Die Wohnungsbaugesellschaft errichtet in Villingen-Schwenningen das "SperberFair". Foto: Eich

Neubauten sorgen sowohl in Großstädten als auch im ländlichen Raum für Probleme. Zahlreiche Lösungsansätze.

Köln/Freudenstadt/Villingen-Schwenningen/Rottweil - Wer in deutschen Metropolen ein neues Zuhause sucht, hat häufig keine allzu guten Karten. Denn in den sieben größten Städten hierzulande werden viel zu wenige Wohnungen gebaut, wie aus einer am Montag in Köln publizierten Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht.

Ganz anders sieht es im ländlichen Raum aus: Dort wird mancherorts zu viel neu gebaut, etwa in Sachsen-Anhalt, Sachsen, im Saarland und am Rande Bayerns. "Obwohl es auf dem Land viel Leerstand gibt, entstehen relativ viele Neubauten, die bevorzugt werden, obwohl Umbauten im Altbestand vielerorts sinnvoller sind", sagte Studienautor Ralph Henger.

Baden-Württemberg

Wie ist die Lage in Baden-Württemberg? In den Ballungszentren wird zu wenig gebaut, um den Wohnungsbedarf zu decken und das Ansteigen des Mietniveaus einzudämmen. In den Stadtkreisen Freiburg und Karlsruhe sowie dem Landkreis Ludwigsburg klafften Bedarf und Bautätigkeit besonders weit auseinander. Dort würden weniger als die Hälfte der notwendigen Wohnungen errichtet. In Freiburg liege die Quote bei 41 Prozent, in Karlsruhe und Ludwigsburg bei 48 Prozent. In zehn weiteren der 44 Kreise in Baden-Württemberg reiche die aktuelle Bautätigkeit nur aus, um zwischen 50 und 70 Prozent des Bedarfs zu befriedigen. Dazu zählen der Stadtkreis Pforzheim (60 Prozent) sowie die Kreise Konstanz (64), Lörrach (62) und auch Breisgau-Hochschwarzwald (69).

Kreis Freudenstadt

Der Landkreis Freudenstadt mit rund 122 000 Einwohnern verbucht zurzeit ein Wachstum, und das nicht erst seit der Flüchtlingskrise. Landrat Klaus Michael Rückert (CDU) sagt den Landstrichen jenseits der Ballungsräume eine "Renaissance" voraus. Mehr Zuzug dahin, wo es Arbeitsplätze gibt und Wohnraum bezahlbar ist? Der Landrat sieht darin "eine Riesen-Chance" für den Raum Freudenstadt, der jedoch im Wettbewerb mit anderen ländlichen Kreisen stehe. Deshalb investiert der Kreis in flächendeckendes Breitband, Klinik-Teilneubau und einen neuen Hochschul-Campus in Freudenstadt. Allerdings sind die Zuwächse nicht gleichmäßig verteilt. Während die größeren Kommunen wie die Kreisstadt Freudenstadt Einwohner gewinnen, verlieren andere wie Bad Rippoldsau-Schapbach. In der Kreisstadt wird seit Jahren permanent Wohnraum geschaffen. Mehr als 100 Wohnungen entstehen derzeit alleine im neuen Quartier Rappenpark direkt in der Stadtmitte. SPD und Linke im Kreis kritisieren aber, dass neuer Wohnbau vor allem im hochpreisigeren Segment stattfinde. Kreis und Kommunen müssten ihrer Meinung auch hier mehr tun, um "bezahlbaren Wohnraum" zu schaffen.

Kreis Rottweil

Nirgends in Baden-Württemberg ist der Überhang an Wohnungen so groß wie im Landkreis Rottweil: 437 Baufertigstellungen stehen hier einem geschätzten Bedarf von 182 Wohnungen entgegen. Damit ist das Wohnungsangebot laut IW-Studie 2,4 Mal so groß wie die Nachfrage. Eine Zahl, die Marion Klankwarth-Jarmer, Geschäftsführerin der Kreisbaugenossenschaft Rottweil, überrascht. Gerade im Stadtgebiet Rottweil lasse sich diese Zahl mit ihren persönlichen Erfahrungen nicht in Einklang bringen: "Die Nachfrage nach Wohnungen ist in Rottweil eher größer als das Angebot." Leerstände wegen fehlender Nachfrage könne die Kreisbaugenossenschaft definitiv nicht verzeichnen.

