„Ich bin stolz darauf, Deutschland zu dienen“: Carolin Gieser steht vor dem Wappen des Das Wappen ist 3. Logistikbataillon 461 in ihrer Kaserne in Walldürn Foto: Anne Guhlich

Leistung zählt: Carolin Gieser möchte keine Privilegien als weiblicher Soldat.

Stuttgart - Nächstes Jahr feiern die weiblichen Soldaten Jubiläum in der Bundeswehr. Seit dem 1. Januar 2001 dürfen sie in allen Bereichen arbeiten, selbst an der Waffe. Integriert sind sie immer noch nicht überall. Männerrechtler fordern dennoch: "Bevorzugungsregeln für Frauen müssen abgeschafft werden."

Die Nächte, in denen Carolin Grieser (27) Angst hatte, waren mild. An manchen Orten ist es in Afghanistan im März schon warm. Von Oktober 2009 bis März war sie in Masar-i-Sharif stationiert. Im Lagerdienst. Der Oberfeldwebel ist zuständig für die Logistik. Manchmal stand sie in der Dunkelheit am Tor und wartete auf Licht. Sie wusste, irgendwann würden die Scheinwerfer der Autokolonne in der schwarzen Landschaft unter ihr aufleuchten. In einem der Wagen säße dann Kevin, Carolins Freund. Unversehrt. Hoffentlich.

Die Momente, in denen es um Kevin geht, sollen die einzigen bleiben, in denen Carolin Grieser antastbar wirkt. Ansonsten strahlt sie eine freundliche Coolness aus. "Wenn ich die Uniform anziehe, lege ich das Frausein ab", sagt sie. Experten haben einen Namen dafür: "Integration durch Assimilierung". Für sie ist dieses Phänomen eines der Zeichen dafür, dass Frauen auch nach zehn Jahren noch nicht angekommen sind in der Bundeswehr.

Carolin Grieser darf sich in ihrer Kaserne in Walldürn nicht alleine mit Journalisten treffen. Zwei Männer von der Presseabteilung begleiten sie. Sie achten auf Worte und anderes. Die bunten Zeitschriften auf dem Tisch des Aufenthaltsraum sind so schnell aufgeräumt, dass man die nackten Brüste darauf fast nicht mehr mit dem Blick erhaschen kann. Es ist eben eine Männerdomäne, in die sich Tanja Kreil im Jahr 2000 hineinklagte.

Die Elektrotechnikerin erkämpfte ein historisches Gerichtsurteil. Generalstaatsanwalt Antonio La Pergola entschied, dass es gegen das Europarecht verstoße, Frauen den Dienst an der Waffe zu verwehren, wie es das deutsche Grundgesetz tat. Frauen müsste der Weg zu allen Einheiten der Bundeswehr offenstehen. Alles andere sei nicht mit dem Anspruch auf Gleichberechtigung zu vereinbaren. Als letzte Männerbastionen verblieben der Puff, die Müllabfuhr, Formel 1 und das Herren-Klo, schreibt die Autorin Andrea Jeska.

Grieser will keinen Frauenbonus

Es waren übrigens nicht nur Männer, die bis dato fanden, dass Frauen und Waffen nicht zusammenpassen. Die französische Feministin Simone de Beauvoir schreibt in ihrem Buch "Das andere Geschlecht", dass Frauen von Natur aus der Weg zur Gewalt verwehrt sei.

Ein bisschen hat die männlich dominierte Umgebung auf Carolin Grieser abgefärbt. "Vielleicht wird man so nach zehn Jahren Bundeswehr", sagt sie. Caroline Grieser möchte vor allem eines nicht: den Frauenbonus. "Ich will ganz normal behandelt werden." Laut einer Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (SOWI) geht es 72 Prozent der Frauen so. "Es gibt aber auch welche, die lassen sich helfen", sagt Caroline Grieser. Sie bildet in Walldürn Rekruten aus. "Ich glaube, dass ich Frauen härter rannehme als Männer", sagt sie. Leistung sei schließlich alles, was hier zähle.

Es gibt keinen Frauenkram in ihrem Leben. Keine Schminke, keinen Schuhtick, keine Modezeitschriften. Zum Bund wollte sie schon als Jugendliche. Als ihr Bruder eingezogen wurde, hing am Wochenende immer die Uniform an seiner Zimmertür. Das bewunderte Carolin Grieser. Heute trägt sie ihre eigene Uniform - mit Stolz. "Die macht was her." Im Zug schauen die Leute, wenn sie kommt. Carolin Grieser sagt, dass sie stolz darauf ist, ausgerechnet diesem Land dienen zu dürfen. Deutschland.

