Ein Abend mit Musik von Gustav Mahler wurde zum grandiosen Erlebnis. Mit dazu trug Stella Doufexis mit den "Rückert-Liedern" bei. Foto: Kouba Foto: Schwarzwälder-Bote

Symphonieorchester Vorarlberg und Stella Doufexis bereiten gigantisches Konzerterlebnis

Von Siegfried Kouba

VS-Villingen. Die neue Kultursaison ist eröffnet. Oberbürgermeister Rupert Kubon hob das Motto "Lebenskunst" hervor. Er verband damit symbolisch den Dirigenten Kirill Petrenko, betonte die Bedeutung der Kulturstadt und dankte Andreas Dobmeier und seinem Kulturamtsteam.

Der Eindruck, den das Symphonieorchester Vorarlberg mit seinem Mahler-Konzert erweckte, war gigantisch. Liedgut und a-Moll-Sinfonie waren zu hören. Dirigent Petrenko erwies sich als Experte, der stringent die Umsetzung der Ausdrucksformen des Komponisten forderte. Das galt für den volkstümlich-lyrischen Grundton der "Rückert-Lieder", wie auch für die expressiven, dauernd wechselnden Thematik der sechsten Sinfonie Gustav Mahlers. Petrenko überzeugte durch souveräne Präzision. Er leitete sensitive Piano, forderte Lautstärke, bremste dynamisch und rhythmisch ab, ließ den Taktstock blitzen, um subito gestalterische Wendungen herbei zu führen und war in allen Phasen präsent, um eindrucksvoll differenzierte Plastizität erzeugen zu lassen.

Mit viel tiefem Empfinden gelang so die Begleitung der Rückert-Lieder, die durch beseelte Interpretationskraft der Solistin gewann. Obwohl im Vortrag schlicht, gelang Stella Doufexis eine überzeugende Wiedergabe. Das feine Timbre ihres Mezzo-Soprans vermittelte ein breites Spektrum an Empfindungen. Bewundernswert waren klare Aussprache und sensitive Text-Nähe, die besonders bei "Um Mitternacht" und "Ich bin der Welt abhanden gekommen" zur Geltung kamen.

Die stimmliche Differenzierung von tiefer Lage ("war angefacht um Mitternacht") oder hohen Anforderungen bei "Nicht konnt’ ich sie entscheiden" war perfekt. Religiöse Feierlichkeit schwang bei "In deine Hand ..." mit und als dynamischer Höhepunkt wurde "Du hältst die Wacht" angesteuert. Schließlich vermittelte sie das Gefühl von Gänsehaut beim Schlussvers von "Ich bin der Welt abhanden gekommen" entstehen – alles punktgenau wieder gegeben.

Mahlers sinfonisches Schaffen fand Befürworter und Gegner. Der Musikwissenschaftler Attila Csampaierkennt den inneren und äußeren Kampf Mahlers, seine seelische Zerrissenheit, aber vor allem den "objektiv-musikalischen Charakter" und den "rein musikalischen Konflikt auf satztechnischer Ebene".

Die Anforderungen an ein Orchester durch den egozentrischen Komponisten waren enorm. Weit über 100 Mitglieder zählte das Vorarlberger Ensemble. Hörnergruppe, Schlagwerk, darunter "ein Hammer" oder Bassinstrumente sprachen für sich. Das gesamte Orchester folgte den Vorgaben des Dirigenten, hielt 85 Minuten das explosiv geladene Werk durch, ließ Register präzise hören und überreichte gekonnte solistische Einzelleistungen (zum Beispiel Konzertmeister oder Holzbläser).

Mahler konnte als Magier der Orchesterfarben erlebt werden, die eine Palette von anmutigen Passagen, über von Kuhglocken erzeugter alpenländischer Idylle bis hin zu erschütternden Donnerschlägen hervor brachte und unausweichlich apokalyptisch-niederschmetternde Albträume hervor rief.

Die Wirkung blieb nicht aus: Spontaner, schier nicht enden wollender Applaus brandete Dirigent und Orchester entgegen.