Mutter Eva (von links), Theresa, Hannes, Caroline, Fabian und Vater Fritz sind die diesjährige Bärenfamilie. Foto: Reinhard

Bärenfamilie mit vier Kindern profitiert von diesjähriger Spendenaktion des Forums Hausach

Nicht nur einem Kind, sondern einer ganzen Familie kommt in diesem Jahr der Erlös der Bärenkind-Spendenaktion des Forums Hausach zugute. Alle vier Kinder leiden mehr oder weniger an einer Krankheit oder einem Gendefekt.

Wolfach. Die Familie Roth-Armbruster ist eine klassische Patchwork-Familie: Eva Roth-Armbruster brachte ihre zwei Söhne mit in die Beziehung, Fritz Armbruster seine zwei Töchter. Über die Kinder – die jüngsten gingen zusammen in den Kindergarten und Eva war die Tagesmutter der Mädchen – hat sich das Paar kennen 2009 gelernt, 2013 gaben sich Eva und Fritz das Ja-Wort – nach vier Jahren "Testzeit", wie die 40-jährige Eva Roth-Armbruster erklärt. "Wir wollten die Kinder nicht überfordern", sagt sie. Doch nachdem sie festgestellt hatten, dass der gemeinsame Alltag funktioniert, sagte das Paar "Ganz oder gar nicht".

Patchworkfamilie

Seitdem leben die Roth-Armbrusters ein Familienmodell, das aufgrund der Tatsache, dass 50 Prozent aller geschlossenen Ehen geschieden werden, immer häufiger wird. Doch auch wenn die Roth-Armbrusters mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben wie andere Patchworkfamilien, stellt ihr Alltag sie vor besondere Herausforderungen: Denn alle vier Kinder leiden an einer mehr oder weniger Krankheit oder einem Gendefekt.

Theresa

Bei der 17-jährigen Theresa wurde im Alter von zweieinhalb Jahren Neurofibromatose diagnostiziert. "Das bedeutet, dass auf meinen Nervenbahnen ständig gutartige Tumore wachsen", erklärt das Mädchen. "Die, die ausarten, müssen operiert werden." "Ausarten" bedeutet, dass auch die gutartigen Tumore das Potenzial haben, bösartig zu werden. Und bevor es soweit ist, werden sie entfernt. Einige machen aber auch vorher Probleme, drücken beispielsweise auf die Speiseröhre oder den Ischiasnerv. Auch diese müssen operiert werden.

Nachdem bei Theresa Neurofibromatose diagnostiziert worden war – zu dem Zeitpunkt war gerade ihre Schwester Caroline geboren worden – musste sie sich über einen Zeitraum von drei Jahren zwei Chemotherapien unterziehen. Dennoch nahm ihr ein Tumor auf einem Auge 60 Prozent der Sehkraft. Stillstand des Tumorwachstums konnte erst eine Strahlentherapie in Heidelberg erzielen. Aus diesem Grund geht sie am Förderzentrum Sehen in Schramberg zur Schule, momentan macht sie dort ein berufsvorbereitendes Jahr. Daneben muss sie sich im Schnitt ein bis zwei Operationen pro Jahr unterziehen, erzählt ihr Vater, mindestens alle sechs Monate stehen MRT-Untersuchungen an. Auch wenn die vielen Eingriffe anstrengend sind, ist Theresa fröhlich, offen und schmiedet fleißig Zukunftspläne. Sie weiß genau, was sie will: "Ich möchte einmal in der Altenpflege arbeiten", sagt sie. Sie hat in diesem Bereich auch schon ein Praktikum gemacht.

Hannes

Ihr Stiefbruder Hannes weiß hingegen noch nicht, wie seine Zukunft aussieht, sein Stiefvater kennt seine Stärken aber genau: "Er kann gut mit Computern umgehen und hat eine künstlerische Ader", sagt er. Aktuell macht er ein Praktikum bei Hansgrohe in Schiltach. Der letzte Satz in seiner Bewerbung lautete: "Ich möchte über mich hinauswachsen" – nicht ohne Grund: Denn der 14-Jährige leidet an Achondroplasie. Er ist momentan 1,18 Meter groß, später wird er wahrscheinlich etwa 1,28 Meter messen. Die Ursache für die Krankheit liegt in einer spontanen Mutation im Genom. "Bis zur U3 haben wir nichts davon gemerkt", berichtet Eva Roth-Armbruster. Erst da sei dem Arzt aufgefallen, dass das Verhältnis zwischen Kopf und Körper nicht ganz stimmt. Er vermutete einen Wasserkopf und überwies an die Uniklinik in Freiburg. Dort wurde die Diagnose "Achondroplasie", eine Form des Kleinwuchses, gestellt.

