Das Gasthof Bären wird 1976 abgerissen. Foto: Archiv/Stadtarchiv

1975 fällt das Todesurteil für das Areal am heutigen Kreisverkehr. Strohhutfabrik verschwindet.

St. Georgen - Mit einer Enthaltung spricht sich der Gemeinderat 1975 dafür aus, dass der "Bären" aufgrund der künftigen Verkehrsführung abgerissen werden muss. Doch es ist nicht das einzige Gebäude, dass an dieser Stelle für einen Neubau weichen muss.

Vier Hände sind es, die am 9. Oktober 1974 die Entscheidung bringen. Mit 14 zu 10 Stimmen geht der Zuschlag für die Umgestaltung der Bergstadt an eine Gruppe St. Georgener Architekten. Die Entscheidung markiert den offiziellen Beginn der Stadtkernsanierung. Aus dem Damoklesschwert, das über der damaligen Abstimmung schwebt, wird damit eine Abrissbirne – die auch den Bären unter sich begraben wird.

"Zum Teil historischen Baubestand zu erhalten", darunter auch den "Bären", war laut Alt-Bürgermeister Günter Lauffer das gesetzte Ziel der Freiburger Architekten, die schlussendlich nicht den Zuschlag erhielten. So kam es, dass ein Jahr später der Gemeinderat bei einer Enthaltung schließlich auch zugunsten einer besseren Verkehrsführung für dessen Abriss stimmte.

Als die Bagger anrollten, endete die Geschichte des Gebäudes, das Hansjörg Lauble im historischen Stadtführer als "eines der letzten markanten Häuser des alten St. Georgen" bezeichnet. Dabei hatte es zu dieser Zeit schon mehrere Umgestaltungen hinter sich.

Die Aufzeichnungen reichen zurück bis ins Jahr 1835, als der damalige Wirt erklärte, sein Gasthof sei mehr als 50 Jahre alt. Sieben Jahre später wütete ein Feuer in St. Georgen, unter den abgebrannten Häusern fand sich der "Bären". Mit dem Wiederaufbau wurde auch der bestehende Platz neu geschaffen, auf dem heute der Kreisverkehr zu finden ist sowie in direkter Nachbarschaft das Geschäftsgebäude, das anstelle des "Bären" trat.

Für den großen Komplex, der sich heute auf dem Areal befindet, mussten rund um den Gasthof weitere Häuser weichen – zum Teil bereits vor der Sanierung. Eines davon war das Café Schöner, das an einer Kreuzung lag, die es heute so nicht mehr gibt: Während der Umgestaltung wurde die Straße, die in direkter Verlängerung von der Bahnhofstraße zum Rathaus führte, stillgelegt. 2019 erinnert nur noch der Treppenabgang zwischen NKD und Sparkasse daran, dass hier einst Autos fuhren.

Doch einen Schritt zurück: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts stand an ebendieser Kreuzung ein 1621 erbautes Haus, das den Namen "Neue Schmiede" trug. Während dort zuerst ein Schneider namens Johann Jakob Heinemann lebte, erlernte sein Sohn den Beruf des Schmiedes – was dem Haus den Namen einbrachte. Mehrere Generationen schwangen hier den Hammer am Amboss, ehe der letzte von ihnen an ebendiesem Arbeitsgerät einen Schlaganfall erlitt.

In der Folge erwarb der Palmhutfabrikant Andreas Weisser 1855 das Gebäude, riss es ab und erbaute ein schmuckes kleines Häuschen mit zwei kleinen Spitztürmen, die vorn und an der Seite aus dem Dach lugten – das spätere Café Schöner.

Bevor sich die Tore allerdings für alle Kuchen- und Kaffeeliebhaber öffneten, mietete zuerst die Reichspost ab 1893 das Haus. 30 Jahre lang wurden von hier aus die Briefe, Postkarten und Pakete an die Bergstädter verteilt, bis die Räume den Ansprüchen nicht mehr genügten. Es folgte besagtes Café, dessen Zeiten aber Mitte der 1960er-Jahre ebenfalls zu Ende gingen: Die Sparkasse plante den Bau einer Schalterhalle. Schmucke Türmchen wichen dem modernen Flachdach.