Die männlichen Rekruten bereiteten ihr keine Probleme. Wenn doch, werde sie halt lauter, sagt sie. Die jungen Männer sind es heute gewohnt, von Frauen Befehle zu bekommen. 2001 war das anders. Carolin Grieser war eine Rekrutin der ersten Stunde. 2001 machte sie ihre Grundausbildung in Koblenz. "Da wusste man nicht, wie man mit uns umgehen soll", sagt sie. Die Bundeswehr regelt gerne. Darum wurde vor zehn Jahren ein Arbeitspapier verfasst, dass die Unterschiede zwischen Frauen und Männern beschreibt. Davon, dass Frauen zwar menstruieren, Männer dafür häufiger unentschuldigt fernblieben, ist da die Rede und davon, dass "gelegentliche Gefühlsausbrüche" für die weibliche Leistungsfähigkeit unerheblich seien. "Sie bewirken u.a. einen schnellen Stressabbau."

Das Papier sollte dazu dienen, Vorurteile abzubauen. Das war offenbar notwendig. Laut SOWI lehnten 2001 rund 40 Prozent der Soldaten Frauen in Kampfverwendungen ab. 30 Prozent bezeichneten Frauen als ungeeignet für die harten Bedingungen im Feld. Ebenso viele befürchteten, dass der Einzug der Frauen in die Bundeswehr die ordnungsgemäße Ausführung der Aufträge gefährde.

Werden Männer mittlerweile ausgegrenzt?

Heute gibt es immer noch Männer, die Frauen als ungeeignet für körperlich fordernde Funktionen erachten (43,8 Prozent). 28 Prozent halten die Leistungen weiblicher Soldaten explizit für schlechter als die der männlichen Kameraden. Immer mehr Männer (92 Prozent) fordern, dass Frauen nicht privilegiert behandelt werden sollten und dass die Gleichbehandlung der beiden Geschlechter in der Bundeswehr das Grundprinzip der Integration sein sollte.

Eugen Maus ist Vorsitzender von Manndat. Der Verein kämpft gegen gesetzliche Benachteiligungen und öffentliche Diskriminierungen von Männern. Eugen Maus sagt, dass sich für ihn weniger die Frage stelle, ob Frauen in der Bundeswehr integriert sind oder nicht. "Vielmehr interessiert uns, ob Männer in der Bundeswehr nicht mittlerweile ausgegrenzt werden." Seiner Meinung bevorzuge das Gleichstellungsgesetz der Bundeswehr (SGleiGesetz) Frauen in zahlreichen Punkten, "insbesondere bei Einstellungen, Leistungsanforderungen oder bei Beförderungen". Grundsätzlich sei es ungerecht, dass Männer Militärdienst leisten müssen. "Frauen können sich das freiwillig als berufliche Option auswählen. Um sie zum Dienst in der Truppe zu motivieren, wird Frauen eine Art roter Teppich in Form von materiellen Anreizen ausgerollt."

Tatsächlich hat die Bundeswehr ein Nachwuchsproblem. Ziel des Gleichstellungsgesetzes ist es, die Frauenquote im Sanitätsdienst auf 50 Prozent, in den restlichen Posten auf 15 Prozent zu erhöhen. Im vergangenen Jahr waren 16300 von 253.000 Soldaten weiblich, darunter 3400 Offizierinnen oder Offiziersanwärterinnen. Bei den Sanitätern liegt der Frauenanteil bei 35,6 Prozent. Dort arbeiten rund 7000 Soldatinnen. Im Truppendienst befinden sich dagegen nur 4,45 Prozent. Von den 8000 Soldaten im Ausland sind nur 450 weiblich.

"Auslandseinsätze gehören bei unserem Job dazu", sagt Carolin Gieser. Bevor sie nach Afghanistan geflogen ist, hat sie ihr Testament gemacht, "wo ich begraben werden will und so." Die Mutter habe manchmal Angst wegen ihres Jobs. "Der Vater ist stolz", sagt sie, "glaube ich." Die Familie ist ihr wichtig. Schwäche erlebt Carolin Grieser immer nur dann, wenn sie selbst nicht die Kontrolle über eine Situation hat - als ihre Mutter vor zehn Jahren einen Schlaganfall hatte zum Beispiel. Das war der schlimmste Moment in ihrem Leben. "Da war ich mit der Welt fertig." Aber sie hat auch etwas gelernt: "Extreme Eigenständigkeit." Und dann gibt es da noch die Momente in Afghanistan, in denen ihr nichts anderes übrigbleibt, als mit den Augen die kleinen Punkte auf der Leinwand zu verfolgen. Es sind die Autos der Bergemannschaft, in einem von ihnen sitzt ihr Freund.

Er arbeitet in der gleichen Kaserne wie sie. "Das ist wichtig, weil er Verständnis hat für meinen Beruf", sagt Carolin Grieser. Seit kurzem ist sie mit Kevin verlobt. Der Antrag war nicht so sachlich und nüchtern wie Carolins Auftreten. Er war romantisch, "mit Blumen". Sie hat sich darüber gefreut, "sehr". Vielleicht ist das weiblich, vielleicht auch einfach nur menschlich.