Ab dem 7. Januar liegt im Weinhaus Kreuz in Villingendorf der Schwerpunkt auf die Weinhandlung und das Hotel. Die Gastronomie schließt. Im Bild (von links): Angelika, Dominik und Ulrich Schanz. Foto: Pfannes Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: Die Ära des Gasthauses Kreuz endet in sieben Wochen / Blick auf einst und jetzt

Veränderung in Villingendorf: Das Weinhaus Kreuz stellt nach Dreikönig 2019 die Weinhandlung in den Fokus und schließt die Gastronomie. Ohne Ausnahmen.

Villingendorf. Die Tage sind somit gezählt, an denen in der Wirtschaft Gesellschaften gegeben sowie Hochzeiten und Geburtstage gefeiert werden oder am Stammtisch Politik und Schabernack im Mittelpunkt steht.

Die Inhaberfamilie Schanz, Seniorchef Ulrich (72 Jahre), Chef und Sommelier Dominik (38 Jahre) und der gute Geist Angelika (Jahrgang 1983), schlagen ein neues Kapital einer mittlerweile beinahe 200-jährigen Geschichte des Gebäudes auf. Wobei: Ganz neu ist sie nicht. Bereits 1824 ist in der Chronik der Gemeinde von einer Weinhandlung die Rede.

Vor 195 Jahren wurde das "Kreuz" von Ignaz Flaig erbaut und ist seither ununterbrochen im Besitz der Familie. Mit Namen Schanz, seitdem einst Ulrichs Vater Karl eingeheiratet hatte. Vor einigen Jahren wurde bereits aus dem Gasthaus das Weinhaus Kreuz.

Ab 2019 werden die Räumlichkeiten komplett für den Weinhandel genutzt, berichten Geli, Dominik und Uli Schanz. Aktuell verteilen sich die derzeit etwa 700 Weinsorten nicht nur im Keller, sondern beinahe auf jeder freien Stelle im Haus. Vorgesehen ist im neuen Jahr, ein Ladengeschäft in den jetzigen Gasträumen einzurichten.

Das nahende Ende des traditionsreichen Gasthauses in Villingendorf weist jedoch gleichfalls auf einen Wandel hin, den derzeit viele Städte und Gemeinden erleben oder in absehbarer Zeit erleben werden. Die Zeiten wie noch vor dem Jahr 2000, also im alten Jahrhundert, als das "Kreuz" zum Beispiel Vereinslokal des Sportvereins war und nach dem Kampf auf dem Rasen bei einem Fußballspiel der Kampf um die Plätze in der Wirtschaft folgte, als regelmäßig Hochzeiten und größere Geburtstagsfeste angemeldet und gefeiert wurden, haben sich nach und nach geändert.

Ein weiterer Punkt ist der – verständliche – Wunsch von Küchenchef Uli Schanz, kürzer zu treten. Dass Personal nicht Schlange steht, wissen mittlerweile viele Branchen, die Gastronomie jedoch schon seit mehreren Jahren. Als "Verschärfung" wertet das Gewerbe das Arbeitszeitschutzgesetz, in dem von einer Maximalarbeitszeit von zehn Stunden pro Tag die Rede ist. Selbst wer länger arbeiten wolle, dürfe es nicht, sagt Dominik Schanz.

Die Zehn-Stunden-Grenze

In früheren Jahren war es nicht unüblich, dass Bedienungen nach ihrer eigentlicher Arbeit noch abends im Gasthaus einer Nebenbeschäftigung nachgegangen sind. Und da waren eben schnell besagte zehn Stunden überschritten. Aber auch die Gewohnheiten der Menschen wandeln sich.

Statt einer gepflegten Mittagspause, die länger als eine Stunde dauert, sind immer mehr kürzere Unterbrechungen von knapp 30 Minuten und ein schnelles Essen üblich geworden. Von dem regelmäßigen Feierabendbier ganz zu schweigen, ohne das einst ein Arbeitstag nicht sinnvoll abgerundet schien.

Momente wie Mitgliederversammlungen der Narrenzunft (heute, Freitag, 16. November, 20 Uhr) gehören in sieben Wochen der Vergangenheit an. Und in den Jahren mit Uli Schanz haben sich in den Gästebüchern des Hauses und in den Erinnerungen etliche illustre, lustige, vornehme, unkomplizierte und gern gesehene Gäste verewigt. Quer durch die "Ressorts".

Da ist einmal die hohe Geistlichkeit. Etliche Bischöfe sind im "Kreuz" abgestiegen. Genannt seien lediglich Anton Herre, Thomas Maria Renz (2002) und Gebhard Fürst (2006). Oder Weihbischof Otto Georgens (Speyer). Oder Domkapitular Bernhard Krautter.

Da haben gleichfalls Politiker unterschiedlichen Kalibers und Arbeitsbereichs getagt, getafelt und getrunken: von Landesvater Erwin Teufel bis hin zu den Bürgermeistern Herbert Hermle und Karl-Heinz Bucher.

Da ist außerdem das weite Feld der Kunst. Schauspieler wie Bernd Helfrich, "Zauberer" wie Heini Öxle und vor allem Musiker. Angelika Milster, Gotthilf Fischer und Wolle Kriwanek, aber gleichfalls viele Protagonisten der Volksmusik und der volkstümlichen Musik. Aus dem In- und dem Ausland.

Legenden und Jubilare

Und da aßen und tranken unzählige Sportler. Allen voran Spieler, Präsidenten und Funktionäre des VfB Stuttgart. Aus der Vielzahl seien stellvertretend die Legenden Fritz Walter, Fredi Bobic, Sami Khedira und Günther Schäfer erwähnt. Außerdem der vierfache Kunstradfahrweltmeister Harry Bodmer (Herrenzimmern) und Ex-Radstar Erik Zabel (Juni 1999).

Nicht vergessen ist für Uli Schanz das SWR-Team um Annette Krause (2008), das eine Woche in Villingendorf Station machte, um aus der Region über regionale Produkte einen halbstündigen Beitrag zu fabrizieren. Für die allermeisten gilt, dass sie sich, so Uli Schanz, als nahbar und unkompliziert gegeben haben.

Erinnernswert sind etliche 100. Geburtstage, die im "Kreuz" gefeiert wurden. Und dankbar ist Uli Schanz über die vielen Villingendorfer Gäste und jene aus der näheren und weiteren Umgebung, über die Geduld der Nachbarn, als einst lange und – ja – lautere Feste gefeiert wurden, sowie über seine Kollegen im Rahmen der weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannten Aktionen Apfel-Kartoffel-Zwiebelfest, Vierfalt, Fahnenmeer und Fahrradsaisoneröffnung.

Doch mit Weinhandlung und Zimmervermietung allein soll ab 2019 nicht Schluss sein. Es werden außerdem Gedankenspiele für die weitere Zukunft des Quartiers der Großfamilie Schanz geschmiedet. Bei Geli und Dominik laufen diese Gedanken unter dem Begriff struktureller Wandel.