Hand an seltene und geschützte Orchideen gelegt haben Unbekannte in zwei Naturschutzgebieten rund um Burladingen. War es die Potenzmittel-Mafia? Foto: Rapthel-Kieser

Unbekannte graben im großen Stil geschützte Pflanzen aus. Schäden lassen sich noch nicht beziffern.

Burladingen - Im Bereich der Bühlberge nahe Salmendingen und im Naturschutzgebiet Nähberg bei Burladingen haben unbekannte Täter im großen Stil seltene Orchideen ausgegraben und gestohlen. Dies berichteten Vertreter des Landratsamts am Rande der jüngsten Wiesenwanderung am Kornbühl.

Der Schaden, so teilt das Landratsamt auf Nachfrage des Schwarzwälder Boten mit, lasse sich derzeit noch nicht beziffern: "Der ökologische Schaden hängt davon ab, ob noch ausreichend Orchideen in den Gebieten vorkommen um die Population zu erhalten und ob die Knollen der zerstörten Orchideen noch intakt sind und wieder austreiben können. Da alle heimischen Orchideenarten geschützt sind, sind auch alle Vorkommen im Zollernalbkreis bedeutend", betont die Behörde in ihrer Mitteilung.

Im Zollernalbkreis kommen mehr als 40 der 60 deutschen Orchideen-Arten vor. Aber der Zollernalbkreis ist mit seinem reichen Vorkommen wohl nicht als einziger Standort in den Fokus der Blumenräuber und illegaler Händler geraten.

Bis zu 120 Euro pro Knolle

Im Ortenaukreis im Naturschutzgebiet Taubergießen waren seit Anfang Mai mehrere 1000 Knollen ausgegraben worden. Spinnen- und Hummelragwurz hatten die Diebe dort besonders im Visier. Mit kleinen Spaten, wie sie beim Spargelstechen Verwendung finden, gruben die Übeltäter die seltenen Orchideen aus.

Dietmar Keil, Biologe und Naturfilmer aus Offenburg sagte, er finde "unfassbar, dass in einer solchen Menge Profis diese Wiesen, die einmalig sind in Mitteleuropa, plündern können." Dies sei in diesem Ausmaß vorher noch nie passiert.

Keil beziffert zwar nicht den Schaden, sprach aber über den Gewinn, den dreiste Räuber machten: 80 bis 120 Euro werde pro Knolle auf dem Schwarzmarkt gezahlt.

"300.000 Euro Gewinn in einer Nacht"

3000 Knollen wurden in der Ortenau ausgegraben. "300.000 Euro Gewinn in einer Nacht", konstatierte Keil vor Fernsehkameras mit bitterem Unterton.

Für die Pflanzen gibt es wohl einen großen Markt. In manchen Regionen, etwa China, gelten sie als Potenzmittel. Dort werden die Knollen oder Blüten zerrieben und in Getränke gemischt. Als 2012 im Erzgebirge ebenfalls organisiert viele 1000 Orchideen verschwanden, sprach die Naturschutzorganisation Bund gar von einer "internationalen Potenzmittel-Mafia", die da offensichtlich am Werk sei, und erstattete Anzeige.

Dies haben jetzt wohl auch die Behörden des Zollernalbkreises und das Regierungspräsidium Tübingen gemacht. Bei der Wiesenwanderung unter dem Kornbühl äußerten sich die Mitarbeiter des Landratsamtes Zollernalbkreis folgendermaßen dazu: Da es so viele Orchideen gewesen seien, die ausgegraben wurden, könne man wohl von einer organisierten Tat sprechen, hinter der eine "massive kriminelle Energie" stecke.

Spaziergänger oder Naturliebhaber, die derlei Grabungen und Diebstähle beobachten, sollten sich auf jeden Fall bei der Polizei und dem Umweltamt des Landkreises melden und entsprechende Vorfälle anzeigen. Orchideenklau sei nämlich kein Kavaliersdelikt, sondern ein Vergehen gegen die Natur und den Umweltschutz.

Hinweise werden unter der Telefonnummer 07433/264-0 entgegengenommen.

Info: Orchideen

Vielen Pflanzenfreunden gilt die Orchidee, die weltweit vorkommt, als Königin unter den Blumen. Denn keine andere Pflanzenfamilie weist ein solches Spektrum auf, was Formen und Farben der Blüten anbelangt, wie die Familie der Orchideen. Etwa 1000 Gattungen mit 15.000 bis 30.000 Arten werden von den Botanikern anerkannt.

Der Name "Orchis" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Hoden". Die zwei Wurzelknollen der "Knabenkräuter" haben der gesamten Pflanzenfamilie ihren Namen gegeben und wohl auch zur Legendenbildung in Sachen Potenzmittel beigetragen. Denn als solches wurden Orchideen bereits bei den alten Griechen und auch im Mittelalter angesehen und verwendet.