Für Moni habe ich keine Mühen gescheut. Und ich hatte das Glück, dass mein Vater für mich immer wieder gern auf sein Auto verzichtete. Jedenfalls bat mich Moni an jenem 15. August 1972, sie in Fellbach abzuholen.

Für Moni habe ich keine Mühen gescheut. Und ich hatte das Glück, dass mein Vater für mich immer wieder gern auf sein Auto verzichtete. Jedenfalls bat mich Moni an jenem 15. August 1972, sie in Fellbach abzuholen. Sie jobbte dort bei Wega, einem Elektronikunternehmen mit Prestige. Die Wega-Radios und -Fernseher sahen gut aus, und technisch waren sie top.

Ich war stolzer Fahranfänger und wollte Moni imponieren - mit Vaters weißem Ford 15m. Besonderes Kennzeichen: Lenkradschaltung. Bei noch unverdächtigem Wetter holte ich das Auto in Stuttgart aus der Garage und steuerte auf die B14. Dass sich kurz nach halb vier der Himmel erst gelb verfärbte und dann dunkler wurde, nahm ich anfangs nicht wahr. Mir wurde erst mulmig, als sich von Westen her eine gewaltige schwarze Wand aufbaute. Es muss so etwa beim Fellbacher Ortsteil Lindle an der Grenze zu Cannstatt gewesen sein, als mich die Finsternis einholte.

Die Hagelkörner prasselten aufs Auto, mit Ach und Krach schaffte ich noch die paar hundert Meter zu Wega und parkte im Innenhof. Aussteigen ging nicht, da wäre ich glatt erschlagen worden. Ich starrte auf die Windschutzscheibe - und stellte mir bang die Frage: Wird sie den Eisgeschossen standhalten? Notfalls, dachte ich, müsste ich im Fußraum Schutz suchen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis aus dem Hagel schließlich Regen wurde - Gott sei Dank, die Scheiben waren heil geblieben.

Bald tauchte Moni auf, und wir fuhren zurück nach Cannstatt. Was für ein Anblick: Berge von Eis auf den Straßen, gemischt mit zerfetzten Blättern und Zweigen. Die Bäume - alle kahlgeschlagen durch taubeneigroße Hagelbrocken. Mit einem Freund fuhr ich erst zum Wilhelmsplatz, wo wir einem Franzosen halfen, sein Auto aus dem Eis zu befreien, dann ging's zum Charlottenplatz. Hagelmassen hatten die B-14-Tunnel zugeschüttet, auch die Straßenbahnen steckten fest. Die Feuerwehr musste Autofahrer mit Schlauchbooten bergen.

Erst am Tag danach wurde das ganze Ausmaß der Katastrophe bekannt: sechs Tote, 150 Millionen Mark Sachschaden. Vom schlimmsten Unwetter in Stuttgart seit Menschengedenken war die Rede. Ein "ausgesprochenes Tropengewitter", so ein Wettermann, hatte im August 1972 die Landeshauptstadt heimgesucht. Es hat sich recht schnell verzogen. Und ein paar Tage später lachte für mich die Sonne vom Himmel - in Riccione an der Adria. Ohne Moni.