Michael Scheer (links) nimmt die Äpfel von Martin Bechtold in Empfang. Fotos: Schönfelder Foto: Schwarzwälder Bote

Mosterei: Betrieb in Zimmern hat Ansturm zu bewältigen / Lage entspannt sich langsam / Familiäre Atmosphäre wird geschätzt

Inzwischen hat sich die Lage scheinbar etwas entspannt, obwohl rundherum die Kunden warten. Es riecht nach Süßmost, und wohin man schaut, warten Äpfel in Säcken, Eimern und Kisten darauf, in die Presse zu wandern.

Kreis Rottweil. Die Kunden scheinen dennoch tiefenentspannt, auch den beiden Betreiber der Mosterei Zimmern, Michael Scheer und Claudia Schmidt, scheint Hektik an diesem Morgen fernzuliegen.

Vor einigen Tagen sah es dort noch ganz anders aus. Da waren stundenlange Wartezeiten angesagt, Tonnen von Äpfeln wurden angeliefert, der Terminplan geriet völlig ins Rutschen. Mancher hatte viel mehr Obst mitgebracht, als vorher besprochen war, die Wartezeiten wuchsen sich zu Stunden aus. So mancher Kunde hat die anzuliefernde Menge Äpfel wohl absichtsvoll untertrieben oder sich einfach verschätzt. Klar, wenn die Äpfel in Blumenkästen, Eimerchen und Kistchen gebracht werden, wer soll da die Übersicht behalten?

Erzählt wird beispielsweise die Geschichte eines Lieferanten, der rund 2000 Kilogramm Äpfel angemeldet hatte. Das hätte rund 1200 Liter Süßmost ergeben. Nach vielen Stunden, die für die nachfolgenden Kunden extrem lange Wartereien bedeuteten, zog er schließlich mit 3600 Litern ab. Na dann Prost.

Aber das soll im nächsten Jahr anders organisiert werden, schwört jedenfalls Claudia Schmidt.

Für Scheer und Schmidt waren vor einigen Tagen noch 16, manchmal 20 Stunden Arbeitszeit angesagt. "Durcharbeiten mit einer Stunde Schlaf zwischendurch", beschreibt es Schmidt. Zeitweise wurden keine Termine mehr vergeben. Und da war Stehvermögen gefragt, auch von den Kunden. Die kommen aus der ganzen Umgebung, einige sogar den Heuberg herunter.

Scheer und Schmidt lassen trotz des Stresses keine Hektik aufkommen. Erst mal einen Kaffee, denn "die Presse läuft so schnell, wie sie läuft". Mit wachsamen Augen steht er neben der Presse, sie nimmt sich Zeit für Kunden und Besucher. Die stehen locker um einen Stehtisch herum, die Hände tief in den Taschen vergraben. Fachmännisch wird das Obst der anderen taxiert. Na ja, die eigenen Äpfel sind natürlich die besten. Und tolle Äpfel ergeben halt auch tollen Saft.

Die Kunden schätzen die familiäre Atmosphäre. Während man wartet, ist Gelegenheit zu einem kleinen Plausch, an dem sich auch Claudia Schmidt gern beteiligt. "Man erfährt ein kleines Stück Leben der anderen", nennt sie es. "Man kommt den Menschen sehr nahe." Sie beginnt jeden Tag mit einem Lächeln, wie sie sagt. Beneidenswert. Ihre offene Art überträgt sich auch auf die Kunden. Man packt mit an, wenn Not am Mann ist. Ist ja Ehrensache, würden die anderen ja auch machen.

Was sie ebenfalls zu schätzen wissen, jeder bekommt den Most aus seinen eigenen Äpfeln, da nimmt man schon mal ein Stündchen Wartezeit in Kauf.

2018 ist ein Ausnahmejahr. es herrscht eine regelrechte Apfelschwemme, andererseits gibt es immer weniger Mostereien. Früher wurde an sechs, sieben Tagen im Jahr gemostet, dieses Jahr geht das schon wochenlang so. "Im August hatten wir schon die ersten Anfragen. Da wollten wir mal einen Tag mosten, haben einen drangehängt und dann hörte es nicht mehr auf. Wir sind in die Saison quasi reingerutscht", sagt Schmidt.

In den vergangenen Jahren gab es eher mäßige Ernten. Deshalb hat Scheer auch eine mutige Entscheidung getroffen, als er beschloss, eine Mosterei aufzubauen. Lohnt sich das? Wird die nächste Saison gut, oder eher mau? Claudia Schmidt ist, wie sollte es anders sein, optimistisch.

Martin Bechtold kommt schon seit zehn Jahren zum Mosten. Auch er scheint ein fröhlicher Mensch zu sein. Er schätzt, dass er fünf Zentner mitgebracht hat. Auf ein Zeichen Scheers packt er seine prall gefällten Säcke und schüttet das Obst in die "Apfelwaschanlage". Hier stemmt und schüttet der Kunde noch selbst. Dann läuft das Obst durch die Presse, der Saft wird anschließend nebenan bei 85 Grad kurz aufgekocht, was ihn haltbar macht, und in Tetrapacks abgefüllt. Bechtolds Gesicht zeigt Vorfreude. Da macht die Wartezeit von einer guten Dreiviertelstunde nichts aus. Seine Tochter Anja Grießhaber ist quasi "im Auftrag" eines Kindergartens in der Mosterei. Die Kinder haben die Äpfel aufgelesen, dafür gibt’s den süßen Saft retour. Sie schaut in die Presse: "Wahnsinn, was da durchläuft."

Inzwischen scheint sich das Feld der wartenden Kunden zu lichten. Aber nur scheinbar. Gerade hat ein Kombi neu geparkt. Auf dem Anhänger reiht sich Sack an Sack.

Eines ist klar: In den kommenden Tagen wird Scheer und Schmidt die Arbeit nicht ausgehen.