Was auf den ersten Blick im Widerspruch zur IW-Studie stehen mag, unterstreicht bei genauerem Hinsehen eine ihrer wichtigsten Aussagen: Während die Wohnungsnachfrage in den Städten – in diesem Fall in der Kreisstadt Rottweil – größer ist als das -angebot, zeigt sich in ländlichen Gebieten – also in den kleineren Städten und Gemeinden im Kreis – eine entgegengesetzte Entwicklung. Die Forscher befürchten, dass es durch die geringe Wohnungsnachfrage in den betroffenen Gebieten zu zahlreichen Leerständen in Innenstädten und dadurch zu einem Bedeutungsverlust der Stadt- und Gemeindezentren kommen könnte. Durchaus berechtigte Bedenken, allerdings, betont Klankwarth-Jarmer, können die Nachfrager vor Ort aus dem reichhaltigen Angebot auch Vorteile ziehen: "Für die Mieter ist es erst mal positiv, dass sie eine größere Auswahl haben." Und wie sieht es mit den Mietpreisen aus? Von sinkenden – ausgelöst durch die geringe Nachfrage – können laut Klankwarth-Jarmer auch die Mieter im Kreis Rottweil nicht profitieren.

Schwarzwald-Baar-Kreis

Im Nachbar-Landkreis Schwarzwald-Baar wird es allmählich eng. Bezahlbare Wohnungen fehlen an allen Ecken und Enden. Nicht nur in den Magnet-Städten im Südwesten, wie in Freiburg und Tübingen, klafft die Angebot-Nachfrage-Schere immer weiter auseinander. In Villingen-Schwenningen, der großen Kreisstadt im Kreis, mangelt es in den kommenden Jahren an Tausenden von Wohnungen. Deshalb heißt ein Credo der Experten auch hier: Da hilft nur bauen, bauen, bauen.

Doch wie soll im Oberzentrum künftig gebaut werden? Keine einfache Frage angesichts einer begrenzten Anzahl von zur Verfügung stehenden Bauflächen: Wenn gebaut werde, dann sollte dies dichter, höher und urbaner geschehen, heißt es unter Fachleuten. Aus einst 60 Wohnungen werden bei Neubebauung oder Generalsanierung 100 Wohneinheiten, aus zwei Geschossen später vier Stockwerke:

So die Visionen einer nahen Zukunft, die Baugenossenschaften und Wohnungsbaugesellschaft (WBG) aus der Doppelstadt teilen. Wer auch in Zukunft erschwinglichen Wohnraum in dieser Kommune haben möchte, der komme an diesen Vorgaben nicht mehr vorbei, meinen deren Geschäftsführungen. Die Villinger Baugenossenschaften und die Wohnungsbaugesellschaft Villingen-Schwenningen (WBG VS) haben sich zu diesem Zweck zum "Bündnis faires Wohnen" zusammengetan. Erschwinglicher Wohnraum? Das ist auch mit Blick auf die Baupreisentwicklung ein Kunststück: Zwar erreichen die Grundstückspreise in der Stadt Villingen-Schwennningen noch lange nicht jene Höhen wie in Stuttgart oder Freiburg. Doch die Baupreise sind nicht nur in den Zentren gestiegen, erklären die Geschäftsführer, "sie sind bei uns fast genauso hoch wie in Großstädten". Dies wirke sich auch auf die Kostenkalkulation aus. "Es wird immer schwieriger, günstige Wohnungen anzubieten." Um auch künftig für die größte Nachfragegruppe in der Stadt, die die Wohnungen im mittleren Preissegment im Sucher hat, etwas im Köcher zu haben, "kommen wir an dem Thema Verdichtung der Bebauung nicht vorbei". Höher und dichter bauen, die konsequente Sanierung bestehender Gebäude, das mögliche Aufstocken und Nachverdichten in gewachsenen Gebieten: Dies sind für die Geschäftsführer die Bausteine einer künftigen Stadtentwicklung, "sonst ist das finanziell nicht mehr zu stemmen".

Deutschland

Am miesesten unter den Metropolen sah es zuletzt in Köln aus, wo der Bedarf an Neubauwohnungen seit 2016 nicht mal zur Hälfte gedeckt werden konnte (46 Prozent). In Stuttgart wurden 56 Prozent der Wohnungen gebaut, die nötig gewesen wären. Nur etwas besser war die Lage in München (67 Prozent), Berlin (73) und Frankfurt (78). "Hier fehlen nicht nur aktuell Wohnungen, sondern auch längerfristig bedarf es einer weiteren Steigerung der Bautätigkeit."

Vergleichsweise gut, aber ebenfalls noch deutlich unter Bedarf schnitten Hamburg und Düsseldorf mit jeweils 86 Prozent ab. Die Autoren verglichen die Zahl der 2016 bis 2018 fertiggestellten Wohnungen mit dem Bedarf, den sie anhand von Faktoren wie der Entwicklung der Bevölkerung und Leerständen schätzten. Auch in Unistädten wie Münster wird zu wenig gebaut.

Gründe für die Misere sind der hohe Zuzug in die Städte, das knappe Personal in Bauämtern, strenge Vorschriften und der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft.