Im Lärm-Streit um die Villinger Scheuer gibt der Folk-Club nun auf und will dort keine Konzerte mehr veranstalten. Foto: Eich Foto: Schwarzwälder Bote

Zankapfel: Verein zieht Konsequenzen aus dem Lärmstreit / Verhalten der Stadt sei ein Armutszeugnis

Villingen-Schwenningen. Rund um die Villinger "Scheuer" herrschte lange Zeit Krach – ein Anlieger fühlte sich von den Konzertveranstaltungen dort gestört. In der Folge zwang man die Veranstalter, Events um 22 Uhr zu beenden. Der Folk-Club wiederum konnte unter diesen Voraussetzungen seiner Tätigkeit nicht wirklich nachgehen. Jetzt zieht er daraus die Konsequenzen. In einer Vorstandssitzung beschlossen die Verantwortlichen, den Konzertbetrieb des Folk-Clubs in der Scheuer zum Ende diesen Jahres zu beenden.

"Dies ist keine Entscheidung die uns leicht gefallen ist, aber angesichts der derzeitigen Situation sehen wir keine Möglichkeit für eine Fortsetzung unserer Arbeit in der Scheuer", sagen Hans-Reinhold Ebers und Richard Hehn seitens des Vorstandes. Vor über zwei Jahren traten sie an die Öffentlichkeit, weil die Auflage, Konzertveranstaltungen um 22 Uhr zu beenden, "uns in unserer Existenz bedroht". Viel Zuspruch und Solidarität hat der Verein daraufhin erfahren, "durch unser Publikum und auch durch die meisten im Gemeinderat unserer Stadt vertretenen Fraktionen". Seitens der Stadtverwaltung wurde signalisiert, dass man nach einer Lösung suche. Es wurde angedacht, durch einen Umbau Konzerte ins Jugendhaus zu verlegen. Mehrmals wurde angekündigt, den Bau einer Lärmschutzwand zum angrenzenden Wohngebiet zu prüfen. "Nichts davon ist in diesen zwei Jahren passiert."

Schließlich beschränkten sich die Bemühungen der Kommunalverwaltung darauf, "uns nahezulegen, mit unseren Veranstaltungen doch in die neu zu bauende Halle am Klosterhof umzuziehen". Aber: Der Club sieht Konzertveranstaltungen, wie er sie anbietet, im Kernbereich einer lebenswerten Stadt – ebenso wie beispielsweise das Theater am Ring, die Tonhalle, die städtische Galerie oder die Kinos. "Die Idee, derartige Institutionen vom Stadtzentrum in die Industriegebiete an der Peripherie zu verschieben, ist schlichtweg unvorstellbar." Dass dies vom Folk-Club verlangt worden sei, "zeugt für uns von einem Unverständnis für die Arbeit, die wir in den vergangenen Jahrzehnten geleistet haben".

In der Scheuer enden Konzerte nun seit fast drei Jahren um 22 Uhr. Dies sorgt nicht nur bei unserem Publikum für Unverständnis und Kopfschütteln, sondern auch bei Künstlern. Bei fast jeder Veranstaltung werde das Thema auf der Bühne angesprochen. So widmeten beispielsweise die beiden kanadischen Liedermacher "Tentrees & Haldane" in dieser Woche ihre Zugaben den "very special music-lovers on the other side of that wall" und beendeten ihren Auftritt fristgerecht wenige Minuten vor 22 Uhr. Doch leider gelinge das nicht immer so reibungslos. Bei einem vom Folk-Club am 23. März veranstalteten Konzert kam es erstmals seit zwei Jahren zu einer Überschreitung der gesetzten Frist und das Konzert endete erst gegen 22.30 Uhr. "Daraufhin wurde uns seitens des Amtes für Jugend, Bildung, Integration und Sport, in dessen Zuständigkeitsbereich die Scheuer fällt, angedroht bei einer erneuten Überschreitung des Zeitrahmens die Nutzung der Scheuer durch den Folk-Club zu untersagen".

Dieses rigorose Vorgehen brachte für den Folk-Club das Fass zum Überlaufen: "Dies zeigt uns, dass man seitens der Stadtverwaltung offensichtlich nicht mehr an einer Lösung des Problems arbeitet (...), sondern dass wir mittlerweile zu einem nur noch lästigen Störfaktor geworden sind." Trotz aller Bemühungen könne der Verein nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, das es wieder zu einer Zeitüberschreitung kommen wird.

"Mit der überwältigenden Mehrheit der Anwohner im Bereich der Scheuer pflegen wir ein sehr gutes Verhältnis." Dass die geltende Rechtslage zum Lärmschutz es einer einzelnen Person ermöglichte, "eine über Jahrzehnte gewachsene, international anerkannte und geschätzte Kulturinstitution innerhalb kurzer Zeit zu zerstören, ist sicherlich bedenkenswert und kritikwürdig, juristisch anfechtbar ist es jedoch nicht".

Dem Verein sei bewusst, dass auch für die Verwaltung kein Spielraum bestehe, sicherlich gebe es aber die Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen, etwa in Form von baulichen Lärmschutzmaßnahmen. Die Position der Stadt, dass man hier "leider nichts machen könne", sei ein Armutszeugnis, so der Folkclub: "In letzter Konsequenz bedeutet es für uns aber nun ebenfalls, dass wir ›leider nichts mehr machen können‹ – zumindest keine Konzertveranstaltungen in der Scheuer."

Das Ende der Konzerte in der Scheuer bedeute nicht das Ende des Folk-Clubs. Als Verein bleibe er bestehen und bringe er sich aktiv in die kultur-politischen Diskussionen in Villingen-Schwenningen ein. Eine Rückkehr in die Scheuer sei nicht ausgeschlossen – falls dort etwa durch Lärmschutzmaßnahmen auch Veranstaltungen nach 22 Uhr wieder genehmigungsfähig werden. "Zum Ende diesen Jahres können wir damit also garantieren: Ab jetzt herrscht Ruhe in der Scheuer."

Die ehemalige "alte Scheuer", ein Lagerschuppen im Hinterhof des Jugendhauses Villingen, wurde 1976 von den Gründern des Folk-Clubs in Eigenarbeit renoviert, um einen Raum zu schaffen für ein Kulturangebot, das in dieser Form in VS nicht vorhanden war. Bereits wenige Jahre nach seiner Gründung erreichte der Folk-Club internationale Beachtung und wurde zu einer der ersten Adressen für diese Art von Musik in Europa. In den US-amerikanischen Regionen der Bluegrass-Kultur oder der New Yorker Songwriter Szene war Villingen damals bekannter als manche europäische Metropole. Ausländische Gäste oder Künstler waren jedoch immer wieder erstaunt, dass es sich beim legendären Villinger Folk-Club nur um eine Hinterhof-Baracke handelte. Nach jahrelangem Kampf erreichte der Folk-Club zusammen mit dem inzwischen hier ebenfalls ansässigen "Kommunalen Kino Guckloch" 1991 einen Neubau – die heutige Scheuer. Nach 42 Jahren und weit mehr als 1000 Konzertveranstaltungen wird der „Folk-Club Villingen in der Scheuer“ zum Ende diesen Jahres Geschichte sein.