"Wir fallen auf"

Als Kleinkind hatte Hannes immer wieder mit Mittelohrentzündungen zu kämpfen, denn sein Knorpelwachstum verläuft nicht normal. Außerdem erlitt er einmal einen Atemstillstand. Sein Hinterhauptloch hatte in einer bestimmten Schlafposition das Rückenmark gequetscht.

Als er etwas größer war, musste eine Beinkorrektur vorgenommen werden. "Er hat sich aber durch alles durchgeboxt", lobt seine Mutter, "und ging mit seinen 65 Zentimetern auch in den normalen Kindergarten". Momentan besucht Hannes die neunte Klasse der Wolfacher Realschule.

Heute stellen ihn eher alltägliche Dinge wie der Kleidungs- oder Fahrradkauf vor Herausforderungen. Natürlich hat Hannes daneben auch noch mit anderen Dingen zu kämpfen. "Wenn wir zusammen unterwegs sind, fallen wir schon auf", erzählt Stiefschwester Theresa. Besonders unangenehm seien ihnen heimliche Blicke oder Getuschel. "Mit ist es lieber, sie fragen mich direkt, was ich habe", meint Hannes.

Caroline

Mit solchen Problemen hat die 14-jährige Caroline nicht zu kämpfen. Dass sie an Epilepsie leidet, sieht man ihr natürlich nicht an. Lange Zeit wusste aber auch niemand, was genau sie hat. Erst dieses Frühjahr hat sie die endgültige Diagnose erhalten. Bei Stress oder wenn sie unter Druck steht, besteht die Gefahr, dass Caroline krampfartige Anfälle bekommt. Und sie leidet an Migräne.

"Als sie noch klein war, hat man die Anfälle für Fieberkrämpfe gehalten", erzählt ihre Patchworkmutter. Mittlerweile weiß jeder in der Familie, was er zu tun hat, wenn Caroline einen Anfall hat. "Die Eltern rufen oder die Tablette aus dem Badezimmer holen und sie ihr in den Mund legen", fasst Theresa zusammen. Auch Caroline hat genaue Vorstellungen von ihrer Zukunft. "Sie sieht sich im Steuer- oder Verwaltungsbereich. Ihr Vater bestätigt: "Caroline ist eine ganz Akkurate und Genaue."

Fabian

Auch beim elfjährigen Fabian war lange nicht klar, was das Problem ist. "Er kam drei Wochen zu früh zur Welt, ich habe ihn gestillt, aber es ging ihm zunehmend schlechter", erzählt Eva Roth-Armbruster. Bis er vier Monate alt war, nahm er nicht richtig zu, irgendwann litt er sogar unter blutigem Durchfall. Erst als ein Kinderarzt seiner Mutter riet, auf milchzuckerfreie Fläschchennahrung umzustellen, blühte er auf. Fabian verträgt nämlich keinen Milchzucker. Isst er ihn trotzdem bekommt er Durchfall und Bauchschmerzen. Glücklicherweise hat Fabian eine Art siebten Sinn für Milchzucker entwickelt. "Er schmeckt ihn und kann genau sagen ›das geht nicht gut‹", sagt seine Mutter. Momentan geht Fabian auf das Robert-Gerwig-Gymnasium in Hausach.

"Wir versuchen, ein normales Leben zu führen", fasst der 52-jährige Patchworkvater die Situationzusammen und seine Frau ergänzt: "Wir können es ihnen nicht abnehmen, aber wir können sie stützen." Als "Patchwork mit Handicap" bezeichnen die Beiden ihre Familiensituation. "Oft werden wir gefragt: ›Wo nehmen Sie die Kraft her?‹ Darauf gibt es keine Antwort. Es ist eben so, wie es ist. Für uns ist das Routine", sagt Eva Roth-Armbruster. Glücklicherweise hätten die "Einschläge" sich immer abgelöst, niemals sei gleichzeitig etwas mit zwei Kindern gewesen.

Aktion als Chance

Trotz allem sind die sechs eine fröhliche Familie, die als Team gut funktioniert, wie Eva Roth-Armbruster sagt. Die Bärenkind-Aktion sehen sie als Chance, für mehr Akzeptanz in der Gesellschaft und über die Krankheiten aufzuklären. "Es kann schließlich jeden treffen", so Eva Roth-Armbruster.

INFO

Die Bärenkind-Aktion

Die Aktion wurde nach Anne Maier geprägt. Sie setzte sich seit 1994 für kranke Kinder ein. Gemeinsam mit dem Forum startete die Hausacherin 2003 die Aktion Bärenkind. Der Erlös aus dem Verkauf eines Anne-Maier-Bärs ging seither an kranke aus dem Kinzigtal und deren Familien, die die finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der Krankheit ihrer Kinder gut gebrauchen können.