Die beiden Abenteurer genießen die einzigartige Aussicht im Canyonlands Nationalpark in den USA. Fotos: Schumpp Foto: Schwarzwälder-Bote

ReiseberichtSchwarzwälder brechen auf, um den amerikanischen Kontinent von seiner unbekannten Seite kennenzulernen

Zimmern/Bösingen. Als Tanja Hezel und Philipp Schumpp ihre Stellen kündigen, nur das Nötigste in Motorradkoffer packen und nach Alaska aufbrechen, haben sie ein Abenteuer im Sinn. In den kommenden 15 Monaten begegnen sie wilden Tieren, zelten in den abgelegensten Gegenden Amerikas und sehen leuchtende Kinderaugen inmitten von Armut.

Zu Beginn jedoch folgt erst einmal die Ernüchterung. Regenschauer ziehen über den Nationalpark im Norden Alaskas, die Gefahr wildernder Bären ist gegenwärtig. Deshalb wird der Proviant grundsätzlich in Stahlbehältern aufbewahrt, gekocht wird weit weg vom Zelt, erzählt der 26-jährige Philipp. Einmal, als sie ihre erste Panne haben – mitten im Nirgendwo – raschelt es neben der Straße im Gebüsch. Während Philipp also den Reifen repariert, macht Tanja Lärm, um Bären zu verscheuchen.

Paar wird zum eingespielten Team

Die beiden finden sich schnell in ihre neue Lebensart ein. Sie reduzieren ihr Gepäck noch einmal deutlich und entwickeln ihre eigene Routine. "Die Reise hat uns noch mehr zusammengeschweißt", sind sich die beiden einig. Ein eingespieltes Team eben: Philipp fährt und Tanja plant die Route, informiert sich über die Reiseziele.

Die Panamericana führt die beiden Abenteurer vom hohen Norden bis in den Süden des amerikanischen Kontinents. Auf einer umgerüsteten BMW F800 GS erkundet das junge Paar auch abseits der Strecke abgelegene Gebiete, die vom Tourismus noch weitgehend unberührt sind. Die ursprüngliche Natur und Wildnis hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Auch die Gastfreundlichkeit der Menschen hat die Weltenbummler beeindruckt.

"Für uns war die wichtigste Erkenntnis, dass die Welt viel besser ist, als sie uns vermittelt wird", erzählen die beiden. Ihre Augen glänzen, Erinnerungen zaubern ein Lächeln in die Gesichter, als das junge Paar unserer Zeitung lebhaft seine Reiseeindrücke schildert. Die Bösingerin und der Zimmerner sind erst vor einer Woche von ihrem Abenteuer auf zwei Rädern zurückgekehrt und sind noch dabei, die vielen Erfahrungen zu verarbeiten.

Wenn die beiden nicht zelten, dann übernachten sie bei einem der vielen neugewonnenen Freunde. "Die Menschen kamen uns mit einem extremen Interesse und einer unglaublichen Gastfreundschaft entgegen", erzählt die 25-jährige Tanja. Ob auf dem Supermarktparkplatz oder im Café, in Nordamerika kommen die beiden mit vielen Menschen ins Gespräch. "Auf solchen Reisen musst du dich immer einlassen – wenn du immer die Scheuklappen aufhast, dann siehst du nichts von den Menschen und wie sie leben", ergänzt Philipp.

Berufsbedingt ist sein Interesse an den vielen kanadischen und amerikanischen Brauereien groß. Der gelernte Brauer und Mälzer zeigt sich begeistert von den ausgefallenen Sorten – abseits des deutschen Reinheitsgebots. "Ein deutscher Bierbrauer – da war das Eis immer schnell gebrochen", schmunzelt Tanja. "In einer Brauerei in Vancouver sah es aus wie in einer Hexenküche", schildert sie, "aber das Bier war genial." Dort lernen sie einen Mann kennen, der sie auf eine kleine Insel vor der Küste Vancouvers einlädt – unter den Gästen ist ein ehemaliger Bürgermeister der kanadischen Großstadt.

Das Interesse an den beiden Weltenbummlern ist auch wegen ihrer Motorradkleidung groß: "Einmal wurden wir gefragt, ob wir aus dem Weltall kommen, das andere Mal wurden wir für Feuerwehrleute gehalten und man dankte uns für die Bekämpfung der Waldbrände in Kalifornien", erzählt die gelernte Verwaltungsfachwirtin. Die vielen Begegnungen haben sie verändert, sie seien viel offener geworden.

