Die beteiligten Parteien konnten sich nicht mehr vollkommen an das Geschehen erinnern. (Symbolfoto) Foto: Hopp

Kurioser Gerichtsprozess: Frau soll Freund unter Alkoholeinfluss Bierflasche auf Kopf gehauen haben. Richter hat Probleme mit Dialekt eines Zeugen.

Waldachtal/Horb - Liebe ist etwas völlig anderes als das, was ein Pärchen im Waldachtal im Februar dieses Jahres im Suff ablieferte.

Richter Armin Ruetz hatte bei einem seiner letzten Fälle, die er als Richter im Horber Amtsgericht – er geht ab 1. November zur Staatsanwaltschaft Rottweil – zu bewerten hatte, drei Menschen in seinem Gerichtssaal, die getrieben von teilweiser Arbeitslosigkeit und einem Leben ohne große Perspektiven ihr Heil im Alkohol suchen. Und dies mit fatalen Folgen.

Die Angeklagte, eine 33-jährige Frau, die derzeit mittel- und wohnsitzlos bei und von ihren jeweiligen Bekannten lebt, soll ihrem damaligen Freund während eines dieser Zechgelage eine Bierflasche auf dem Hinterkopf zertrümmert haben. Aufgrund ihrer erheblichen Alkoholisierung in dieser Nacht sprach der Anklagevertreter zwar noch von Körperverletzung, diese aber ausgeführt im Zustand von verminderter Schuldfähigkeit. Richter Ruetz wertete die angeklagte Tat gar am Rande einer Notwehrsituation, da sie von ihrem damaligen Freund zuvor gewürgt wurde, und stellte der Beschuldigten aufgrund dieses komplexen Sachverhalts einen Pflichtverteidiger zur Seite.

Um die bekannten Fakten herum versuchten sich Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidiger durch die Anhörung des Ex-Freundes, mit dem die Dame sogar zu jener Zeit verlobt war und ihrem jetzigen Lebensgefährten, dem Partykellerbesitzer, bei dem man sich traf, ein genaueres Bild zu machen. Der Verteidiger nannte diese Aussagen später in seinem Plädoyer "sehr detailarme Schilderungen".

Hörte man der Angeklagten zu, so stritt man sich über Belanglosigkeiten und im Zuge dieser Auseinandersetzung wurde sie von ihrem damaligen Freund angegriffen und gewürgt. "Und zwar so arg, dass ich um mein Leben fürchtete", erinnerte sich die Angeklagte, die ansonsten mit erheblichen Gedächtnislücken zu kämpfen hatte. Die Beschuldigte behauptete weiter, dass sie in ihrer Angst neben sich griff, eine Flasche zu fassen bekam und damit zuschlug. Der Betroffene, in diesem Fall Getroffene, gab an, dass er erst, nachdem er durch den dritten Beteiligten von der Frau getrennt wurde, den Schlag auf den Kopf bekommen habe. Zwar unmittelbar danach, aber nicht während er die Angeklagte würgte.

Worum es bei dem Streit ging, daran konnte sich keiner der Beteiligten mehr erinnern, was sicher war ist, dass zuvor und danach reichlich Alkohol geflossen ist. Die Mengenangaben schwankten zwischen acht und zwölf Flaschen Bier, dazu Wein und einige Schnäpse. Der einzige einigermaßen Vernünftige in dieser Nacht schien der Wohnungsinhaber zu sein, mit dessen Aussage das Gericht jedoch nichts anfangen konnte. Man verstand ihn schlicht und ergreifend nicht. Er sprach einen derart harten Dialekt und war selbst für Einheimische nur in Bruchstücken zu verstehen. "Mach kein Scheiß" soll er dem Würger zugerufen haben. So viel konnte man aus seiner Aussage heraushören.

Richter Ruetz versuchte, die Befragung dieses Zeugen in breitem, langsamem Schwäbisch für ihn verständlich zu machen, und dem Staatsanwalt stand das große Fragezeichen ob dessen Aussage buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Trotz dieser verbalen Hürden, dem sichtlich sehr derangierten Zustand der Angeklagten, die sich immer wieder aus der mitgebrachten Trinkflasche "erfrischte", konnte das Tatgeschehen im Großen und Ganzen herausgearbeitet werden. Richter Armin Ruetz folgte in seinem Schuldspruch den Ausführungen des Verteidigers, der einen Freispruch für seine Mandantin forderte. Nach dem Grundsatz "In dubio pro reo" (Im Zweifel für den Angeklagten) wertete Ruetz die Tat tatsächlich noch als Notwehr und sprach die Angeklagte frei.

Ihr damaliger Freund, der Würger, kam bei seinem Verfahren nicht so gut weg. Er wurde von einem anderen Gericht bereits zu einer Zahlung von 1600 Euro verurteilt, die er jetzt in 50-Euro-Raten abstottert. Die Freigesprochene hatte dagegen Glück. Sie schrammte knapp an einer einmonatigen Gefängnisstrafe und 200 Sozialstunden vorbei, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert. Und mit diesem Strafantritt wäre dann ihre Bewährungsstrafe von 18 Monaten, die wegen Betrugs in mehreren Wiederholungsfällen noch offen ist, wahrscheinlich auch fällig gewesen.