Die 85-Jährige hat sich eine starke Erkältung zugezogen. Symbolbild. Foto: dpa-Zentralbild

85-jährige verbringt Nacht in Decken. Gashahn einfach zugedreht. Im Neubau fast unmöglich.

Villingen-Schwenningen - Schon am Nachmittag zittert die 85-Jährige vor Kälte. "Die Heizung ist kaputt", erfährt sie. Doch in Wirklichkeit ist in dem teils herunter gekommenen Wohnblock der Gashahn zugedreht worden.

Der Wohnblock am Fürstenbergring war erst vor kurzem in die Schlagzeilen geraten. Anwohner hatten sich über das Vorgehen des Eigentümers aufgeregt: Aus der Zeitung hätten sie davon erfahren, dass in die restlichen bislang leeren Wohnungen Flüchtlinge einziehen sollen. Auch der örtliche VdK-Chef Dieter König sowie der Mieterbund VS warfen der Gesellschaft für Siedlung und Wohnungsbau (GSW) schlechten Stil vor. Doch nicht nur die "mangelhafte Informationspolitik" ist es, was für Zündstoff sorgt.

An einem dieser Tage, als die Wohnungen für die neuen Bewohner hergerichtet wurden, standen die Türen des Hauses und des Kellers offen. Eine der letzten Bewohnerinnen des Mietshauses saß in ihrer Wohnung und zog sich die Decke über ihre kalten Knie. "Der Monteur kann das erst morgen reparieren", seufzt sie. Man rät ihr, sich in der Nacht gut zuzudecken. Am nächsten Tag, erzählt sie, sei sie wie gerädert gewesen. "Ich habe vor Kälte nicht schlafen können." Was sie jedoch am meisten irritiert: Die Heizung sei gar nicht defekt gewesen, "da hat jemand einfach den Gashahn zugedreht". Eine Aussage, die im Laufe des Tages von gut informierter Seite bestätigt wird.

Wer sich nicht dazu äußern möchte, ist die Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg, der das Gebäude gehört und die die sanierten Wohnungen an das Landratsamt vermietet hat.

Der zugedrehte Gashahn ist das eine, Reglements, was die Zugänglichkeit von Gashähnen angeht, das andere. In der Vergangenheit, hieß es aus Fachkreisen, haben sich die Experten darüber gestritten, "ob solche Anlagen frei zugänglich sein dürfen oder nicht". Für die einen, die Befürworter abgeschlossener Anlagen, überwog die Angst vor Manipulation der Hähne, für die anderen, die Unterstützer frei zugänglicher Anlagen, die Angst, bei einem Vorfall nicht rechtzeitig handeln zu können. Einer davon ist Sebastian Merkle von der Baugenossenschaft Familienheim. Auch für ihn sollte der Hauptabstellhahn frei zugänglich sein: "Dann kann natürlich jeder den Hahn zudrehen, aber hier geht die Sicherheit vor."

Diese flexible Haltung mag für Altbauten wie den Block im Fürstenbergring noch gelten, für neuere Häuser gibt es eindeutige Vorgaben. Die Stadtwerke zu diesem Thema: "Seit den 90er-Jahren müssen Gashauseinführung und Gaszählerplatz bei Mehrfamilienhäusern ab drei Wohneinheiten so installiert werden, dass sie nicht allgemein zugänglich sind." Dies sei klar geregelt und diene der Erhöhung der Sicherheit gegen Manipulation. Gebäude mit weniger Wohneinheiten sowie ältere Gebäude genießen Bestandsschutz. "Bei Ihnen können die Gasinstallationen auch in allgemein zugänglichen Räumen angebracht sein." Generell liege die Verantwortung für die Zugänglichkeit der Räume und Gashaupthahns beim Immobilieneigentümer: "Er muss dafür Sorge tragen, dass keine Unbefugten an die Installationen kommen und die Türen geschlosen halten."

Für die 85-Jährige ist das ein schwacher Trost, die sich eine starke Erkältung zugezogen hat und nun noch zugeflüstert bekommt, ob sie nicht selbst den Hahn zugedreht habe?