Die Kantorei wurde beim Auftritt in Wildberg von den Solisten Stephan Frieß (von links), Ulrike Härter und Zuzana Kissová unterstützt. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder-Bote

Mauritiuskantorei führt in der Wildberger Martinskirche Grauns "Der Tod Jesu" auf / Dirigent verlangt stimmliche Aktivität

Von Maria Kosowska-Németh Wildberg. Die Mauritiuskantorei Ofterdingen und arcademia sinfonica Gomaringen präsentierten mit Gesangssolisten aus dem süddeutschen Raum in der Wildberger Martinskirche ein frappierendes Musikwerk: "Der Tod Jesu" von Carl Heinrich Graun.Den Aufführungskörper der Passion in der Martinskirche zu Wildberg bildeten der 40-köpfige Chor, ein verdoppeltes Streichquartett, Kontrabass, zwei Fagotte, Oboe, Truhenorgel und drei Solostimmen.

Der Graunsche "Tod" entstand 1754/55, also in der Zeit der Frühklassik und stieß schon bei zeitgenössischen Kritikern auf heftige Reaktionen, von Akzeptanz bis Ablehnung weil der von Karl Wilhelm Ramler verfasste Text deutliche anthropozentrische Züge aufwies und den leidenden Christus als den Menschenfreund und triumphierend sterbenden Ecce homo darstellte. Auch seine Musik wurde aufs Korn genommen und oft als opernhaft (Graun hat 28 Opern komponiert), seicht oder gar weinerlich bezeichnet. Wer aber die theologischen Kontroversen beiseite schiebt und sich alleine dem Musikgenuss hingibt, wird der Entzückung des Ramler-Protagonisten Friedrich Wilhelm Marpurg zustimmen: es ist eine "schöne Kirchencomposition".

Der junge Gesamtleiter und gebürtige Wildberger Daniel Tepper steckte für seine Oratoriums-Interpretation mehrere Schwerpunkte ab. Vom Chor verlangte er stimmliche Aktivität, welche den Chorälen und besonders den polyphonen Strukturen (bemerkenswert gut gesungene Fuge "Christus hat uns ein Vorbild gelassen") eine hörbare autonome Transparenz verlieh. Zudem verstärkte er das Bass-Fundament durch eine untypische Choraufstellung (Männer vorne) und durch die prägnante Mitwirkung der tiefen Streicher und Fagotte. Allerdings ging dabei der zarte Klang der Truhenorgel (Andreas Flad) fast gänzlich unter.

Ulrike Härter und Zuzana Kissová teilten sich den Sopranpart, beide beeindruckten mit ihren niveau- und ausdrucksvollen Stimmen, jede aber auf ihre individuelle Art. Wenn Härter eher lyrisch weich und hell, mozartisch anmutig und koloraturleicht wirkte, bestach der Sopran von Kissová mit einer dunkler gefärbten, dramatischen, stets kraftvoll tragenden Stimmkraft. Im Duett "Feinde, die ihr mich betrübt" merkte man jedoch die Timbre-Unterschiede kaum, die Sängerinnen glänzten mit ihrer beachtlichen Gesangstechnik, die in den perlenden Terz-Läufen und der barocken Ornamentik zum Vorschein kam.

Obwohl in der Partitur neben der Tenor- auch die Bassstimme aufgeführt ist, war Stephan Frieß der einzige männliche Solist und sang sowohl seinen eigenen, als auch den Basspart. Wie Tepper vermutet, unterlief dem Komponisten ein Fehler bei der Überschrift der offensichtlich für die höheren Register vorgesehenen Männerstimme. Frieß präsentierte seine reiche Farb- und Ausdruckspalette authentisch, ohne künstliches Pathos, meisterte aber kunstvoll und im Einklang mit Barockkonventionen alle heiklen Modulationen und betonte die Textbedeutung mit jeder akkurat artikulierten Silbe.

Beim Wildberger Publikum fand der Gastauftritt herzliche Resonanz, und die Zuhörer bedankten sich bei allen Beteiligten mit einem lang anhaltenden Applaus.