Setzte sich in den USA für freien Handel ein und warb für die baden-württembergische Wirtschaft als starken Handelspartner: Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, hier vor dem Kapitol in der US-Hauptstadt Washington. Foto: Sascha Baumann/all4foto.de

Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut wirbt in USA für freien Handel und Baden-Württemberg als starken Partner.

Washington/Zollernalbkreis - Vor fast genau einem Jahr hat Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen. Seit Januar steht Trump an der Spitze der Vereinigten Staaten und hat seitdem mit seinen Äußerungen angeeckt, die nicht nur einmal so gar nicht in das politische Weltbild diesseits und jenseits des großen Teichs passen wollen.

Vor allem Trumps einerseits verhaltene Begeisterung für Freihandel und entgegengesetzt proportional große Begeisterung für Strafzölle und sogenannte Local-Content-Vorgaben für in den USA produzierte Waren sorgen  auch in baden-württembergischen Unternehmen für Unsicherheit. Und nicht nur dort: Auch im Wirtschaftsministerium in der Landeshauptstadt fragt man sich: Wie tickt Trumps Amerika wirklich? Und: Wie gefährlich ist der aktuelle Präsident der Vereinigten Staaten für die baden-württembergische Wirtschaft?

Aus diesem Grund ist Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU, Balingen) seit Sonntag an der Spitze einer Wirtschaftsdelegation in den USA unterwegs, um einerseits herauszufinden, was von den Aussagen des Präsidenten zu halten ist. Andererseits geht es – für das Autoland Baden-Württemberg nicht verwunderlich  – um nichts anderes als die Zukunft des Automobilindustrie an sich.

Ein Mammutprogramm wartet auf die Ministerin und die Delegationsteilnehmer. Bei ihrer ersten Station in der US-Hauptstadt trifft die Delegation auf politische Mandats- und Entscheidungsträger aus Senat, Repräsentantenhaus und Regierung sowie Think Tanks und der Weltbank.

"Die USA sind unser wichtigster und engster Wirtschaftspartner. In kein anderes Land exportiert die baden-württembergische Wirtschaft mehr als in die USA", wird Hoffmeister-Kraut nicht müde zu betonen, dass ein reger Handelsverkehr und hohe gegenseitige Investitionen "Wohlstand und Arbeitsplätze auf beiden Seiten" sichert. Und: "Die großen Zukunftsfragen der Automobilindustrie löst man nicht mit Zöllen. Abschottung bietet keine Antworten, sondern am Ende nur Verlierer."

Damit stößt sie in der US-Hauptstadt auf Verständnis und erhält Beifall von allen Seiten, ob beim Empfang in der Residenz des Gesandten der Deutschen Botschaft, Boris Ruge, bei der Präsidentin des German Marshall Funds, Karen Donfried ("Die derzeitige Situation ist ein Stresstest für die US-Demokratie") oder bei Mitch Bainwol, dem Präsidenten der Auto Alliance, einem Interessenverband der Automobilindustrie. Sie alle bestärken Hoffmeister-Kraut darin, eben diesen Standpunkt bei den Gesprächen mit politischen Mandats- und Entscheidungsträgern aus Senat, Repräsentantenhaus und Regierung zu vertreten. Und das tut sie. Doch wie kommt das an?

Amerikaner  –  ob auf der Straße oder in  Verantwortung – wissen, was sie vom Handelspartner aus Deutschland haben

"Wir werden überall sehr freundlich empfangen", berichtet die Politikerin, die offensichtlich mit mehr Gegenwind und Distanz bei ihren Gesprächspartnern gerechnet hatte. Sämtliche Gespräche seien auf sachlicher, ja freundschaftlicher Basis verlaufen, berichtet Hoffmeister-Kraut im Anschluss an die Termine bei der demokratischen Kongressabgeordneten Terri Sewell (Alabama), dem republikanischen Senator Richard Shelby (Alabama), die hinter verschlossenen Türen stattgefunden hatten. "Sie alle sehen Deutschland nach wie vor als starken Partner", betont sie.

Die über Jahrzehnte gewachsene Verbundenheit sei "sehr fest" verankert. US-Handelsexperte für Europa und den Mittleren Osten, Dan Mullany, habe betont, man solle die Trump-Administration nicht an Worten, sondern an Taten messen. Wenn der Präsident aber von "Bad Germans" spreche, fügt Hoffmeister-Kraut ein, falle das jedoch nicht leicht. In Sachen Freihandel versteht Mullany das Klagen aus Deutschland jedoch nicht. Es seien schließlich die Europäer gewesen, die die TTIP-Verhandlungen ausgesetzt hätten, nachdem der Widerstand in der Bevölkerung immer größer geworden sei. Unrecht hat er damit nicht.

