Mit 90 Jahren noch richtig fit: Rosa Spohn Foto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: 90-jährige Rosa Spohn liest immer noch Liebesromane / Seit 74 Jahren ist sie im Kirchenchor aktiv

Im Alter von 90 Jahren mit vitalem Interesse Liebesromane zu lesen ist ebenso bemerkenswert, wie vor Jahren schon 36 Hutzelbrote auf einmal zu backen. Außergewöhnlich auch, seit einem dreiviertel Jahrhundert im katholischen Kirchenchor zu singen.

W aldachtal-Salzstetten. Für Rosa Spohn in Salzstetten runden sich am heutigen Mittwoch neun Lebensjahrzehnte. Sie hat ein Methusalem-Alter erreicht und ist geistig und körperlich fit. Musik ist ihr Lebenselixier. Sie hat sechs Kinder groß gezogen und schart heute 15 Enkel und zwei Urenkel um sich. Verkraften musste sie den Tod ihres jüngsten Kindes: Gerold ist im Alter von 55 Jahren im Januar dieses Jahres an einer seltenen Krankheit gestorben.

Liebesromane zu schmökern, ist wohl keine Frage des Alters

An d ie 60 Gäste erwartet die Jubilarin heute im benachbarten Gasthaus Krone zu ihrer großen Geburtstagsfeier. Der katholische Kirchenchor, dem sie sage und schreibe seit 74 Jahren ihre Alt-Stimme leiht, gratuliert ihrer treuen Sängerin heute mit einem Ständchen. Im Alter von 14 Jahren ist sie in den Chor eingetreten, in welchem sie auch in der zweiten und dritten Stimme eingesetzt wurde. Ohne Frage ist sie heute die älteste Sängerin. Seit Anbeginn singt sie auch im Frauenchor Salzstetten und früher war sie 30 Jahre lang im Liederkranz aktiv. Freuen darf sie sich, dass heute bei ihrer Feier viele altbekannte Lieder gesungen werden, welche Gebhard Steimle auf dem Akkordeon begleitet. Singen und Chorgesang sind ihr Leben: In ihrer Freizeit bildet sie zu Hause bei Nachbarin Antonie "Toni" Krauss (Klavier, Sopran) gern ein zweistimmiges Gesangsduo. Sie holen altes deutsches Liedgut aus der Mottenkiste hervor. Gern erinnert sie sich noch an die Zeit, als sie noch ledig war und für den Kirchenchor als Laienschauspielerin auf der Bühne stehen durfte. Sie wirkte mit in "Vogt auf Mühlstein", "Rosa von Tannenburg", "Kaffeeklatsch" und "Die drei Engel", die sich als die drei Bengel entpuppten.

Beim Tanz am Anfang der 1950er-Jahre am 1. Mai im Seewald in Grünmettstetten lernte sie Mechaniker Albert Spohn aus Bad Urach kennen und lieben, der damals in Horb-Isenburg und dann in Horb-Rexingen wohnte. Mit Fahrrädern seien sie auch zum Tanz nach Bittelbronn gefahren. Die Bekanntschaft mit dem evangelischen Christen sei zu jener Zeit nicht ganz unproblematisch für sie als junge katholische Frau gewesen, wie die heutige Jubilarin erzählt.

Öffentliche Hochzeit feierte das Paar am 17. Januar 1955 im Gemeindesaal Salzstetten. "Die Musikkapelle spielte vom Haus in die Kirche."

Ihre Hauptaufgabe war es, ihre sechs Kinder Roswitha (1955), Harald (1956), Gerd (1957), Hans-Dieter (1958), Bernd (1960) und Gerold (1962) in einem insgesamt Zehn-Personen-Haushalt im Elternhaus in der Brühlstraße 3 großzuziehen und in der Landwirtschaft ihre tägliche Arbeit zu verrichten.

Kochen lernte sie im Kaiser in Horb, wo sie 40 Mark monatlich verdiente. Zwischen Weihnachten und Neujahr 1960 hat sie den Traktor-Führerschein erworben.

Nicht realisieren ließ sich ihr Wunsch, wie viele andere Frauen im Ort auch in der Fabrik Fischer zu arbeiten.

Seit ihr Ehemann Albert im Jahr 2004 verstorben ist, nutzte sie die Angebote der Vereine und nimmt gerne an Ausflügen teil, wie beim Seniorenclub oder Harmonikaverein.

Sonntags unternimmt sie mit Freundinnen öfters Rundwanderungen um ihren Heimatort

Die DRK-Seniorengymnastik mittwochs und das Wandern erfüllt ihr Leben. Zusammen mit Antonie "Toni" Krauss und Brigitte Schwarz unternimmt sie sonntags öfters Rundwanderungen um ihren Heimatort.

Die 90-Jährige ist noch sehr rüstig und auf der Höhe der Zeit. Die Gartenarbeit ist ihr sehr wichtig. "Sie ist Selbstversorgerin", erklärt ihr Sohn Harald. Brot backt sie schon seit über 60 Jahren und an Weihnachten überrascht sie mit selbst gemachtem Hutzelbrot. Hierfür sammelt und dörrt sie im Herbst Zwetschgen und Birnen, damit es auch gut schmeckt. Einzigartig ist die Rekordzahl von 36 gebackenen Hutzelbroten in einem Jahr.

Eifrig sammelt sie Berichte aus der Tageszeitung, die sie besonders interessieren. Liebesromane zu schmökern, ist wohl keine Frage des Alters. Sie faszinieren immer. Gemeinhin ist bekannt: Liebesromane erfüllen die Sehnsucht der Menschen nach Liebe, Geborgenheit und Vertrautheit.

Aufgewachsen ist Rosa Spohn als Tochter von Johannes Saier und Rosalia, geb. Wollensak. Als einen "herben Verlust" bezeichnet sie, dass ihr einziger Bruder Eugen im Alter von nur 19 Jahren noch bei Kriegsende am 20. April 1945 im relativ nahen Gültingen bei Wildberg gefallen ist. Sie hat den Wunsch, sich bei geistiger Vitalität möglichst lange selbst versorgen zu können.