Die Inhaberin des Buchladens an der Hauptstraße, Bettina Matheisen (54), hört Ende des Monats auf. Der Abschied fällt ihr schwer, denn die Arbeit hat ihr immer große Freude bereitet. Doch der Rückgang der Kundennachfrage und der Onlineversandhandel machten der gelernten Industriekauffrau zu schaffen. Foto: Steitz

Aus kommt im verflixten elften Jahr. Konkurrenz durch Onlinehandel zu groß, Stammkunden bestürzt.

Wolfach - Schweren Herzens schließt Inhaberin Bettina Matheisen Ende des Monats ihre Buchhandlung. Zu gering ist die Nachfrage seit Beginn des Jahres ausgefallen. Die bis zuletzt treuen Stammkunden sind über das Aus bestürzt.

So plötzlich, wie die Nachricht die Kunden schockieren mag, ist die Idee für Matheisen nicht. Lange zuvor hatte sie mit ihrer Entscheidung gerungen, ihren Laden an der Hauptstraße 31 in Wolfach aufzugeben.

Ihrer Meinung nach hat auch das Internet ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Davon seien nicht nur ihr Laden, sondern auch andere in der Innenstadt betroffen. Die 54-jährige Inhaberin habe eigentlich immer für jeden Kunden etwas im Sortiment gehabt und sich auch an ihrem Kaufverhalten orientiert. Vor allem die Esoterik-Abteilung boomte, was sie selbst überraschte.

Ab 2010 stagniert es

Aber auch, als es nach der Blütezeit, in der täglich 20 bis 30 Kunden ein- und ausgingen und ordentlich kauften, ab 2010 kontinuierlich weniger Umsatz wurde, gab die 54-Jährige nicht auf. Der Gewerbevereinschef Reinhold Waidele brachte sie unter anderem auf die Idee, als sich der Vivell Shop auflöste, den Kerzenbestand von der Familie Talmon L’Armee, die aus Altersgründen in der Innenstadt aufhörten, auf Kommission zu übernehmen. Die erhoffte zusätzliche Kundschaft blieb jedoch aus. Jetzt bleibt Matheisen nichts anderes übrig, als die Kerzen Talmon L’Armee wieder zurückzugeben, damit diese sie anderweitig weiter verkaufen können.

Viele sind fassungslos

Der Mietvertrag endet am Dienstag, 30. Juni, für das Objekt in der Hauptstraße und die 54-Jährige dreht den Schlüssel ein für alle Mal um. Ein Comeback ist ausgeschlossen. Zwar hätten es viele Kunden nicht fassen können, dass Matheisen ihr zentral gelegenes Geschäft aufgeben muss. Aber auch Waidele und Bürgermeister Thomas Geppert, mit denen die Geschäftsfrau Abschiedsgespräche geführt hat, akzeptieren deren Entscheidung – obgleich sie von der Nachricht natürlich nicht sonderlich begeistert waren.

Die in Hausach lebende Matheisen möchte sich ab Juli Zeit nehmen, die Ereignisse zu verarbeiten, und sich dann voller Tatendrang einem Neuanfang widmen. Freude habe der gelernten Industriekauffrau die Arbeit dort immer bereitet. "Es hat mir Riesenspaß gemacht – all die Jahre", betont sie gegenüber dem Schwarzwälder Boten.

Eine Kundin aus Schapbach bedauert das Aus am Mittwochmittag in der Buchhandlung. "Das tut wirklich weh", sagt sie wehmütig zu Matheisen und umarmt sie. "Wo kann ich dann Bücher bestellen?", fragt sich Daniela Benkler-Zaum. Es sei immer so praktisch gewesen und in Schapbach gebe es keine Buchhandlung, so sei sie immer nach Wolfach zu Matheisen gefahren.

Die Stammkundin kann es gar nicht glauben, ist regelrecht fassungslos und verspricht, die 54-Jährige vor Ablauf des Monats noch einmal aufzusuchen, um sich von ihr zu verabschieden.

"Sang- und klanglos" will Matheisen hingegen eigentlich gehen. Lediglich ein kleines gelbes Schild im Schaufenster deutet das Aus an. "Ich danke allen Lesern, die mich all die Jahre unterstützt haben. Ich danke auch für die netten Gespräche, die sich oft ergeben haben. Ich wünsche Ihnen alles Gute", heißt es darauf. Auf Kerzen und Dekoartikel gibt es 50 Prozent Rabatt.

Keine Kostendeckung

Eine Abschiedsveranstaltung ist nicht geplant, teilt sie mit. Ihr fällt der Abschied ohnehin schwer. "Ich habe gedacht, dass ich den Buchladen machen kann, bis ich 70 Jahre alt bin", erinnert sie sich. "Dieses Jahr war dann die Katastrophe. Alles was ich eingenommen habe, habe ich wieder in Bücher gesteckt", sagt sie. "Wenn ich an dem Punkt bin, an dem sich die Kosten nicht decken, muss ich aufhören", unterstreicht Matheisen.

Nicht nur die Einheimischen seien mehr in Kauflaune gewesen, sondern auch die Touristen zum Bespiel in den Osterferien oder zuletzt den Pfingstferien. Letztere seien nur noch kurz hineingekommen, hätten auf den Büchertisch geschaut und seien dann wieder hinaus gegangen.

Und auch der Versandhandel und das Internet seien spürbar. Viele bestellten online ihre Bücher. Eine Supermarktkette begann Anfang des Jahres mit dem Verkauf von E-Books. "Selbst eine Oma im Alter von 76 Jahren in der "Krone" nebenan tippt auf ihrem Handy herum", beklagt Matheisen. Früher seien einfach viel mehr Bücher gelesen worden. Auch die Klientel der Bücherfans hat sich in Wolfach demnach verkleinert.

Die vielen Münzen, die eine weitere Kundin, die Matheisens Ausführungen mitbekommen hat, in den Schlitz des Sparschweins neben der Kasse einwirft, können über diese langfristige Entwicklung nicht hinweg täuschen. Was aus dem Laden in der Hauptstraße 33 nach Matheisens Auflösung einst passieren wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar.

INFO

"Nachfolge"

"In den 1970er-Jahren war es total modern, einen Buchladen aufzumachen", hat eine Branchenexpertin Matheisen kürzlich erzählt. Bundesweit ereile die Buchhandlungen nicht nur der digitale Wandel, sondern auch das Problem der Nachfolge. Nur noch wenig junge Leute wollten ein solches Geschäft heutzutage übernehmen.


Kommentar von Melanie Steitz

"Keine Ruinen"

Schon wieder schließt ein Geschäft, das zentral in Wolfachs "Städtle" liegt. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung. Erst im März schob das "Wohnzimmerle" den Riegel vor. Im November 2016 wurde das traditionsreiche Gasthaus Kreuz dicht gemacht. Zwei Banner an der Hausfassade weisen immer noch darauf hin, dass ein Interessent gesucht wird. Das "Rothinger", ein legendäres Geschäft für alle möglichen Waren, hat im Oktober 2014 aufgegeben. Die Gründe sind vielfältig. Sicherlich spielt der Onlinehandel und -versand eine starke Rolle. Andererseits betrifft dieses Problem viele Städte und nicht alle leiden darunter. Die Stadt kann sich im Lichte der Entwicklungen nicht wegducken, sondern sollte sich mit Einzelhändlern gesondert an den Tisch setzen, um Lösungen zu erarbeiten, Wolfachs Innenstadt zu beleben, sonst bleiben in einigen Jahren nur Ruinen übrig, aber keine Menschen, die sie mit Leben füllen, dort einkaufen und essen.