Direktkandidat spricht über die eigene Partei, Flüchtlinge, Digitalisierung und Windkraft
Wolftal/Hornberg/Gutach . Welche Ziele haben die Bundestagskandidaten, was wollen sie erreichen? Unsere Zeitung fühlt den Kandidaten von CDU, SPD, Grünen, FDP, der Linken und der AfD auf den Zahn. Heute: Marcel Klinge von der FDP.
Lange sah es so aus, als ob die Kinzigtäler beim Integrieren von Flüchtlingen keine Probleme haben. Seit 2016 werden Stimmen lauter, die das Gegenteil behaupten. Was könnte passieren, damit Flüchtlinge besser integriert werden?
Wir wollen eine klare Regelung haben, daher möchten wir ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen. Dabei muss zwischen Asyl und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden werden. Dabei soll es ein Punktesystem geben, bei dem wir festlegen, welche Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gesucht werden, sodass diejenigen dann bevorzugt behandelt werden. Das ist der erste Schritt. Der zweite ist, dass wir in Deutschland eine Debatte brauchen, was Integration für uns bedeutet und was wir verlangen. Und das passiert bei uns bislang nicht. Ich erwarte, dass die Leute relativ schnell deutsch können und sich an das Grundgesetz halten.
Und speziell in der Region?
Was mir nur auffällt, ist, dass Integration hier schon relativ gut funktioniert. Aber nicht, weil die Politik etwas macht - Kanzlerin Angela Merkel hat ja diesen berühmten Satz gesagt: "Wir schaffen das" – sie hat gar nichts geschafft, die Kommunen vor Ort haben das geschafft. Und ich glaube, die Menschen sind der Schlüssel vor Ort und mein Eindruck ist auch, dass viele bereit sind, sich zu engagieren und viele Unternehmer einem Geflüchteten eine Chance geben und schauen, wie er sich schlägt. Deswegen ist es wichtig, dass die Zivilgesellschaft weiterhin so gut arbeitet und wir den Flüchtlingen eine Beschäftigung geben. Der Arbeitsmarkt ist ein Schlüssel um Integration erfolgreich zu gestalten.
Also Mindestlohn, ade?
Zumindest für Flüchtlinge. Denken Sie einmal an die Italiener und Türken, die nach Deutschland gekommen sind. Sie sind dann über die Betriebe in die Gesellschaft hineingekommen. Ich habe, glaube ich, zehn Telefonate mit der Ausländerbehörde, dem Sozialamt und der Arbeitsagentur geführt, um jemanden zu beschäftigen. Ich habe das gemacht. Aber Sie glauben doch wohl nicht, dass ein Handwerksmeister aus Gutach mit zehn Beschäftigten sich abends noch hinsetzt und all diese Behörden anruft? Das ist das Problem.
Beim Gemeinderat in Wolfach hat sich herausgestellt, dass der Helferkreis für Geflüchtete zu dünn besetzt ist. Wie würden Sie versuchen, die schon angesprochene Zivilgesellschaft zu ermutigen, Flüchtlinge im Alltag zu begleiten?
Ich probiere Zuspruch zu geben – erst einmal moralisch – um "Danke" zu sagen. Ich finde, wir sagen das den ganzen Ehrenamtlern viel zu wenig – auch jenseits der Flüchtlingsproblematik. Ich glaube, dass die Menschen immer noch den Eindruck haben, es kann jeder zu uns kommen, der möchte. Und das ist Aufgabe des Bundes, klarzustellen, dass es auch Regeln gibt und diese eingehalten werden müssen. Deshalb wollen wir dieses Einwanderungsgesetz. Denn als Merkel damals die Grenzen geöffnet hat, hat sie massiv Regeln gebrochen. Und das führt bei den Menschen hier zu einem ganz diffusen Bauchgefühl, und ich glaube, da muss Politik ran und sagen: Wir haben Regeln und die Politik macht nicht, was sie möchte. Dieses Gefühl muss man den Menschen wieder zurückgeben.
Ihre Partei hat mit Merkel bereits koaliert. Inwieweit werden Ihre Visionen im nächsten Koalitionsvertrag – insofern das möglich wird – vertreten sein. Denn vor der Wahl ist ja meistens nach der Wahl...
2009 hat man ganz schnell den Koalitionsvertrag abgeschlossen und das nicht ausverhandelt, ist sehr unkonkret geblieben. Im politischen Alltag heißt das dann sehr oft, dass Sie ausgespielt werden oder es Finanzierungsvorbehalte gibt. Das wird nicht mehr passieren. Wir haben eine feste Agenda: Bildung, Zuwanderungsgesetz, Digitalisierung und Steuerentlastung. Wenn diese Punkte sich im Koalitionsvertrag nicht bärenstark wiederfinden, wird es keine Koalition mit der FDP geben. Das muss das Erste sein, bevor man über Ministerposten spricht. Und diese Lektion haben wir, glaube ich, gelernt.
Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte hat vor einer Woche im ZDF gesagt, dem Bundestag würde eine lebendigere Debattenkultur gut tun, die während der Großen Koalition eingeschlafen ist. Sind Sie der richtige Mann dafür?