Trotzdem traut die Ministerin dem Frieden nicht ganz: Zwar verfolge Trump sein Ziel, das US-Handelsbilanzdefizit unter anderem gegenüber Deutschland zu reduzieren, derzeit nicht mit höchster Priorität, aufgegeben habe er es längst nicht, sagt sie und sieht keinen Grund für Entwarnung, denn: "Eine sachliche Diskussion, woher das US-Handelsdefizit kommt, ist nicht erwünscht." Doch je länger Hoffmeister-Kraut und die Delegation in den USA weilen, umso deutlicher wird, dass die Menschen –  ob auf der Straße oder in wirtschaftlicher oder politischer Verantwortung – wissen, was sie von Deutschland als Handelspartner haben.

Dies zeigt sich vor allem in Alabama. Seit der Eröffnung des Mercedes-Werks (Mercedes-Benz US International) vor 20 Jahren in Tuscaloosa haben sich in dem Bundesstaat mittlerweile auch Hyundai, Toyota und Honda niedergelassen. Mercedes-Werkleiter Jason Hoff spricht von einem "Mekka für die Autoproduktion" und wiederholt stolz, dass der Konzern eine Milliarde US-Dollar für die Errichtung einer Batteriefabrik und Produktionsanlage für Elektro-Modelle investieren werde. Hoffmeister-Kraut: "Diese Zukunfts-Investition ist ein klares Bekenntnis zum Standort und ein weiterer eindrucksvoller Beweis für die enge Verflechtungen beider Länder. Unser Ziel ist, diese enge Partnerschaft in den kommenden Jahren weiter zu stärken."

Die Zukunft der Automobilindustrie und der Ausbau der Partnerschaft stehen auch im Mittelpunkt des Gesprächs mit der honorigen Gouverneurin von Alabama, Kay Ivey, und Handelsminister Greg Canfield ("Dieser Besuch ist ein besonderer Tag für Alabama"). Ivy sichert dem Besuch aus Baden-Württemberg zu, dass sich an den guten Handelsbeziehungen nichts ändern werde: "Lasst uns weiter zusammenarbeiten und stark bleiben", versprüht sie den typisch amerikanischen Spirit: positiv denken und anpacken.

Diese Einstellung begegnet der Ministerin immer wieder, ganz nach dem Motto: "Hey, Donald Trump ist jetzt unser Präsident, lebt damit, wir machen das schon." Herrlich auch Ivys Reaktion, als Hoffmeister-Kraut den Wandel der Mobilität anspricht: "Selbstfahrende Autos?", lacht sie, "eine große Herausforderung“, und dann: „Lassen wir sie uns angehen!"

Bedenken sind ok, bremsen aber. "Lasst es uns anpacken, anstatt zu jammern" –- das hört man im Osten, im Süden und im Westen

Der abschließende Aufenthalt im Bundesstaat Kalifornien führt die Delegation durch das Silicon Valley, wo die Zukunftsfelder autonomes Fahren, Elektro-Mobilität und innovative Geschäftsmodelle im Vordergrund stehen.

Neben einem Besuch der renommierten Universität Stanford und der dazugehörigen d.school mit Schwerpunkt Design Thinking wird das intelligente und vernetzte Fahrzeug auch mit Vertretern von Start-Ups, Investoren, IT-Unternehmen und Automobilzulieferern diskutiert. Schließlich erlebt die Automobilwirtschaft gerade den tiefsten Umbruch ihrer Geschichte: Klimaschutz, Luftreinhaltung, Elektrifizierung und Digitalisierung sind nur einige Punkte, welche die Automobilindustrie vor große Herausforderungen stellen. "Darauf müssen wir uns als Automobilstandort Baden-Württemberg rechtzeitig und intensiv vorbereiten", betont die Ministerin.

Und wie tickt Trumps Amerika nun? Der Eindruck nach einer Woche in drei Bundesstaaten und zig Gesprächen: Amerika ist und bleibt Amerika. Bedenken sind ok, bremsen aber. "Lasst es uns anpacken, anstatt zu jammern" – das hört man im Osten, im Süden und im Westen.

Mit Blick auf die Zukunft des Automobils wird man den Eindruck nicht los, dass diese – zumindest in den USA – noch lange mit jeder Menge Hubraum anstatt Batterien unterwegs sein dürften. Bei einem Spritpreis von umgerechnet rund 50 Cent pro Liter – bei einem höheren Durchschnittsgehalt als in Deutschland – irgendwie auch kein Wunder.