie dringend Kinder auf verschiedenen Wegen vermittelt bekommen müssten, wie Tiere leben, das weiß man auch beim Landesbauernverband, sagt dessen Sprecherin Ariane Amstutz. „Wir waren jetzt auf dem Mannheimer Maimarkt, und da sagen doch tatsächlich Kinder: „Guck mal, da trinken Ferkel an einer Mutterkuh“, berichtet sie. Auch sei sie von Kindern beim Anblick eines Ferkels gefragt worden: „Was ist das denn?“ Im Verband fänden viele Landwirte es bedauerlich, dass die Wilhelma den Schaubauernhof nicht fortführe. „Wir sprechen von einer Million Besucher im Jahr, die dort in Berührung mit der Landwirtschaft kommen, das wird schon fehlen“, sagt Amstutz.