Auch ihre eigenen Vorurteile habe die Reise entlarvt. So lösten sich die Bedenken vor einer Reise durch Mexiko einfach auf: "Es war alles ganz anders: bunt, fröhlich und abwechslungsreich", schildert die 25-Jährige. Das Land und seine Menschen hinterlassen einen bleibenden Eindruck bei dem jungen Paar. Beeindruckt hat sie auch die Großzügigkeit der armen Menschen: "Die leben ganz einfach in Bretterverschlägen und trotzdem sind die Leute viel glücklicher und geben viel mehr als sie selbst haben." Hilfsbereit sind die Einwohner auch, wenn es darum geht, das Motorrad in Schuss zu halten. Statt einer Rechnung bekommt Philipp in einer kleinen Werkstatt in Zentralamerika einen Aufkleber für seinen Koffer.

Reisemüdigkeit verfliegt beim Segeltörn

Doch nach acht Monaten setzt unter der drückenden Hitze die Reisemüdigkeit ein. "Wir begannen einige Dinge zu vermissen. Es fängt schon bei der warmen Dusche an, die man zu Hause ohne Stromschlag bekommt", erzählen die beiden. Für Ablenkung sorgt da die Überfahrt von Panama nach Kolumbien. Den direkten Weg über unbefestigte Straßen durch den Dschungel nehmen nur Spezialeinheiten, erzählt Philipp. Denn er gilt als berüchtigte Route für Drogenschmuggler.

Und so geht es für die beiden Abenteurer auf einem Segelboot vorbei an karibischen Inseln bis nach Kolumbien. Das Motorrad ist mit Spanngurten an der Reling festgezerrt. Vier Männer braucht es, bis der Koloss verladen ist. Von der aufregenden Überfahrt bekommt Tanja aber wenig mit – sie wird seekrank. Noch in Kolumbien scheint der Boden unter ihren Füßen zu wanken, doch die Reisemüdigkeit ist wieder verflogen.

Das südamerikanische Land übertrifft alle Erwartungen der Weltenbummler. Nur bei Kolumbiens Spezialität – dem Kaffee – bleibt ein bitterer Beigeschmack. Die Einheimischen selbst können sich die Bohnen nicht leisten, für sie bleibt Instantpulver. Die gute Ware wird in reichere Länder exportiert.

In Ecuador erwartet die Reisenden ein weiteres unterschätztes Juwel. "Das Land, es gibt dir alles: Vulkane, Küsten, Dschungel", schwärmt Philipp. Besonders in Erinnerung bleibt ein mehrtägiger Ausflug in einen Nationalpark, Motorradfahrer dürfen eigentlich nicht hinein. "Die Chance, dass man da reinkommt, geht gegen Null", sagt Philipp. Und doch: Der Wächter macht eine Ausnahme, denn das Paar versichert glaubhaft, dass ihm der Erhalt der Natur am Herzen liegt.

Kleinigkeiten machen den Reiz aus

"Und dann kommt man nach Peru. Die Landschaft ist sehr trist und stark vermüllt, das kann man sich gar nicht vorstellen", schildert Tanja ihre Enttäuschung nach dem Grenzübergang. "Der Müllwagen hält am Straßenrand an und lädt einfach alles ab", erzählt Philipp. Und auch wenn sich der Süden von einer einladenderen Seite zeigt und die beiden vom Machu Piccu und von den farbigen "Rainbow Mountains" begeistert sind, bleibt ein gemischtes Gefühl.

In Peru erfährt Tanja auch, dass bei ihrem früheren Arbeitgeber im Rathaus eine Stelle frei wird – und beschließt, sich zu bewerben. Außerdem zieht es die beiden wieder zurück in ihre Heimat. Denn mittlerweile ist auf der Südhalbkugel der Winter eingebrochen. Auf der Fahrt durch die Anden sind einige Pässe wegen Schneefalls gesperrt. Und so erleben die beiden auf einem Salzsee in Bolivien die schlimmste Nacht der Reise – denn sie ist die mit Abstand kälteste.

Dennoch erinnert sich das Paar gerne an diesen Reiseabschnitt zurück, wie der aufgehende Vollmond ein Tal zauberhaft beleuchtet und glückliche Kinder auf den Straßen spielen. "Es sind solche Kleinigkeiten, die eine Reise ausmachen", meint Philipp. Und Tanja hat die Erkenntnis gewonnen, "dass man nicht viel braucht, um glücklich zu sein".