Bastian Ruf genießt den atemberaubenden Ausblick über Namur. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Reisetagebuch: "Basti bei den Belgiern" (1) / Der Freiwilligendienst beginnt / Bastian Ruf zieht nach 14 Tagen erste Bilanz

Wie der Schwarzwälder Bote bereits berichtete, leistet der ehemalige GaD-Schüler Bastian Ruf einen Freiwilligendienst in Belgien. Er wird regelmäßig von dort über diesen Lebensabschnitt in einer Art Tagebuch berichten. Nun folgt sein erster Auslandsreport.

VS-Schwenningen/Belgien. Meine Güte, ist in den letzten zwei Wochen viel passiert! Zumindest für mich, denn ich bin mit Sack und Pack für einen Freiwilligendienst nach Belgien aufgebrochen. Allerdings nicht alleine. Meine Familie hat mich am 1. September an meine neue Wirkungsstätte begleitet.

Nachdem ich den Großteil meines Gepäckes in meiner Einsatzstelle abstellen konnte, fuhren wir weiter nach Brüssel, um dort das Wochenende zu genießen. Wir haben so einiges gesehen: Den berühmten Grand Place mit den vergoldeten Zunfthäusern, den berühmten Manneken Pis, den ewig pinkelnden Jüngling, der an diesem Wochenende die Uniform der britischen Gardegrenadiere trug, und natürlich das Atomium.

Selbstverständlich durften die ersten belgischen Fritten und die Brüsseler Waffeln nicht fehlen. Ich kann jetzt aus Erfahrung sagen, dass diese Speisen zu Recht den Belgiern zugeschrieben werden, denn die wissen wirklich, wie es richtig geht. Zu den Fritten gibt es anderthalb dutzend Saucen von "Andalouse" bis "Samourai", und die Waffeln gibt es mit Sahne, Früchten und/oder verschiedenen Soßen. Ein Träumchen! Und man kommt in Brüssel auch gar nicht an diesen Delikatessen vorbei, denn sie werden praktisch an jeder Straßenecke verkauft. Um das Klischee an dieser Stelle noch zu vollenden, haben wir sogar einen "Biertempel" gefunden, ein Geschäft, das nicht nur allerhand Bier, sondern vor allem auch irgendwelchen Ramsch rund ums Bier herum verkauft. "Die spinnen, die Belgier!", würde Obelix jetzt sagen.

Er erkundet mit seiner Familie Brüssel

Das Atomium, das Wahrzeichen Brüssels, steht auf dem Gelände der Weltausstellung von 1958, wo heute ein großer Park ist. Mit einem Aufzug kann man bis in die oberste Kugel hochfahren und hat dort in etwa 100 Meter Höhe einen fantastischen Ausblick über die Stadt. An jenem Wochenende fanden abends auf dem Grand Place noch verschiedene Konzerte im Rahmen des "Taptoe Festivals" statt, bei denen wir den Tag noch gemütlich ausklingen lassen konnten.

Am Samstag spielten verschiedene Kapellen, darunter auch Trommler aus Burundi und eine lustige Truppe auf Fahrrädern, die es schafften, während des Fahrens zu spielen. Für die kleine Trommel gab es sogar ein Tandem, bestehend aus einem Trommler und einem Fahrer. Ich hatte in den ersten beiden Tagen schon so viel erlebt und kennengelernt – und dabei hatte die eigentliche Aufgabe meiner Reise noch gar nicht begonnen.

Doch dann wurde es langsam ernst. Am 3. September musste ich zum Willkommensseminar meiner Aufnahmeorganisation in Belgien. Also verabschiedete ich mich am Bahnhof von meiner Familie. Auf der ganzen Zugfahrt konnte ich keinen Bissen essen. Doch mein Magen beruhigte sich wieder recht schnell, denn das Seminar war der Hammer!

Meine Aufnahmeorganisation hier in Belgien heißt SPJ (Service protestant de la jeunesse). Der SPJ empfängt jedes Jahr mehrere Freiwillige aus ganz Europa. Und so sind wir für unser gemeinsames Jahr im Ausland eine bunte Truppe aus sieben Deutschen, zwei Ungarn, einer Spanierin, einer Italienerin, einer Österreicherin und zwei Franzosen. Die Chemie in der Gruppe war von Anfang an super, und schon am ersten Abend saß eine große Gruppe zusammen und schmetterte mit Gitarrenbegleitung – mehr schlecht als recht – bis in den späten Abend hinein die wenigen Lieder, die alle kannten. Mein Einstieg war geglückt!

Willkommensseminar gibt Schwung

Das Team vom SPJ hatte sich auch schwer ins Zeug gelegt und viele schöne Aktivitäten für uns vorbereitet. So wurde zunächst auf einer Karte gezeigt, wer woher kommt und wohin er in Belgien gehen wird. Das Ergebnis ist eine Karte von Belgien mit vielen Aufklebern. Und natürlich haben wir über unsere Projekte gesprochen. Da ich in meinem Projekt der erste Freiwillige bin, brannte es mir natürlich unter den Nägeln, vorab noch mehr zu erfahren, was da auf mich zukommt.

