Sieben Windkraftanlagen auf Winterlinger Gemarkung wurden durchgewunken. (Symbolfoto) Foto: dpa

Gemeinderat winkt ohne Diskussion Auftrag durch. Entscheidung fällt nach nur kurzer Nachfrage. Mit Kommentar

Winterlingen - Ohne Diskussion hat der Gemeinderat Winterlingen am Montagabend den Auftrag auf Errichtung und Betrieb von sieben Windkraftanlagen auf Winterlinger Gemarkung durchgewunken.

Winterlingen. Mit einem so schnellen und einstimmigen "Ja" zum geplanten Windpark Winterlingen hatten die Zuschauer in der Sitzung des Gemeinderats Winterlingen wohl nicht gerechnet: Ohne auf die kritischen Fragen und teils ungeklärten Sachverhalte einzugehen, die erst in der vergangenen Woche zu Diskussionen in den Nachbargemeinden Bitz und Neufra geführt hatten, und nach nur einer kurzen Nachfrage hat das Gremium das umstrittene Bauvorhaben durchgewunken.

Die einzige Nachfrage war von Anton Blau gekommen: Er fragte, wovon die Höhe der Pachtzahlung abhänge, die Winterlingen zu erwarten habe, und erfuhr von Bürgermeister Michael Maier, dass sie sich nach der Menge des eingespeisten Stroms richte, den die sieben Windräder erzeugen sollen.

Zuvor hatte Bürgermeister Michael Maier in Kürze die Eckdaten aus der fünfseitigen Sitzungsvorlage erwähnt: Kein vereinfachtes Verfahren, sondern eines mit Öffentlichkeitsbeteiligung ist demnach das Genehmigungsverfahren. Ab 4. Februar sollen die Antragsunterlagen öffentlich ausgelegt und auch im Internet abrufbar sein. Außerdem ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

Laut Baugesetzbuch seien Vorhaben wie der geplante Windpark im Außenbereich, wo kein Bebauungsplan gilt, zulässig, sofern sie "der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient", heißt es in der Sitzungsvorlage. Da die Gemeinde für den Flächennutzungsplan keine Vorrangflächen für Windkraft definiert habe, seien sie auf der gesamten Gemarkung zulässig, so Maier.

Neue Wege seien für Bau und Betrieb der Anlagen nicht erforderlich, so der Schultes. Allerdings müssen bestehende von 4,5 auf sechs Meter erweitert, bei Bedarf eventuell stabilisiert und Kurvenradien ausgeweitet werden, heißt es in der Vorlage. Waldflächen müssen gerodet und für die Montagearbeiten provisorisch befestigt werden. Auf der Kranauslegerfläche dürfe danach kein Wald mehr entwickelt werden.

Der Eingriff ist so groß wie elf Fußballfelder

Der "forstrechtliche Eingriff" beläuft sich auf voraussichtlich 7,92 Hektar, also elf Fußballfelder, von denen 5,35 (7,5 Fußballfelder) dauerhaft, 2,57 (3,6 Fußballfelder) temporär in Anspruch genommen würden, heißt es weiter.

Die Vorlage verhehlt nicht, dass laut Schattenwurfgutachten an zwei Immisionspunkten – gemeint sind damit betroffene Wohnhäuser – die astronomisch maximal mögliche Beschattungsdauer pro Kalenderjahr überschritten werde, ebenso wie der Richtwert für die meteorologisch wahrscheinliche Beschattungsdauer. Daher sei ein Schattenwurfmodul vorgesehen, durch das die Immisionsrichtwerte überprüfbar eingehalten würden.

Ausdrücklich betonte Maier, dass die Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit ihr Einvernehmen nur versagen dürfe, wenn bestimmte Gründe vorlägen, die in der Vorlage aufgeführt sind: Der einzige, der auf Winterlingen zutrifft, sind Bestimmungen für das Bauen im Außenbereich, wie sie weiter vorne in der Vorlage dargestellt werden. In der dortigen Passage, die Maier nicht vorlas, heißt es, dass Vorhaben im Außenbereich nur zulässig seien, wenn öffentliche Belange ihnen nicht entgegenstünden. In Paragraf 35 des Baugesetzbuches sind diese aufgeführt. Darunter fallen demnach Vorhaben, die Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrecht widersprechen, die schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können, die unwirtschaftliche Aufwendungen, etwa für die Sicherheit oder Gesundheit, erfordern, die Belange des Natur- und Bodenschutzes sowie der Landschaftspflege widersprechen, die entweder die natürliche Eigenart der Landschaft oder ihren Erholungswert beeinträchtigen, oder die das Orts- und Landschaftsbild verunstalten. Dasselbe gilt für Vorhaben, welche die Wasserwirtschaft gefährden.

In mehreren dieser Punkte sehen die Kritiker der Windkraftanlagen Klärungsbedarf respektive Widersprüche zum Bau des Windparks. Der Gemeinderat Bitz wird in wenigen Tagen über seine Stellungnahme diskutieren, deren Entwurf zwölf kritische Punkte umfasst.

"Die Gemeinde hat ein Prüfungsrecht – und eine Prüfungspflicht"

Mehrere Betroffene äußerten sich nach der Sitzung gegenüber dem Schwarzwälder Boten: "Der Gemeinderat Winterlingen hat sich nach meiner Ansicht disqualifiziert", kommentierte Herbert Bitsch von der Interessengemeinschaft Fachberg Riedern: "Andere wie die Gemeinde Bitz haben Fachleute beauftragt, die klargestellt haben, dass es so nicht geht. Über dieses Urteil stellen sich die Winterlinger Räte. Ich hätte erwartet, dass sie nicht so unkritisch zu diesen Dingen stehen." Die Bitzer Kritik sei nicht einmal erwähnt worden, kritisierte Walter Beck. Er befürchtet, dass trotz der Verpflichtung der Bauherrin keine Rücklagen hinterlegt sein könnten, wenn die Anlagen dereinst zurückgebaut werden müssten, und die Kosten an der Gemeinde hängen bleiben könnten.

Bitsch fragt sich, ob von einem großen Energiekonzern wie e.on, der an der Windpark Winterlingen-Alb GmbH & Co. KG aus Kassel, also der Bauherrin, beteiligt sei, überhaupt Pacht zu erwarten sei. Dass im Antrag unterschiedliche Firmen genannt seien, sei den Winterlinger Gemeinderäten ebensowenig aufgefallen, wie die Nennung zweier unterschiedlicher Windrad-Fabrikate. "Die Gemeinde hat ein Prüfungsrecht – und eine Prüfungspflicht", betonte Bitsch. "Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend."

Kommentar: Armutszeugnis

Von Karina Eyrich

Gemeinderatssitzungen, in denen Entscheidungen diskussionslos durchgewunken werden, gibt es viele. Was das Winterlinger Gremium sich am Montagabend jedoch im Hinblick auf seine Zustimmung zum umstrittenen geplanten Windpark geleistet hat, ist allerdings mehr als seltsam. Hat nicht die Nachbargemeinde Bitz im Entwurf zu ihrer Stellungnahme, hat nicht Herbert Bitsch von der Interessengemeinschaft Fachberg Riedern in einem offenen Brief an die Gemeinde erst vor wenigen Tagen eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen, die längst nicht geklärt sind? Selbst wenn alle Winterlinger Räte die Materie, die dank wechselnder Antragsteller und teils unbekannter Informationen immer komplizierter wird, bestens durchschauen: Kein einziges Wort über die heftigen Bedenken eigener Bürger und der Nachbargemeinden zu verlieren, ist ein Armutszeugnis.