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Alte betagte Menschen ohne Angehörige haben ein Problem. Triberger Vermieter macht mobil.

Villingen-Schwenningen - Kleine Rente, keine Angehörigen, betagt, geh- und sehbehindert: Wie kommen alte kranke Leute ins Schwarzwald-Baar-Klinikum? Eine Frage, die einen Vermieter aus dem Kreisgebiet seit Wochen umtreibt. Thomas Geiger schlägt einen Fahrdienst für Betroffene vor.

Der Bericht im Schwarzwälder Boten "Klinikum schickt halb blinde Frau nach Hause" schlägt hohe Wellen: Die Geschichte sorgt in den sozialen Netzwerken für erhitzte Diskussionen und polarisiert. Und wie reagiert ein Vermieter aus dem Schwarzwald-Breis-Kreis auf die Schilderungen einer 87-jährigen halb blinden Patientin, die weder von ihren Angehörigen vom Schwarzwald-Baar-Klinikum abgeholt werden noch mit Bus und Bahn nach Hause kommen konnte? Geiger kommt eine Idee: Im Zentrum seiner Überlegungen steht ein möglicher Abholdienst.

Der Auslöser für den Vorstoß des Tribergers: Eine alte Dame, 85 Jahre alt, wohnt seit längerem in seinem Haus. Sie muss in die Klinik. Die Diagnose ist eindeutig. Über acht Wochen hinweg muss die Frau ins fast 30 Kilometer entfernte Klinikum. Angehörige habe die alte Frau zwar, "aber die leben in Hamburg und nicht um die Ecke". Acht Wochen lang hat die Patientin Termine im Großklinikum zwischen Villingen und Schwenningen. Zu Fuß an die Bushaltestelle zu gehen, dies könne man der Dame nicht zumuten: "Das ist viel zu weit und beschwerlich für sie, so bin ich jedes Mal gefahren", erzählt ihr Vermieter im Gespräch. Eine Taxifahrt könne sie sich nicht leisten angesichts einer mageren Rente von 800 Euro. Die Frau wäre für die Hin-und Rückfahrt gut 130 Euro los gewesen.

Stuttgart eingeschaltet

Thomas Geiger lässt diese Geschichte keine Ruhe, "denn das ist kein Einzelfall. Ich kenne alleine bei uns in der Stadt einige alte Menschen, die keine Angehörigen in der Nähe haben und sich auch keine Taxifahrt nach Villingen und zurück leisten könnten." Der Triberger wendet sich mit seinem Anliegen nicht nur an das Landratsamt im Schwarzwald-Baar-Kreis, sondern schaltet auch den CDU-Landtagsabgeordneten Karl Rombach und Manfred Lucha, Minister für Soziales und Integration in Stuttgart, ein.

Mit bislang mäßigem Erfolg. Der Landkreis bezahlt zwar einen Fahrdienst als Freiwilligkeitsleistung, den das DRK betreibe. Diesen Fahrdienst können nur Behinderte mit Ausweis in Anspruch nehmen. Jedoch nicht für Fahrten ins Klinikum. Landratsamts-Pressesprecherin Heike Frank verweist auf Alternativen: In manchen Orten werden über Nachbarschaftshilfe oder ehrenamtliches Engagement Mitfahrgelegenheiten geschaffen, wie über das Projekt Spurwechsel in Niedereschach. Für Geiger ist ein solches Angebot keine Patentlösung. "Wäre es nicht möglich, dass das DRK regelmäßige Sammelfahrten anbietet, um alte Menschen zum Klinikum und wieder zurück zu bringen." Mit finanzieller Unterstützung durch den Kreis?

Was sagt Karl Rombach dazu? Der CDU-Landtagsabgeordnete aus dem Kreisgebiet, der im regen E-Mail-Kontakt mit Thomas Geiger stand, um sich seines Anliegens anzunehmen und um sich regelmäßig mit ihm auszutauschen, sieht das Thema im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung der Region und damit, dass dieser Aspekt immer größeren Raum einnehmen wird. Karge Rente, keine Angehörigen: Der Vorschlag einen Sammeltransport für betroffene Senioren einzurichten, begrüßt Rombach MdL und ermutigt, dass dieses Thema weiter verfolgt werden solle. Man sollte diesen Vorschlag auf jeden Fall nicht gleich ablehnen und versuchen, eine gute und für alle Betroffenen praktikable Lösung zu finden. Weiter hat sich Rombach mit Minister Lucha in Verbindung gesetzt und dieses "wichtige Thema" und Anliegen zum Anlass genommen, um dieses in der CDU-Landtagsfraktion zur Sprache zu bringen.

Pflegegrad nicht bekannt

Weltfremd ist diese Idee auch in den Augen von Manuela Schwenk nicht. Die Geschäftsführerin der Firma Deutsches Rotes Kreuz Sozialdienste Triberg gemeinnützige GmbH hat sich ebenfalls darüber Gedanken gemacht, wie das Problem zu lösen sei. Auch ihr schwebt ein Sammeltransport vor: Dabei müsse man Taxiunternehmen und Landkreis ins Boot nehmen, spinnt sie den Gedanken weiter, damit der betroffene Personenkreis zu stark reduzierten Preisen befördert werden könnte. Schwenk bringt noch einen anderen Aspekt ins Spiel. Viele ältere Menschen wüssten nicht mal, dass sie wegen ihrer körperlichen Einschränkungen einen Anspruch auf einen Pflegegrad haben, "weil sich niemand darum kümmert". Und damit wüssten sie auch nichts von einem Anspruch, Fahrtkosten über die Krankenkassen abzuwickeln.

Welche Fahrten übernehmen die Krankenkassen? Wer sich das Merkblatt zur Verordnung von Krankenbeförderung der Kassenärztlichen Vereinigung durchliest, erfährt mehr. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Frage, ob die Beförderung medizinisch begründet sei: Dies sei beispielsweise der Fall, wenn Patienten nicht zu Fuß gehen oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen können und Autofahrten nicht in Betracht kommen. Ob Fahrten bezahlt werden und eine medizinische Notwendigkeit besteht, liege im Ermessen des behandelnden Arztes. Thomas Geiger dazu: "Ja, der Arzt bestellt das DRK, wenn er dies für notwendig hält. Wenn dann die Behandlung in der Klinik beendet ist, muss eben der Patient schauen wie er weiterkommt" Klinik-Sprecherin Sandra Adams dazu: "Unsere Ärzte dürfen, ohne dass zwingende medizinische Gründe vorliegen, keine Krankenfahrten verordnen." Laut Sozialrecht sollen sich die Angehörigen um die Abholung der Patienten kümmern.

Was den Fall der sehbehinderten 87-Jährigen anbelangt, verzichtete die zuständige Krankenkasse auf eine ärztliche Verordnung und erstattete auf Grund der von der Tochter geschilderten Umstände später die Taxikosten.