Das Schreckensszenario: Eindringlinge suchen Wohnungen heim – doch dieses Jahr scheinen die Fallzahlen deutlich zu sinken. Foto: Mauritius

Ist es Zufall – oder finden reisende Einbrecherbanden derzeit andere Landstriche attraktiver? Bis kurz vor Weihnachten gibt es in Stuttgart und der Region im zweiten Jahr in Folge teils deutlich weniger Wohnungseinbrüche. Die Polizei ist vorsichtig optimistisch.

Stuttgart - Vielleicht ist es ein Warnsignal dafür, sich nicht zu früh zu freuen: Zwei Fensterbohrer haben in Sillenbuch zugeschlagen, die eindeutige Handschrift von Profis. Bisher haben die lautlosen Täter die Polizei im Schwarzwald und Raum Offenburg in Atem gehalten. Kommen sie nun auch verstärkt nach Stuttgart? Dabei ist dieses Jahr für die Landeshauptstadt und die Region bisher relativ erfreulich verlaufen – mit erneut deutlichen Rückgängen.

Gut 900 Wohnungseinbrüche hat es im vergangenen Jahr in Stuttgart gegeben – es könnten diesmal weniger als 700 werden. Wenn der Trend bis zum Schluss anhält: etwa ein Viertel weniger Taten. Daten, die von der Polizei indes unter Verschluss gehalten werden. Bloß keine voreilige Entwarnung – weil schon die nächste Welle alles wieder infrage stellen kann. Wie in den vergangenen Jahren, als georgische Banden und eine chilenische Gruppierung den Südwesten heimsuchten.

Womöglich werden neue Täter in Bosnien rekrutiert. Seit Kurzem sitzen zwei Männer aus dem Kanton Zenica hinter Gittern. Aus jener wirtschaftlich gebeutelten Region mit 50 Prozent Arbeitslosenquote, aus der vor Jahren eine ganze Invasion von Einbrechern gestartet wurde – mit bestens organisierten Statthaltern in Baden-Württemberg. Die 33 und 36 Jahre alten Männer, die in der Neckarstraße im Stuttgarter Osten mit Brecheisen und Schraubenzieher erwischt wurden, schweigen. Was typisch sei, sagt ein Ermittler: „Die geben nur zu, was wir ihnen nachweisen können, sitzen ihre Haftstrafe ab und fertig.“

Der älteste Täter ist 78

Doch die Banden scheinen den Großraum Stuttgart zu scheuen. „Wir haben ein verbessertes Fahndungssystem, einen verstärkten Informationsaustausch mit anderen Ländern und mehr Personal“, sagt Kripochef Rüdiger Winter. „Dass die Justiz hier auch gleich mit mehrjährigen Haftstrafen reagiert, dürfte sich ebenfalls herumgesprochen haben.“

Serientäter, die wie Heuschrecken durch die Region ziehen, sind offenbar anderswo aktiv. In Stuttgart gibt es jedenfalls ein gemischtes Klientel, das ins Netz der Ermittler geht. Da gibt es den 78-jährigen Deutschen, einen Schwerkriminellen mit Profi-Werkzeug – aber auch Täter aus Algerien, Tunesien, Serbien, dem Kosovo, Georgien, Moldawien oder Lettland. Eine breite Palette, aber keine Serientäter, denen man reihenweise Straftaten nachweisen könnte: „Die Aufklärungsquote“, sagt Winter, „wird daher wohl schlechter ausfallen.“

Dass die Täter derzeit vorrangig alleinstehende Gebäude heimsuchen, hat für Winter einen einfachen Grund: „Wenn im Einfamilienhaus kein Licht brennt, ist auch niemand da.“ Bei Mehrfamilienhäusern sei die Wahrscheinlichkeit aufmerksamer Nachbarn größer. Die Meldungen sind eindeutig: Die Täter knacken derzeit bevorzugt Terrassentüren und Fenster im Erdgeschoss und Hochparterre. Ein Stuttgarter Schwerpunkt reicht von Vaihingen bis Sillenbuch.

Bis zu 60 Prozent weniger Fallzahlen

Ein weiterer Brennpunkt in der Region sind die Städte und Gemeinden entlang der Autobahn 81. „Das hat in der dunklen Jahreszeit zugenommen“, sagt Tatjana Wimmer vom Polizeipräsidium Ludwigsburg. Aber auch da gilt: „Die Fallzahlen sind insgesamt gegenüber dem Vorjahr rückläufig.“ Im Landkreis Böblingen noch deutlicher als in Stuttgart: Der Trend liegt hier gar bei minus 30 Prozent. Im Kreis Ludwigsburg zeichnen sich bisher etwa 15 Prozent weniger ab. Die Städte scheinen dabei kaum im Visier: Böblingen hat 60 Prozent weniger Fälle, Ludwigsburg minus 40 Prozent. Sindelfingen, Leonberg, Weil der Stadt, Kornwestheim oder Vaihingen/Enz verzeichnen Rückgänge zwischen etwa 30 und 60 Prozent. Dagegen können Bewohner in Korntal-Münchingen, Bietigheim-Bissingen oder Herrenberg von Rückgängen nur träumen.

Immerhin: Die Grundtendenz stimmt – auch im Landkreis Esslingen: „Bisher haben wir da einen rückläufigen Trend“, sagt Polizeisprecher Björn Reusch. Das Minus könnte weit mehr als zehn Prozent ausmachen – wenn nicht noch Serientäter zuschlagen. Im Rems-Murr-Kreis dürften sich die Zahlen nach neuesten Rechnungen auf ähnlichem Niveau halten.

Und doch: Im Land ist der Trend nicht ganz so stark. „Landesweit rechnen wir mit einem Rückgang im einstelligen Prozentbereich“, sagt Renato Gigliotti, Sprecher des Innenministeriums. Umgerechnet heißt das: Nach dem traurigen Rekord von 13 500 Fällen vor zwei Jahren könnte das Niveau von 2013 wieder erreicht werden – damals mit etwa 11 300 Fällen. „All das deutet darauf hin, dass die Maßnahmen mit hoher Kontrolldichte, intensiven Ermittlungen und Kooperation mit anderen Ländern greifen“, so Gigliotti. Zu früh will er sich freilich nicht freuen: „Wir sind vorsichtig optimistisch.“