Und wir bekamen die notwendige Hilfe. So erklärten die Team-Mitglieder uns typische Situationen und Probleme aus dem Alltag eines Freiwilligen anhand von lustigen Sketchen, besichtigten mit uns die kleine Stadt Binche, gingen mit uns Fritten essen und forderten uns an einem Abend mit einem "Integrationstest" für Belgien heraus, bei dem wir zeigen mussten, was wir schon über Belgien wussten und dass wir als Team zusammenarbeiten können. Natürlich war die ganze Geschichte ein einziger Gag und wir haben alle viel gelacht. Ich denke, das Seminar hat vielen die ersten Sorgen vor diesem Jahr genommen und bestimmt das schlimmste Heimweh aufgeschoben – auch bei mir. Wir hatten am Ende alle das Gefühl, in der Gruppe und in dem SPJ-Team einen starken Rückhalt und Unterstützung gefunden zu haben.

VS-Schwenningen/Grez-Doiceau (ruf). Das Willkommensseminar war zu Ende, es hieß erneut Abschied nehmen, denn wir starteten am 6. September in unsere Projekte. Wir wurden von unserem zugewiesenen Tutor abgeholt, und so kam ich eine Stunde später in meinem Einsatzort an. Mein Projekt heißt "Les Anémones" und ist ein Kinderheim für "schwierige" Kinder in dem kleinen Städtchen Grez-Doiceau.

Die Kinder haben häufig eine leichte mentale Beeinträchtigung, beispielsweise eine Lernschwäche oder Charakterstörungen – verhaltensauffällig nenne ich es mal. Die Kinder sind dort wegen Problemen, die sie in der Familie hatten oder haben. Ungeachtet dessen steppt hier, wie in jedem anderen Kinderheim auch, jeden Tag der Bär. Die Kinder sind schon ziemlich aktiv, und dann komme auch noch ich als "der Neue" dazu, was dann natürlich für mehr als genug Aufregung gesorgt hat.

An den ersten beiden Tagen konnte ich mich vor einer Flut an Fragen kaum retten. Wo ich herkomme, wo ich schlafen werde und und und... Das hat mich im ersten Moment ziemlich überfahren, und ich zog mich am Abend in mein kleines Zimmer zurück. Auch fingen die Kinder sofort an, meine Grenzen auszuloten und mich zu testen. Den einen oder anderen Zoff habe ich schon hinter mir, doch ich glaube, dass ich mich bisher ganz gut geschlagen habe.

Ansonsten gab es hier auch ein wenig Unsicherheit von Seiten der Heimleitung und den Verantwortlichen, denn ich bin dort der erste Freiwillige, also hat das Personal genauso wenig Erfahrung mit der Situation wie ich selbst. Deshalb muss sich hier auch erst noch Stück für Stück herausarbeiten, was genau mein Job sein wird. Es hängt viel von meiner Initiative ab, aber das ist nicht weiter schlimm. Immerhin gibt das mir beachtliche Gestaltungsmöglichkeiten in jeglicher Hinsicht!

Ansonsten muss ich mich natürlich auch erst mal vor Ort zurechtfinden. Ich komme aus dem Zollhaus und kenne die Umgebung von Villingen-Schwenningen. Meine für mich logische Schlussfolgerung: Ich weiß, wie es im ländlichen Raum in etwa läuft. Fehlanzeige! Das belgische Örtchen Grez-Doiceau ist noch mal eine andere Hausnummer. Von meinem Projekt aus ist die nächste Zugstation zu Fuß eineinhalb Stunden entfernt, und die Busse fahren – zumindest am Wochenende – nur ab und zu.

Es ist jetzt schon klar, hier gilt es immer wieder nach Lösungen zu suchen. Ich kann ein Auto vom Kinderheim ausleihen, zudem habe ich ein Fahrrad, und manchmal nimmt mich sogar einer der Betreuer ein Stück mit.

Die Kollegen helfen gern

Das Erzieherteam ist echt ein netter Haufen. Ein paar haben mir sogar angeboten, mich zu besonderen Events in ihrer Region mitzunehmen. Da habe ich wirklich Kollegen, mit denen ich über alles reden kann. Sie helfen mir auch bei der Suche nach Hobbys, also nach Sport- oder Musikvereinen. Apropos Freizeit: An meinen freien Tagen toure ich mit den anderen Freiwilligen durch Belgien und lerne das Land kennen. Wir sind alle im Süden Belgiens, der Wallonie, eingesetzt und haben so nicht allzu lange Anreisewege. Und so schauen wir jedes Wochenende, wo etwas im Land passiert und dann treffen wir uns dort. So waren wir am Wochenende 15./16. September in Namur zur "Fête de la Wallonie", einem der größten Straßenfeste in Belgien. Überall spielten Bands oder dudelte Musik aus Lautsprechern, es gab allerhand Süßkram zu kaufen, und an Bier hat es auch nicht gemangelt – eben auch eine belgische Spezialität.

Nebenher haben wir noch die Stadt mit ihrer Zitadelle erkundet und die traditionell-kulturellen Darbietungen angesehen, allen voran die berühmte "Echasse d’Or", bei denen zwei Teams von Männern auf Stelzen sich solange kloppen, bis nur noch einer steht. Brutale Sache, aber einmalig in Belgien und vermutlich auch weltweit.

Alles in allem waren die zwei ersten Wochen ein ziemliches Durcheinander von Gefühlen. Mal hatte ich Freudentränen in den Augen und habe mit den anderen gelacht bis mir die Bauchmuskeln weh taten, mal konnte ich vor lauter Heimweh nichts essen. Und manchmal war mir alles zu viel, und ich habe mich in meinem Zimmer verschanzt. Aber eigentlich ist das hier so ziemlich genau das, was ich mir erhofft hatte. Und ich bin echt gespannt, was da noch kommt.