Zur Einführung des Strohbärtags der Narrenzunft Wellendingen hält "Strohbären-Guru" Werner Baiker aus Empfingen einen hochinteressanten Vortrag in der Mediathek des Bürgerhauses, der von zahlreichen Zuhörern gespannt verfolgt wird. Fotos: Riedlinger Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Werner Baikers Fundus: Einbindearten, Getreidesorten, Bindematerialien, Typen, Gegenden und Jahreszeiten

Wellendingen. Ungewöhnlich erfolgreich war nicht nur der erste Strohbärtag der Narrenzunft Wellendingen (wir haben berichtet). Ungewöhnlich war auch eine Einführung in das Thema durch "Strohbären-Guru" Werner Baiker aus Empfingen.

Und ungewöhnlich war der Ansturm auf den Veranstaltungsort: 40 Personen hatten sich im Vorfeld angemeldet, mehr als doppelt so viele drängten sich in der Mediathek des Bürgerhauses. "Ich habe eine Stunde, erzählen könnte ich ohne weiteres vier Stunden lang", schmunzelte Werner Baiker zur Einführung.

Seit fast 40 Jahren sammelt er alles, was er an Bildmaterial oder Informationen über die "Strohgestalten", wie er sie nennt, nur zusammentragen kann. Stroh sei früher durch die Landwirtschaft ein Allerweltsmaterial gewesen, das überall verfügbar gewesen sei. Hirten hatten es zum Schutz gegen Regen oder Kälte getragen in Zeiten, als es noch keinen Kunststoffumhang gegeben habe.

Ein Relikt von damals sei der heutige Strohbär. Der heißt zum Teil in anderen Gegenden auch Erwesbär oder Hisgier und hat weitere Eigennamen: Strohbutz, Eierweib und Co., Schlotfeger oder Schimmel. Bereits im Jahr 1852 sei er in Wurmlingen bei Rottenburg beschrieben worden.

Regionenübergreifend gebe es vier unterschiedliche Einbindearten: das Ansetzen und Überdecken wie beim Wellendinger Strohbär. Zudem das Wickeln, das Flechten oder das Zwirnen des Strohs.

Unterschiedliche Arten von Weizen, Roggen, Hafer, Dinkel, Triticale (eine Kreuzung aus Weizen und Roggen) oder Erbsenstroh kommen zum Einsatz. Auch bei den Bindematerialien führte Baiker verschiedene Lösungen wie Sisalschnüre, Bindfaden, Gerberseile und Weidengerte an, früher oft auch Strohbänder oder Strohseile.

Oft werde der Strohbär an Seilen oder Ketten von seinen Treibern geführt, praktisch nie sei er allein unterwegs. In vielen Gemeinden, oft kleine Dörfer, sei die Jugend an der Schwelle zum Erwachsenwerden der Brauchträger. Damit dies nicht ende, seien es manchmal auch Vereine, die dieses Brauchtum weiterpflegen.

Heidnische oder keltische Wurzeln könne man kaum oder gar nicht nachweisen. In diesem Punkt ist Werner Baiker sehr eigen: "Manche formulieren in einer allgemein gehaltenen Art darüber, als wenn es Stand des Wissens oder der Zeit wäre. Aber vieles ist nur Vermutung oder Interpretation."

Vielfältig wie die verschiedenen Strohbären-Typen sind die Daten der Brauchtumsaufführung: nicht nur an der Fasnet, sondern vom Osterfestkreis bis zum Pfingstmontag, vom Weihnachtsfestkreis bis zum 2. Februar oder am Sonntag nach der Sommersonnwende sind je nach Gegend die Strohgestalten unterwegs.

In Hessen und Thüringen seien die stärksten Konzentrationen von Strohgestalten nachweisbar. Allein im Vogelsbergkreis seien 35 Dörfer und Weiler für Strohgestalten bekannt, manche gerade mal 100 Einwohner stark.

Es geht um das "Heischen" von Gaben, wofür auch Heische-Sprüche aufgesagt werden. Eier, Speck oder Würste sind das Ziel der Wünsche, die oft anschließend von den Akteuren zu einem Pfannengericht verarbeitet und gemeinsam verspeist werden. Ob das abschließende Verbrennen des Strohs ein heidnischer Brauch zur Winteraustreibung sei? Werner Baiker, der selbst in der Landwirtschaft ausgewachsen ist, ist sich sicher: "Das Stroh ist durch das stundenlange Rennen durchgeschwitzt, auch mit Schnüren oder Seilen durchsetzt. Das will kein Bauer mehr, mit dem kann er nichts anfangen."

Der "Strohbären-Guru" zeigt im Abspann eine Vielzahl von teils historischem Bildmaterial mit allerlei ungewöhnlichen Strohgestalten, die sich außer in Deutschland auch in Italien, im Elsass, in Österreich und sogar in England finden.