Blumen liegen nach dem Familiendrama mit drei Toten im September 2017 am Tatort. Die Nichte wie auch die Lebensgefährtin waren wohl in die Pläne eingeweiht. Foto: Gollnow

Ermittlungen gegen Nichte von verurteiltem Drazen D. Sie soll in Mord-Pläne eingeweiht gewesen sein. Mit Video

Kreis Rottweil - Das Urteil zum Dreifachmord in Villingendorf ist rechtskräftig: Lebenslang plus Feststellung der besonderen Schwere der Schuld für Drazen D., den Täter. Trotzdem ist der Fall längst nicht abgeschlossen.

Gegen die Nichte von Drazen D. laufen neue Ermittlungen. Sie soll schon Wochen vorher in die Mordpläne eingeweiht gewesen sein – ebenso ihr damaliger Lebensgefährte. Deswegen hatte die Staatsanwaltschaft Konstanz ein Verfahren gegen die 26-Jährige wegen Nichtanzeigens einer Straftat eingeleitet und eine Bewährungsstrafe von neun Monaten beim Amtsgericht Singen per Strafbefehl erwirkt.

Etwas weniger bekam ihr Ex-Freund. Inzwischen haben die Ankläger ihre Anträge zurückgezogen. Anlass sei der Prozess in Rottweil gewesen, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. Es könne auch eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in Frage kommen. Eine abschließende Bewertung werde erst fallen, wenn das schriftliche Urteil vorliege. Dafür hat das Gericht neun Wochen Zeit, also bis spätestens Anfang September.

Im Laufe des Prozesses haben sich die Anzeichen immer mehr verdichtet, dass die junge Frau wusste, was ihr Onkel vorhatte. Anfang August 2017 fuhren die beiden in ihr Heimatland Kroatien, um ein Gewehr zu kaufen. Das jedenfalls ergaben die Ermittlungen der Polizei. Bereits kurz nach der Rückkehr kündigte Drazen D. seinen Arbeitsplatz in Mahlstetten und zog zu seiner Nichte nach Singen. Wenige Tage später trafen die beiden auf einem Kaufhaus-Parkplatz die frühere Partnerin von Drazen D. Der drohte im Beisein von Sohn Dario und dem neuen Freund der Frau, er werde alle in vier Wochen erschießen. Am 14. September machte er seine Drohung wahr, verschonte aber seine Ex-Partnerin. Auch das hatte er so angekündigt.

Was wusste die Nichte von Drazen D.? Die Beweisaufnahme vor Gericht ergab: Ziemlich viel, wenn nicht alles. Als Zeugin vor Gericht erklärte sie, die wütenden Drohungen auf dem Parkplatz habe sie "nicht ernst genommen", gab auch sonst ausführlich Auskunft – bis auf zwei Ausnahmen: den Kauf des Gewehrs und die Ankündigung der Tat. Da machte sie von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern, um sich nicht selbst zu belasten.

Siehe auch: Familiendrama in Villingendorf - Chronologie der Ereignisse

Dafür sprach die Auswertung ihres Handys eine umso klarere Sprache. Aus Kroatien kamen mehrere verschlüsselte Kurz-Nachrichten an ihren Freund, die auf den Stand des Waffenkaufs hinwiesen. Zum Beispiel: "Der Fisch ist im Netz". Drazen D. beschrieb sie als "lieben Onkel", aber auch als "psycho". Wenige Tage nach dem Treffen auf dem Singener Parkplatz meldete sie an Bekannte: "Ich glaube, Onkel zieht es durch mit seiner Ex und wird dann für immer weg sein." Etwas später: Wenn der Onkel "die" nicht umbringe, werde sie das selber tun, weil er nur noch von diesem Gedanken besessen sei. Schließlich ging aus der Auswertung hervor, dass die Nichte am Tattag dauernd mitfieberte und im Internet nach Nachrichten über eine Gewalttat im Kreis Rottweil suchte.

Drazen D. beteuerte in seinem Geständnis, er habe das Kriegsgewehr aus dem früheren Jugoslawien schon länger in seinem Besitz gehabt und es in einem Schuppen nahe seinem Arbeitsplatz in Mahlstetten versteckt. Nur seine Vermieterin in Tuttlingen habe die Waffe gesehen, als sie auf dem Bett gelegen sei. Die ebenfalls aus Kroatien stammende Frau aber, die sich als Zeugin vor Gericht beinahe um Kopf und Kragen redete, wollte davon nichts wissen.

Karlheinz Münzer, der Vorsitzende Richter, ließ in seiner mündlichen Urteilsbegründung keinen Zweifel daran, dass Drazen D. die Waffe bei seiner gemeinsamen Fahrt mit der Nichte nach Kroatien erworben hat. Nach allem, was die Beweisaufnahme an Fakten und Indizien zutage gebracht hat, scheint festzustehen: Die Nichte von Drazen D. hätte den Dreifachmord von Villingendorf verhindern können, wenn sie der Polizei mitgeteilt hätte, was sie weiß.

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