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VS-Polit-Gespräch VI / Woher der Druck auf dem Wohnungsmarkt kommt und wie sich die Lage entspannen könnte

Das Thema Wohnen und Bauen bewegt die Gemüter in VS wie kaum ein anderes. In Folge sechs des VS-Polit-Gesprächs beschäftigten sich Frank Bonath (FDP), Andreas Flöß (Freie Wähler), Klaus Martin (CDU), Joachim von Mirbach (Grüne) und Edgar Schurr (SPD) im Austausch mit Kreisredaktionsleiterin Cornelia Spitz mit der Ausweisung von Bauland. Für Edgar Schurr aber stellt sich noch ein anderes als absolutes Top-Thema in VS: der soziale Wohnungsbau.

Sie, Herr Schurr, haben als eines Ihrer Top-Themen den sozialen Wohnungsbau notiert. Nun sind diesbezüglich ja recht viele Projekte in der Pipeline und vieles hat sich schon getan. Sehen Sie trotzdem noch Bedarf darüber hinaus?

Schurr: Ja, wir haben auch relativ verlässliche Zahlen. Wir haben von der wbg ja eine Liste von Wohnungssuchenden und erheben diese Zahlen auch von der Familienheim. Diese Listen werden im Vierteljahresturnus überprüft, ob sie noch aktuell sind – und das sind sie. Die Suchenden werden nicht weniger, es herrscht ein unheimlicher Druck für preiswertes Wohnen.

Woher kommt dieser Druck?

Schurr: Wir haben viele spezielle Familiensituationen – ob das jetzt Alleinerziehende sind oder Familien – die eben ein zur Verfügung stehendes Familieneinkommen von etwa 2500 Euro haben, da ist die Miete natürlich ein großer Faktor, zumal man die Nebenkosten noch dazurechnen muss. Es gibt in dieser Stadt viele Möglichkeiten eine Wohnung zu kaufen, für 300 000 Euro aufwärts ist das überhaupt kein Problem. Aber genau diese Preissegmente machen keinen preiswerten Wohnraum frei. Das ist für sich betrachtet auch in Ordnung. Aber der soziale Wohnungsbau, wie er derzeit funktioniert, kann das nicht regeln. Der Markt selbst baut keine Wohnungen in diesem Sinne – die bauen zwar Wohnungen, vielleicht auch Sozialwohnungen mit einer Bindung für 15 Jahre, aber dann wird die Wohnung wieder aufgewertet und teurer vermarktet und dem sozialen Wohnungsmarkt somit entzogen.

Wird es also in Ihren Augen eine Aufgabe für die Kommunen bleiben?

Schurr: Ja, ich bin der Meinung, wenn der Markt das nicht regelt, dann müssen die Kommunen das über Genossenschaften übernehmen. Das ist der richtige Weg, wie wir das hier machen – etwa mit der Freiburger Straße oder auch mit den Polizeiwohnungen, die ja dann auch wieder diesem Markt zugeführt werden können. Und dann müssten wir in Zukunft eben noch ein bisschen mehr finanziell draufpacken und überlegen, wie wir das befruchten können.

Es gab da ja mal einen Ansatz...

Schurr: Ja, mit der Quote von 30 Prozent Sozialwohnungen. Das hat ja der Gemeinderat abgelehnt, darüber habe ich mich furchtbar geärgert, aber das ist Demokratie, damit muss man leben.

Wie sehen Sie das, Herr von Mirbach, als derjenige unter uns, der Neubau-Maßnahmen wohl mit am kritischsten gegenüber stehen dürfte?

Von Mirbach: Ich sehe das genauso! Neubaumaßnahmen sehe ich nicht kritisch, nur neuen Flächenverbrauch im Außenbereich. Ich bin auch Aufsichtsrat bei der wbg. Diese hat in der Vergangenheit alles getan, um hier voranzukommen, zum Beispiel mit dem Neckarfair und jetzt mit dem Sperberfair, das sind Top-Projekte! Wir haben für Neckarfair sogar einen Bundespreis bekommen und hatten die kubanische Bauministerin zu Besuch, um das zu besichtigen. Wir haben hier einen Leuchtturm geschaffen. Und was die Flächen dafür angeht, die sind natürlich auch da. Wir haben neulich einen Termin mit dem Bündnis für Faires Wohnen gehabt und das diskutiert. Da hieß es, die haben eine Fläche, für die es keinen Bebauungsplan gibt, da könnte man ihrer Meinung nach bauen nach Paragraf 34. Und dann kommt aber das Planungsamt und sagt nein, sie wollen da einen Bebauungsplan haben, sonst geht das nicht. Obwohl die sofort bauen könnten! Da sind bürokratische Hürden da, denn ein Bebauungsplan dauert. Wir brauchen aber Fluktuationsmasse, das heißt mehr Umzüge, deswegen muss gebaut werden, was gebaut werden kann.