Wenn Christian Lindner Oppositionsführer werden würde, würde es richtig rund gehen im Bundestag. Aber Korte hat das richtig festgestellt: Die Debatten im Bundestag waren gähnend langweilig. Ich glaube, viele Menschen haben auch relativ schnell festgestellt, dass eine liberale Stimme fehlt. In den vergangenen Jahren war es eher noch so, dass die anderen Parteien gesagt haben: "Bitte noch mehr umverteilen." Es fehlt im Grunde eine Stimme, die sagt, dass das Erwirtschaften vor dem Verteilen geht und der Staat sich nicht in alles einmischen braucht. Diese Stimme täte dem Bundestag, glaube ich, ganz gut. Mit der FDP wird das ab 25. September dann wieder spannender in Berlin.
Die FDP spielt gerade auf der Bundesebene keine Rolle. Auch im Kinzigtal ist sie nur mit Ortsverband in Gutach präsent. Wie erreichen Sie Ihre Wähler?
Es ist natürlich schwierig, von der parlamentarischen Opposition in die Fläche zu hineinkommen. Mein Eindruck ist, dass es in den vergangenen Monaten deutlich besser geworden ist, weil das Interesse gestiegen ist. Ich mache auch sehr viel über den Social-Media-Bereich. Das ist für mich bei diesem über 70 Kilometer großen Wahlkreis von Blumberg bis ins Kinzigtal eine Möglichkeit, um mich vorzustellen und ein paar Themen anzukündigen.
Digitalisierung ist eines Ihrer Wahlkampfthemen. Längst haben nicht alle Firmen und Privathaushalte einen Anschluss an schnelles Internet. Gerade für Firmen in abgelegten Ortsteilen wie in Wolfach-Ippichen ist das ein Problem...
Es ist ein Riesenthema, ich werde auch ständig darauf angesprochen. Vor zwei Wochen war ich bei "Schillinger Fensterbau" in Oberwolfach, ein tolles Unternehmen. Aber die Geschäftsführerin hat mir erzählt, wenn 14 Mitarbeiter morgens das Outlook-Programm aufmachen, bricht das Netz zusammen. Und das kann nicht sein. In Japan haben 70 Prozent der Haushalte Glasfaser und in Deutschland nur 1,7 Prozent.
Wie würden Sie das ändern?
Wir brauchen eine Digitalisierungsoffensive mit einem Fonds über vier Milliarden auf Bundesebene. Dazu wollen wir Anteile der Telekom und Deutschen Post privatisieren, um das zu finanzieren. Die Telekom ist übrigens einer der größten Bremser beim Ausbau, weil sie ihre alte Kupfertechnologie noch verbessert und nutzen möchte. Wir glauben aber gerade, dass schnelles Internet im ländlichen Raum staatliche Aufgabe ist, wie der Stromanschluss oder die Straßen. Und eines kann nicht sein, die Kommunen können nicht auf den Kosten sitzen bleiben.
Hier gibt es eine Menge Potenzial, was Wasserkraft betrifft. Alle Bauanträge diesbezüglich werden aber niedergebügelt. Wie stehen Sie dazu?
Die Windkraft hat im Schwarzwald nichts zu suchen, sie gehört an die Nord- und Ostsee. Wasserkraft ist für unsere Region spannend und deshalb sollte man diese Form der regenerativen Energien bestmöglich unterstützen. Windkraft im Schwarzwald ist schwierig: Sie haben auch gar nicht die Trassen, um den Strom einzuspeisen und dann produzieren die Windräder Strom für den Mülleimer, das ist natürlich ein Witz. Und was ich kritisiere, ist auch, dass die Verbraucher das am Ende des Tages alles über die Stromsteuer und Umlage bezahlen müssen.
Der Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) hat bei einem Besuch in Wolfach gesagt, die Erträge von Wasserkraft seien zu gering, die Ressourcen in der Region ausgeschöpft. Glauben Sie dennoch, dass es eine Möglichkeit gibt, sie zu forcieren?
Das ist halt einfach grüne Ideologie. Die haben sich festgelegt, Windkraft auf Teufel komm raus durchzusetzen. Was ich sowieso nicht gut finde, dass wir beim Thema so wenig technikoffen forschen. Ich meine, da gibt es ja ganz spannende Geschichten. Wenn ich über das Elektroauto nachdenke, gibt es ja auch die Ethanol- oder Wasserstoff-Varianten. Das sind viel versprechendere Sachen. Beim Thema "regenerative Energien" müssen wir von den Ideologien wegkommen und schauen, was zu einer Region passt, in dem Fall hier Wasserkraft, und was die Kosten nicht in die Höhe treibt. Die Fragen stellte Melanie Steitz.
INFO
Zur Person
Marcel Klinge (36) ist Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion Bremen und Mitglied im Bundesvorstand der Freien Demokraten. Seit 2014 ist er Stadt- und Kreisrat in seiner Heimatstadt Villingen-Schwenningen. Er hat Politik und Soziologie an der Berliner Humboldt-Unversität studiert und 2012 zum Thema "Islam und Integrationspolitik" promoviert. Er joggt, reist und hört gern Musik.