Was ist hier Original und Kopie? Thomas Straub setzt sich in seinen "Rorschach-Tests" mit der Frage der Autorenschaft auseinander. Fotos: Simon Foto: Schwarzwälder-Bote

Ausstellung "hagulane" in der Galerie / Thomas Straub spielt mit den Wahrnehmungsgewohnheiten der Betrachter

Von Stefan Simon Villingen-Schwenningen. So viel Regionalität war selten in der städtischen Galerie anzutreffen, und dennoch werden die künstlerischen Positionen, ganz im Sinne von Hausherr Wendelin Renn, international reflektiert. Kunst ist ein weites Feld: Das demonstrieren die Arbeiten von Carolin Jörg, Jörg Obergfell, Natalie Obert, Olsen (Künstlername für Oliver Wolf), Thomas Straub und Thorsten Strohmeier. Die sechs Männer und Frauen, die alle in der Doppelstadt ihre Schulausbildung erfahren haben, leben und arbeiten nach ihrem Studium an verschiedenen Kunstakademien heute in Stuttgart, Berlin, London, Paris und Zürich.

Das Resultat bietet auf den zwei Etagen des Lovis-Kabinetts eine spannende Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst. Jede einzelne Position ist ein eigenständiger Kosmos, zusammen haben die jungen Künstler, die ihre Ausstellung unter dem Kunstnamen "hagulane" konzipiert haben, ein gemeinsames Werk entwickelt. In der Gemeinschaftsarbeit "Bibliothek" sind die privaten Lieblingsbücher und die Publikationen, die die Künstler während ihrer Jugendzeit in VS nicht finden konnten, versammelt. Bücher, die nun oft für ihre konzeptionellen Kunstwerke die intellektuelle Basis bilden. Wer daran gefallen findet, kann sich Seiten daraus kopieren. Der Kopierer erinnert an die Informations- und Materialknappheit der Akteure, die mit dem Aufwachsen auf dem Land oder der Kleinstadt einhergingen.

Wir stellen die sechs Künstler in einer kleinen Serie vor. – den Auftakt macht Thomas Straub.

In der gemeinsam gestalteten Bibliothek befindet sich auch ein Taschenbuch mit dem Titel "Lob der Profanierung" von Giorgio Agamben. Der Autor ist der Lieblingsphilosoph von Thomas Straub. So lohnt es sich, im Zuge der Auseinandersetzung mit den konzeptionellen Arbeiten Straubs einen Blick in das Buch zu werfen. So werden das Infragestellen und die Umkehrung von tradierten Denkmustern erklärbar. Es geht Straub auch darum, wie Wert den Dingen zugeschrieben wird. Das offensichtlich Außergewöhnliche neben das vermeintlich Alltägliche stellen oder das Unbenutzte neben dem Abgenutzten zeigen, aber dabei keine Wertung zu geben. Der Künstler spielt mit den Wahrnehmungsgewohnheiten der Betrachter, eröffnet eine neue Sicht auf Altbewährtes und schärft den Blick für Details, die den Dingen eingeschrieben sind. Aussagen, die in der Profanierung-Debatte durchaus weiterhelfen und die sich ebenso auf die vorerst nicht religiös motivierten Werkgruppen anwenden lassen. Denn schließlich sind die Grenzen zwischen Kultbild und Bild fließend.

So wie sich Thomas Straub Versatzstücke allgemein bekannter sakraler Bildwerke bedient und diese in einen neuen Zusammenhang stellt, bezieht sich seine Kunst im dem kaum überblickbaren Betriebssystem Kunst immer wieder auch auf Kunst. In diesem Kosmos tauchen kunsthistorische Wegmarken wie Hans Holbein der Jüngere, Albrecht Dürer, Kasimir Malewitsch, Andy Warhol oder Sol Lewitt auf. Er reduziert die kunsthistorischen Zitate auf ihre formale Ebene. Gegensätzlichkeiten werden mittels einer konzeptionell konkreten sowie narrativen Bildsprache neu ausgelotet. Das Offensichtliche und das Undurchsichtige erscheinen gemeinsam im Bild. So verbirgt sich Dürer hinter einem Schiebe-Deckel-Rahmen.

Auch in der Ikonen-Serie geht es dem Künstler im Wesentlichen um die Struktur, die sich hinter den Bildern verbirgt und die ihre eigene visuelle Präsenz entfalten. Indem er anerkannte Heilige oder profanierte wie die Modelle von Warhol ganz banal und offensichtlich aus Büchern kopiert und mit edlem Blattgold hinterlegt, unterwandert er das Prinzip ihrer vermeintlichen Immaterialität.

Schließlich gibt es noch die markanten Doppelungen, bei denen es auch um die Fragen nach Original und Autorenschaft und um die Auslotung von gegensätzlichen Polen geht. In dieser Werkgruppe wird am Beispiel eines Astes eine konkrete Form revidiert, indem sie spiegelbildlich kopiert wird. Der gefundene Ast wird möglichst exakt nachgeschnitzt. Original und Kopie stehen sich so als Zwillingspaar gegenüber. Wie in den Abklatschbildern des psychodiagnostischen Rorschach-Tests entfaltet sich in dieser Spiegelung ein psychologisches Moment.