Einige Familien werden jetzt einhaken, bemängeln dass sich viele um den sozialen Wohnungsbau kümmern, und ihrem Wunsch Ausdruck verleihen, dass auch sie, ohne bedürftig zu sein, verzweifelt nach einer Wohnung suchen....

Schurr: Ja, ich hab da ein Beispiel. Mein Sohn hat fünf Kinder, sucht dringend eine größere Wohnung, das macht er seit Jahren, und findet nichts. Er hat kein schlechtes Einkommen, aber er findet nichts, das er sich leisten könnte. Solchen Familien könnten wir auch helfen, wenn wir über Flächen verfügen, dann können wir eine Förderkulisse schaffen als Stadt und diese Fläche gezielt Familien zukommen lassen. Wir haben eben genau dieses Problem: Wir haben Leute, die förderfähig sind, aufgrund der Gesetzeslage und der Einkommenshöhe, und wir haben eine ganze Menge Leute, die knapp drüber sind, und die haben ein Riesenproblem.

Ja, aber die werden momentan doch nicht bedient.

Bonath: Das ist doch eines der besten Beispiele. Daran, dass sozialer Wohnungsbau eine städtische Aufgabe ist und wir alle zur wbg stehen, können wir einen Haken machen. Aber diese Familien, die Sie ansprechen Herr Schurr, die Mittelschicht, hat genauso einen Bedarf an Wohnraum. Auch Fachkräfte, die zu uns ziehen und hier bei uns in VS arbeiten und leben möchten. Das kann eben keine städtische Aufgabe sein. Wir müssen mehr Bebauung zulassen! Sie können ja mit jeder Genossenschaft hier sprechen, mit jedem Bauträger, die würden alle sofort bauen, wenn sie könnten. Und die bauen überall anderswo, weil hier keine Möglichkeiten sind!

Ein letztes Wort für die Fraktionen

Zum Abschluss des VS-Polit-Gesprächs beim Schwarzwälder Boten waren Frank Bonath (FDP), Andreas Flöß (Freie Wähler), Klaus Martin (CDU), Joachim von Mirbach (Grüne) und Edgar Schurr (SPD) aufgefordert, an die Wähler direkt zu sprechen und ihnen zu sagen, warum sie am Sonntag nicht  nur für Europa, sondern auch für Villingen-Schwenningen wählen gehen sollen. Und das haben sie gesagt:

Bonath: Wir haben jetzt  sehr viel über Sanierungsstau gesprochen – die Straßen sind in einem  verheerenden Zustand, an den Schulen kennen wir den Sanierungsstau auch, und wir stellen die Frage, ob man mit den  gleichen Konzepten wie in den letzten zehn, 20, 30 Jahren diese Themen lösen kann, oder ob es dazu neue Ideen braucht.  Und wir bringen sehr viele  Ideen ein, haben viele Anträge zu diesen Themen gestellt und werden das auch  weiterhin tun. Wenn wir diesen Stillstand beenden wollen, stehen wir als Update bereit.

Schurr: Wählen Sie den Kandidaten oder die Kandidatin Ihres Vertrauens! Es geht um Ihre Zukunft,  es geht um Ihre Stadt und ich denke, dass wir die letzten Jahrzehnte nicht geschlafen, sondern uns der Entwicklung gestellt haben – hier ist viel geschaffen worden. Und ich denke, in der  Zukunft wird es neue Probleme geben und neue Aufgaben – und ich wünsche mir Gemeinderäte, die sich für diese Aufgaben einsetzen.

von Mirbach: Ich sage es mit Max Frisch: »Politik heißt, sich in seine eigenen  Angelegenheiten einzumischen.« Und wer nicht wählen geht,  der darf sich nicht beschweren.

Martin: Im Gemeinderat geht es um Themen, die die Bürger unmittelbar betreffen. Deshalb wünsche ich mir für die Kommunalwahlen, dass die Menschen durch eine hohe Wahlbeteiligung ihr Interesse an der Entwicklung unserer Stadt zum Ausdruck bringen. Deshalb kann ich nur appellieren, zur Wahl zu gehen. Die Liste der CDU verfügt über interessante Persönlichkeiten!

Flöß: Die Stadt ist wie ein Unternehmen. Wir haben einen Haushalt von cirka 360 Millionen Euro, davon werden etwa 60 Millionen jedes Jahr direkt investiert. Wir haben  meiner Meinung nach das richtige Handwerkszeug, wir haben die Kandidaten, die das  entsprechende Know-how mitbringen und das ist wichtig. Letztendlich sind wir als Stadträte  so etwas wie Vorstände und Aufsichtsräte gleichermaßen – aus diesem Grund bitten wir um das Vertrauen der Wähler,  weil wir es können.