Rege Bürgerbeteiligung im Haus des Gastes: Rund 200 Bürger diskutierten mit ihrer Bürgermeisterin über die anstehenden Projekte der Gemeinde. Foto: Wagner Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürgerdialog: Vorhaben stößt nicht bei allen auf Gegenliebe / Zentraler Punkt des Gemeindevertrags von 1974 vor der Umsetzung

Die Gemeinde lud am Freitag zum zweiten Bürgerdialog ins Haus des Gastes Lützenhardt ein. Bürgermeisterin Annick Grassi stand den zahlreich erschienenen Bürgern Rede und Antwort.

Waldachtal. Wichtigstes Thema war das zentrale Rathaus, welches mit einem Um- und Ausbau des Gebäudes "TREFF 3000" geplant ist. Gleichzeitig mit der Schließung des TREFF wird dann auch der Weg zu dem anderen Großprojekt (Edeka-Markt am ZOB) frei, dessen Bau der Regionalverband von der vorherigen Schließung des TREFF zur Bedingung macht (wir berichteten).

2014 wurde das Verfahren rund um den Edeka-Markt gestoppt, weil die genannten Bedingungen nicht erfüllt werden konnten. Nun sind die Weichen gestellt, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die Gemeinde plant den Kauf und Umbau des TREFF 3000 zum zentralen Rathaus im Jahr 2018 und kann nach deren Bezug im Jahr 2021 die Rathäuser in Tumlingen und Lützenhardt veräußern.

Immer wieder andere Projekte vorgezogen

Noch nie war die Gelegenheit so günstig, den Gemeindevertrag aus dem Jahr 1974 umzusetzen, der damals schon als oberste Priorität ein zentrales Rathaus vorsah. Doch immer wieder wurden andere Projekte vorgezogen: der Bau der Grundschule (Himmelreich), das gemeinsame Feuerwehrhaus in Lützenhardt, das Kinderhaus und kürzlich auch der Bauhof.

Viele Gespräche führte Grassi in der Vergangenheit: Sie und ihre Verwaltung haben tüchtig vorgearbeitet und wenn alles gelingt, kann das Projekt Rathaus nächstes Jahr im Herbst starten. Die vielen Vorteile des Standorts leuchteten vielen Bürgern ein, ist doch der TREFF 3000 direkt am ZOB zentral gelegen, er ist barrierefrei, besitzt genügend Parkplätze und sogar die Gäste-Info kann dort untergebracht werden.

Grassi und Kämmerer Markus Staubitz rechnen mit bis zu 1,7 Millionen Euro Zuschuss für das Projekt: Das Geld wird aus dem Ausgleichsstock, dem ELR-Programm und dem Tourismusinfrastrukturprogramm fließen. Sobald diese Zusagen im Juni vorliegen, soll der Kaufvertrag mit dem Eigentümer des Gebäudes TREFF geschlossen werden.

Gleichzeitig wird Edeka informiert, die dann ihrerseits sofort die Baugenehmigung einreichen können. "Das Verfahren des Bebauungsplans ist bis auf den Satzungsbeschluss abgeschlossen", begründete Grassi die Vorgehensweise.

Nicht bei allen Bürgern stießen die Pläne der Gemeinde auf Gegenliebe. Viele der Redner nutzten die Gelegenheit eher, Dampf abzulassen und suchten nach Gründen, warum die Gemeinde keinesfalls dieses Projekt "durchziehen" kann.

Natürlich ist der Haushalt der Gemeinde noch nicht als gesund zu betrachten und natürlich müssen die Sparpläne der Verwaltung weiter verfolgt werden. Mit dem Architekt Karl-Helmut Röttgen (Waldachtal) steht der Gemeinde ein erfahrener Planer zur Seite, der die Gesamtkosten des neuen Rathauses auf rund vier Millionen Euro schätzt. 300 000 Euro, hofft Grassi, kann der Grundstückspreis von Edeka am ZOB einbringen. So blieben nach den Fördermitteln rund zwei Millionen übrig, die die Gemeinde aus Rücklagen und Kreditaufnahme finanzieren will.

Lasten des Kinderhauses wiegen schwer

Die Fragen einiger Bürger zielten auf den Um- und Ausbau des TREFF, als ob dort ein Marmorpalast entstehen solle. Doch die Pläne Röttgens weisen Büroräume auf, die aber nicht als Luxusdomizile der Angestellten gelten könnten. Röttgen beschränkte sich (kosten)bewusst auf praxisnahe Gestaltung und Funktionalität des neuen Rathauses. "Es ist ein Zweckbau", musste Grassi immer wieder aufs Neue versichern.

Ob der Zeitpunkt für ein solches Projekt richtig gewählt sei, ob ein Vollsortimenter wirklich notwendig sei und ob überhaupt die Zentralisierung nur so umsetzbar sei: Diese Fragen tauchten immer wieder auf.

Auch ein ehemaliger Gemeinderat stellte Fragen bezüglich des Bebauungsplans, den er selbst vor einigen Jahren (2014 unter Bürgermeister Heinz Hornberger) mit entschieden hatte. Die Schulden der Gemeinde rühren auch aus den Entscheidungen von 2011 und 2012 (Bau Kinderhaus Himmelreich), dessen Kostenschätzung weit von den tatsächlichen Kosten abwich. Immerhin wurden diese bis heute um fast das Doppelte überschritten.

Dieses schwere Erbe trat Grassi mit dem Gemeinderat an. Niemand, auch die Verwaltung selbst, kann voraussagen, wie hoch die Einsparungen an Arbeitszeit, Kosten und Mitarbeiterpotenzial sein wird, wenn das neue Rathaus vielleicht im Herbst 2021 öffnet. Aber das Projekt macht Sinn und Grassi will die Chance nutzen: Die Gelegenheit, mit relativ geringen Eigenkosten die Modernisierung der Gemeinde und damit letztlich auch die Nahversorgung der Bürger sicherzustellen, kommt in dieser Form nicht wieder – dessen ist sich der Gemeinderat bewusst. Deshalb segnete er im April die Pläne hierfür ab.

Irgendwann "beruhigten" sich die Gemüter im Bürgerdialog dann, doch die Diskussion um das Projekt Rathaus ist damit sicher noch nicht zu Ende. Wie beim Bau des neuen Bauhofs, der anfangs mehr Gegner als Befürworter hatte, und nun als höchst effizient geschätzt wird.