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Turngemeinde Schwenningen stellthauptamtliche Trainerin ein / Vergebliche Suche nach ehrenamtlicher Besetzung

Die Turngemeinde (TG) Schwenningen hat vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Konkurrenz durch Fitness-Studios eine hauptamtliche Trainerin eingestellt. Diesem Schritt ging eine einjährige – und vergebliche – Suche nach einer ehrenamtlichen Alternative voraus.

VS-Schwenningen. Seit September 2018 ist Daniela Camuffo (im Bild rechts) als Trainerin bei der TG Schwenningen hauptamtlich angestellt, betreut in 30 Wochenstunden Trainingsangebote oder gibt von Krankenkassen zertifizierte Kurse. Dass der Verein diesen inzwischen gar nicht so unüblichen Schritt machen musste, hat mehrere, meist externe Gründe.

Harter Konkurrenzkampf

In den vergangenen zehn Jahren, erklärt TG-Geschäftsstellenleiterin Ursula Bruder (links), würde sich der Boom der Fitness-Studios bei den Vereinen zunehmend bemerkbar machen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben – und damit Mitglieder oder Kursteilnehmer zu halten – müssten zum einen entsprechende Fitness- und Gesundheitsangebote ins Programm aufgenommen werden. Zum anderen führt es zu Investitionen in die Sportanlagen: So wurde beispielsweise der Gymnastikraum auf dem TG-Vereinsgelände auf dem Waldeck 2017 modernisiert. "Wir stehen auch in den anfänglichen Plänen, hier eine neue Halle zu bauen", sagt Bruder vor Ort.

Qualifikationen nötig

Auch auf Trainer-Ebene wirkt sich der Wettbewerbsdruck konkret aus. "Um ansprechende Kurse leiten zu dürfen, sind meist bestimmte Scheine nötig", erklärt Camuffo. Sie habe beispielsweise einen Pilates- und einen Rückenschul-Lehrgang, einen Schein im Bereich Nordic Walking sowie eine Ausbildung in der Sturzprophylaxe gemacht und verfügt über eine Lizenz im Orthopädie-Bereich. "Auch die ehrenamtlichen Kursleiter in den Vereinen haben solche Qualifikationen", ergänzt Bruder.

Hinzu kam bei der Turngemeinde in diesem bestimmten Fall, dass die bisherige Trainerin, die den Bereich Mädchenturnen leitete, ihren Abschied auf September 2018 angekündigt hatte – dies jedoch schon ein ganzes Jahr im Voraus. "Ein Jahr lang haben wir versucht, ehrenamtlichen Ersatz zu finden – das hat nicht geklappt", erklärt Bruder. An den Kosten, die ein solcher zusätzlicher Schein mit sich bringt, könne es nicht liegen – diese werden, so Bruder – von dem Verein übernommen.

"Sicher ist: Wir hätten das Mädchenturnen nicht fortführen können, wenn wir Daniela Camuffo nicht eingestellt hätten. Wir mussten das machen, um die Lücke zu füllen", betont die Geschäftsstellenleiterin. Etwa 70 Mädchen – und damit Mitglieder – hätten bei Schwenningens mitgliederstärkstem Verein ihrem Sport und Hobby nicht mehr nachgehen können. Ein Problem, das sich bei der TG auch in anderen Abteilungen und den Mannschaftssportarten abzeichnet. "Derzeit sind wir in Gesprächen mit einem angestellten Trainer für Tanz/Ballett", sagt Bruder.

Gesellschaftlicher Wandel

Einen Verein als "Arbeitgeber" kommt, erklärt Camuffo, unter ihren Kollegen immer häufiger vor. "Wir sind noch ein großer Verein, der sich das leisten kann. Die kleineren Vereine haben, was das Finden von Trainern oder Abteilungsleitern angeht, die gleichen Probleme – aber weniger Möglichkeiten", so Bruder weiter. Den Hauptgrund sieht sie darin, dass die Menschen heute immer mehr die "zusätzlichen Verpflichtungen" scheuen, die ein Engagement im Verein mit sich bringt.

"Ein Verein bedeutet Freundschaft und Freundschaft verpflichtet. Die Leute möchten aber lieber flexibel sein, ihr Programm verfolgen und nicht einen Kuchen backen oder beim Aufbau für eine Feier helfen", erklärt Bruder. Die Geschäftsstellenleiterin sieht diese Entwicklung auch als Grund für den Trend zu Fitness-Studios, in denen die Kunden eine "rein wirtschaftliche" Mitgliedschaft abschließen und bei ihren Besuchen nicht von vorgegebenen Terminen abhängig sind. "Das ist aber einer gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet und soll nicht als Vorwurf verstanden werden", betont Bruder. Dennoch führe es zu einem "Vakuum" in der Altersstruktur unter den Mitgliedern zwischen den Kindern und Jugendlichen und den Über-50-Jährigen – es fehlt genau die Altersklasse, die für ehrenamtliche Tätigkeiten gebraucht würde.

Um den vermeintlich verloren gegangenen Gemeinschaftsgedanken wieder in den Fokus zu rücken, veranstaltet die TG einen regelmäßigen, abteilungsübergreifenden Stammtisch und wird zudem nach dem Neckarman eine große Feier veranstalten.

Neue Abteilung

Daneben sollen neue Kurse, die ab Mai dank der Diplom-Sportwissenschaftlerin möglich sind, Interessenten anlocken. Camuffo leitet zwar auch Trainingseinheiten im Rope Skipping, Kindersportcenter oder der Rhythmischen Sportgymnastik, die schon vorher auf dem Programm der TG standen. Jedoch wurde auch eine Abteilung "Gesundheitssport" gegründet. Darunter fallen Angebote wie ein intensives Kraft-Ausdauer-Training, Ganzkörperkräftigungstraining oder ein Kurs in der Sturzprophylaxe. "Weil Camuffo ein Fachstudium absolviert hat, kann sie einige Kurse bei der zentralen Prüfstelle als zertifizierte Präventionskurse anmelden, bei denen eine Kostenübernahme von bis zu 80 Prozent durch die Krankenkassen möglich ist", freut sich Bruder. "Im Verein arbeite ich mehr mit Kindern, als ich das gewohnt war. Das macht sehr Spaß – und ich bin selbst viel in Bewegung", sagt Camuffo und lacht. "Aber generell ist jeder Kurs anders, mit neuen Menschen. Das ist das Schöne und Spannende."