Direkt dahinter stand ein stattliches Haus, das einst die Stroh- und Palmhutfabrik A. Weisser beherbergte. Weisser hatte dort seit 1856 produziert, zu Spitzenzeiten waren bis zu 1000 Personen mit dem Flechten beschäftigt. Die Konkurrenz aus dem Ausland führte allerdings bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts dazu, dass die Produktion eingestellt werden musste.

Das Fabrikgebäude wurde daraufhin für Büros der Verbandssparkasse genutzt. Der Wohnteil wich nach Umbauten dem Kaufhaus Raff. Das wiederum wurde im Zuge der Stadtkernsanierung gemeinsam mit der ehemaligen Stroh- und Palmhutfabrik endgültig abgerissen.

Das frei gewordene Grundstück wurde für den Bau des Komplex genutzt, in dem heute das Phonomuseum untergebracht ist. Im Neubau war zuerst das Kaufhaus Raff angesiedelt. 1985 eröffnete dort das Kaufhaus Brigau, ein Wortspiel, das auf den damaligen Besitzer Helmut Plagemann zurückzuführen ist. Während die ersten drei Buchstaben für die durch St. Georgen fließende Brigach stehen, fügte Plageman einen Teil des Ortes hinzu, in dem er bereits ein Geschäft hatte: Engen im Hegau. Zum Jahrtausendwechsel meldete Plagemann bereits Insolvenz an. Mieter kamen und gingen. Bleiben wollte keiner. Es folgte die Zwangsversteigerung. Jahre später zog das Museum ein.

Der Komplex, für den viele Häuser weichen mussten, war zu dieser Zeit aus architektonischer Sicht schon aus der Mode gekommen. Manch einer wünschte sich bereits die alten Gebäude zurück, von denen mindestens eines hätte gerettet werden können – wären da nicht diese 14 Stimmen gewesen.

Mit der geplanten Innenstadtsanierung hat sich St. Georgen einem Millionenprojekt angenommen. In den kommenden Jahren wird gebaggert, gespachtelt und gebaut. Die Bergstadt, wie man sie heute kennt, wird damit auch ein Stück weit verschwinden. Grund genug, zurückzublicken: In unserer Sommerserie Zeitreise veröffentlichen wir wöchentlich eine Geschichte über die Gebäude und Areale, die bereits nach der ersten Sanierung für immer verschwanden – vom Zünderschlössle über das Kaufhaus Raff bis hin zum Café Schöner.

Mehr Artikel zu unserer Sommerserie "Zeitreise St. Georgen" auf unserer Themenseite.

Glosse: Die Kunst des Krieges

Würden nur Frauen die Welt regieren, gäbe es keinen Krieg. Länder, die sich nicht einig sind, würden einfach irgendwann nicht mehr miteinander reden. So oder so ähnlich habe ich das einmal gelesen. Ob nur Männer die Fäuste ballen und Frauen eher schmollen, lassen wir mal dahingestellt. Sicher weiß ich nur: Eine ehemalige Bärenwirtin hielt so gar nichts vom Konzept des Krieges.

Aber von Anfang: Die Badische Revolution macht 1848 auch vor St. Georgen nicht halt. An der Spitze der Rebellen steht der damalige Bärenwirt Christian Haas. Aus dem Gasthaus wird eine Waffenschmiede. Nicht nur Sensen werden hier zweckentfremdet, auch Patronen werden hergestellt.

Die bessere Hälfte des Wirtes missbilligt diese Machenschaften. Kurzerhand füllt sie des Nachts Wasser in die Patronenhülsen, die daraufhin unbrauchbar werden. Es kommt, wie es kommen musste, die Rebellen erleben eine herbe Niederlage. Schlimmer noch: Später schlagen die preußischen Truppen die Aufstände nieder und quartieren sich im "Bären" ein. Kost und Logis frei, versteht sich.

All das ist überliefert – wohl aber nicht die Antwort auf die wichtigste Frage: Wie groß war wohl der Ehekrach?