Nach einem Festgottesdienst in der Kathedrale von Ostrava treffen sich die Delegationen aus Schwenningen und Oldřišov an der Friedensglocke: Thaddäus Gollasch (von links), Radim Lokoč , Peter Hellstern, Petr Weczerek und Gabriela Gollasch. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart

Eine Delegation aus Schwenningen und weiteren Gemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart reiste nun ins Bistum Ostrau-Troppau nach Tschechien. Dort brachten sie eine im Jahr 1507 gegossene Glocke zurück, die im Zweiten Weltkrieg für die Rüstungsindustrie entwendet wurde. Die Rückgabe der Glocke soll ein Symbol für Völkerverständigung und Frieden sein.

Auf staatliche Anordnung mussten im März 1940 alle Kirchenglocken zugunsten der Rüstungsindustrie eingeschmelzt worden. 1942 traf es auch die Kirchenglocke der Schwenninger St. Franziskuskirche. An deren Stelle rückte eine aus dem tschechischen Oldřišov (Odersch).

Über die Rückgabe dieser Leihglocke hatte der Kirchengemeinderat einstimmig entschieden. Nun fand diese wieder den Weg nach Hause.

Als „überwältigend“ und „sehr ergreifend“ beschreiben Teilnehmende der Schwenninger Delegation ihre Reise anlässlich der Rückkehr einer von den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg abgehängten Glocke nach Oldřišov (Odersch) in Tschechien.

Große Anteilnahme der Bevölkerung

Im Rahmen des Projekts „Friedensglocken für Europa“ nahmen Peter Hellstern, stellvertretender gewählter Vorsitzender des Kirchengemeinderats St. Franziskus-Mariä Himmelfahrt, sowie Gabriela und Thaddäus Gollasch für die Schwenninger Gemeinde in das Bistum Ostrava-Opava (Ostrau-Troppau) teil. Angeleitet wurden sie dabei von Weihbischof Gerhard Schneider.

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und mit vielen emotionalen Momenten bereiteten tschechische Kirchengemeinden ihren Gästen und ihrer Glocke einen großen Empfang.

101-Jährige schlägt Glocke an

Vertreter aus insgesamt fünf Gemeinden in der Diözese Rottenburg-Stuttgart trafen auf kirchliche und kommunale Repräsentanten der Gemeinden zusammen, aus denen die Glocken ursprünglich stammen.

Zu den Höhepunkten in Oldřišov zählte das Anschlagen der zurückgekehrten Glocke durch die ältesten Gemeindemitglieder, die zum Teil noch das Abhängen der Glocke vor über 80 Jahren miterlebt hatten. Sichtlich bewegt schilderte etwa Helmut Šafarčík seine Erinnerungen an jenen 18. April 1942, als sein Großvater sich bei den deutschen Soldaten erfolgreich dafür eingesetzt habe, die etwa 580 Kilogramm schwere Glocke nicht einfach vom Kirchturm zu werfen, sondern vorsichtig herunterzulassen. Schließlich könne man ja nie wissen, ob die Glocke nicht doch eines Tages zurückkehren würde, habe er damals gesagt.

Mit Unterstützung von Pfarrer Petr Knapek schlägt die 101-jährige Marie Halfarová die aus Schwenningen nach Oldřišov zurückgekehrte Glocke an. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart

Die Glocke entging dem Schmelzofen

Was angesichts der vielen tausenden konfiszierten und zu Rüstungszwecken eingeschmolzenen Glocken kaum jemand für möglich gehalten hätte, ist jetzt eingetreten: Durch das Kriegsende entgingen einige Glocken dem Schmelzofen und kamen in den fünfziger Jahren in die neu entstandenen Kirchengemeinden in Westdeutschland. So auch die größte Glocke aus Oldřišov, die nach Schwenningen kam.

Das von Bischof Gebhard Fürst initiierte Projekt „Friedensglocken für Europa“ ziele demnach laut einer Pressemitteilung darauf ab, Glocken ihren Ursprungsgemeinden zurückzugeben und auf diese Weise „Impulse für die Begegnung und Verständigung zwischen Deutschen, Tschechen und Polen“ zu geben.

Ein großer Triumph des Friedens

„Wir sind offen und herzlich empfangen worden“, berichtete Thaddäus Gollasch. Man habe immer gespürt, dass diese Gastfreundschaft „ehrlich ist und von Herzen kommt“, ergänzt Ehefrau Gabriela. „So etwas bleibt lange in Erinnerung.“

Auch Radim Lokoč, Bürgermeister von Oldřišov, beschrieb den Besuch aus Schwenningen als „Riesenereignis“, auf das man sich lange vorbereitet habe. Im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes in der Kathedrale von Ostrava wurde die zurückgekehrte Glocke zunächst von dem Ostrauer Bischof Martin David und dem Rottenburg-Stuttgarter Weihbischof Schneider als Friedensglocke gesegnet.

Die Rückkehr der Glocken sei „ein großer Triumph des Friedens über Unrecht und Krieg“, sagte Schneider. Tags darauf wurde die 1507 gegossene Glocke in Oldřišov an einem Holzgestell in der Kirche hängend von der 101-jährigen Marie Halfarová als ältester Zeitzeugin des Ortes angeschlagen.

Von Pfingsten an soll sie wieder im Kirchturm läuten. Sie trägt auf Lateinisch die Aufschrift: „O König der Herrlichkeit, komme mit Frieden.“