Harald Gauß (62 Jahre) ist in Wellendingen "vollkommen zufrieden". Foto: Armbruster Foto: Schwarzwälder-Bote

Schulleiter: Von Tokio nach Wellendingen / Kennenlernen anderer Kulturen verschafft Weitblick

Erster Eindruck: "Die Hitze hat mich umgehauen." So startete Harald Gauß 2010 in seinen sechsjährigen Aufenthalt in Japan. Mittlerweile lebt der 62-Jährige wieder in Deutschland und kann einiges erzählen. Seit September leitet er die Wellendinger Neuwiesschule.

Wellendingen. Nach der Bewerbung an mehreren Schulen verschiedener Länder entschied sich Harald Gauß damals für die deutsche Schule in Yokohama. Dort gab der aktuelle Schulleiter der Wellendinger Grundschule sechs Jahre lang Unterricht für die Klassen eins bis sechs."Ich bin ein Mensch, der Schule weiterentwickelt, nach vorne bringt", erzählt Gauß.

In Japan sah er die beste Möglichkeit dazu: "Die Schule war von der Methodik her sehr offen und vor allem finanziell gut bestückt." Trotz der Entfernung werden an der Privatschule aber dieselben Inhalte vermittelt wie in Deutschland, der Abschluss ist das deutsche Abitur. Genau wie an seinem jetzigen Arbeitsplatz in Wellendingen, gehörten auch dort etwa 140 Kinder der Grundschule an.

Die Gruppe setzte sich hauptsächlich zusammen aus Kindern von deutschen Geschäftsleuten, die für große Konzerne in Japan tätig waren. Doch auch japanische Kinder, deren Eltern ihnen beispielsweise ein Studium in Deutschland ermöglichen wollen, besuchen die Schule.

"Ein eigenes Völkchen"

Zum Japanischlernen kam er jedoch nie so richtig. Der Unterricht fand auf Deutsch statt. Wegen des hohen geforderten Engagements in der Schule blieb dafür auch nur wenig Zeit. "Irgendwann kann man einkaufen gehen – und das reicht dann auch", meint Gauß. Ansonsten käme man vor allem in der Großstadt sehr gut mit Englisch zurecht.

Mit dem Einleben in der fremden Kultur hatte er nur wenig zu kämpfen. Durch seine Erfahrungen vom Unterrichten in einer Schule in Johannesburg vor einigen Jahren wusste er bereits, mit einem ungewohnten Umfeld umzugehen. "Wenn man sich Neuem gegenüber immer verschließt, dann bleibt man lieber zu Hause. Ich bin ein sehr weltoffener Mensch."

Über die Japaner hingegen weiß er anderes zu berichten: "Sie sind schon ein eigenes Völkchen." Durch wirtschaftliche Kontakte ins Ausland werde ein geringer Teil zwar vielleicht weltoffener, die breite Masse sei aber eher weniger an der Globalisierung interessiert.

Unterschiede zu Deutschland sieht Gauß vor allem im Ausleben der Kultur: Japan habe unzählige Feiertage. Den Festen im Tempel zuzuschauen, sei ein ganz besonderes Erlebnis.

Im Alltag würden sich die Menschen aber genauso schick anziehen wie in Deutschland, es gebe nur wenige Unterschiede. Tradition und Moderne seien in Tokio direkt miteinander verbunden. "Die Dimension der ganzen Stadt ist einfach beeindruckend", beschreibt Gauß den Anblick, wenn man, vom Flughafen kommend, das erste Mal die Skyline erblickt.

Katzen in Cafés

"Die sind manchmal einfach verrückt", amüsiert er sich. An seiner Schule habe zum Beispiel jedes Jahr ein Oktoberfest mit mehreren Tausend Gästen stattgefunden. Beim Besuch von manchen Cafés könne es durchaus zu skurrilen Situationen kommen: "Da kommst du rein und überall laufen Katzen rum."

Manchmal sei es auch im Unterricht abenteuerlich zugegangen: Während des Erdbebens 2011, das die Katastrophe in Fukushima nach sich zog, stand er gerade im Klassenzimmer. Das gesamte Haus habe sich bis zu 20 Zentimeter nach links und rechts bewegt. Wegen der fast täglich wiederkehrenden Beben gewöhne man sich aber schnell an die Situation: "Das hat man mit der Zeit alles im Griff."

Von vornherein auf maximal acht Jahre befristet, beschäftigte sich Gauß im sechsten Jahr seines Auslandsaufenthaltes damit, wie es danach weitergehen solle. Er entschied sich, "noch einmal zu versuchen, etwas zu verändern", und schaute sich nach Stellen in Deutschland um.

Irgendwann müsse man einfach zurück, weil sonst die Wiedereingliederung in Deutschland immer schwerer fallen würde. "Das braucht seine Zeit – man läuft erstmal noch im japanischen System."

Er sei gerne in Japan gewesen, erzählt Gauß. Vermissen würde er sein Leben dort dennoch nicht. "Ich habe hier eine neue Herausforderung angenommen, der ich mich widmen kann. Und deshalb vermisse ich auch nichts."

Wellendingen wird aller Voraussicht nach seine letzte Stelle sein, hier sei er vollkommen zufrieden. Mit seiner Erfahrung im Gepäck, möchte er jetzt schrittweise auch seinen Arbeitsplatz in Wellendingen weiterentwickeln: "Diese Schule hat so viele Bereiche, bei denen ich denke: Da kann man was daraus machen." Vorstellbar ist für ihn beispielsweise eine stärkere Integration des Medienbereichs in den Unterricht.

Größerer Weitblick

Die Zeit in Japan habe ihm auch den Zugang zu anderen Menschen geöffnet: "Man bekommt einen größeren Weitblick." Das finde er gerade jetzt, im Umgang mit fremden Kulturen in Deutschland, sehr wichtig. "Ich würde nicht missen wollen, es gemacht zu haben."