Der "Fensterbohrer"-Einbrecher, der in der Region viele Wohngebäude heimsuchte, war bei seinen Taten mit einer ganz eigenen "Handschrift" unterwegs. Nachdem er im Anfang April 2017 gefasst worden sei, habe die Serie schlagartig aufgehört, sagen Ermittler. Soll heißen: Andere Täter kommen eigentlich nicht in Frage. Wegen seiner "feinen" Arbeitsweise fiel vielen Opfern das Eindringen in die Wohnung erst verspätet anhand feiner Späne auf. Foto: Geber Foto: Schwarzwälder-Bote

Prozess: "Fensterbohrer"-Einbrecher zeigt sich als unverbesserlicher Wiederholungstäter / Verhandlung vor dem Landgericht

"Sie brauchen keine Angst mehr zu haben. So etwas wird nicht mehr geschehen." Zigmal kommt es dem Angeklagten floskelhaft so über die Lippen, wenn gerade Betroffene als Zeugen befragt worden sind. Der 52-Jährige ist von Beruf Einbrecher. Und das mit einer nicht zu bremsenden Leidenschaft.

Schwarzwald-Baar-Kreis. Wenn derzeit vor der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Rottweil ein Prozess wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zwischen September 2016 und April dieses Jahres in den Kreisen Rottweil, Freudenstadt, Offenburg, Konstanz, Sigmaringen und Schwarzwald-Baar über die Bühne geht, sitzen neben dem Hauptangeklagten zwei weitere Beschuldigte wie auf einem Arme-Sünder-Bänklein. Diese beiden – ein kroatisches Ehepaar mittleren Alters – sollen mit Fahrdiensten für den 52-Jährigen tätig gewesen sein. Wie sie in die kriminellen Machenschaften hineingeschlittert sind, bleibt erst einmal offen. Im bisherigen Prozessverlauf dreht sich nämlich fast alles um das Leben und Treiben des Hauptangeklagten.

Mit leidender Miene und blassem Gesicht verfolgt der Mann akribisch wie ein Buchhalter, wenn eine riesen Latte an Vorstrafen verlesen wird. In absoluter Hochform muss der Einbrecher mit dem Markenzeichen "Fensterbohrer" zum Beispiel im Sommer 2007 gewesen sein. Innerhalb von vielleicht zehn Wochen soll er in Österreich – vornehmlich in den Räumen Bregenz und Linz – 150 Einbrüche begangen haben. Bis zu vier pro Nacht wurden ihm 2008 in der Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts Innsbruck zugeschrieben. Die Beute konnte auch mal nur aus einem Fünf-Euro-Schein bestehen. Geschmeidig ging es dann halt zur nächsten "Arbeitsstätte". Sechs Jahre Haft waren die Quittung.

Als er im September 2011 wieder auf freien Fuß kommt, heiratet der damals 46-Jährige in seiner Heimat Kroatien und zeugt ein Kind. Im Dezember 2011 wandert er dann aber schon wieder in den Knast. Dieses Mal für vier Jahre im schweizerischen Thurgau.

Von den etwa 60 Fällen, die der Anklage für das jetzige Gerichtsverfahren zugrunde gelegt waren, halten Kammer und Staatsanwaltschaft noch etwa 30 "im Spiel". Zwecks stringenter Beweisführung – der Angeklagte bedeutet, sich bei weitem nicht an alle "Hausbesuche" erinnern zu können – und weil "der weggelassene Rest" sich strafmäßig nicht mehr entscheidend auswirken würde.

Dass er seinem "Handwerk" heimlich, still und leise nachging, bescheinigen ihm alle Betroffenen. Dass er sich schnell aus dem Staub machte, wenn es – in seltenen Fällen – eine Begegnung mit völlig verängstigten Heimgesuchten gab, ebenfalls.

Als "Gentleman"-Räuber, der niemandem etwas zu Leide tun könnte, wird er von Betroffenen dennoch nicht angesehen. Ein Fremder geistert auf der Suche nach Geld, Uhren und Schmuck in der eigenen Wohnung, im eigenen Haus herum, ist eine Vorstellung, die den Schreck tief in die Glieder fahren lässt. Verarbeitet werden solche Geschehnisse ganz unterschiedlich. Manche leiden ziemlich lang unter dem traumatischen Erlebnis. Andere zeigen sich mental robuster. Die meisten aber rüsten auf, machen ihr Haus einbruchsicherer.

Ein Einbruch in der Nacht zum 20. Dezember in ein Friseurgeschäft in einer größeren Rottweiler Kreisgemeinde sticht aus den sonst strikt nach dem selben Muster (ein zehn Millimeter großes Loch wird durch ein Holzfenster oder die Terrassentür gebohrt, um dann mit einem stabilen Draht die Öffnung zu bewerkstelligen) ablaufenden Räuber-Szenario heraus. Während der Eindringling sich sonst ziemlich laut- und spurlos teilweise reihenweise in den Anwesen von Wohngebieten zu schaffen macht und behutsam (die Schublade wird meist wieder sorgsam zugezogen) nach Wertsachen grapscht, ist wenige Tage vor Weihnachten der Friseursalon das Ziel seiner Begierde, in der seine mitangeklagte Bekannte seit kurzer Zeit arbeitet. Wenige Tage vorher hätten deren ebenfalls als Helfer angeklagte Ehemann und der Hauptangeklagte an ihrem Arbeitsplatz vorbeigeschaut, sagt die Friseurmeisterin als Zeugin. Ganz dreist sei es natürlich gewesen, dass sich das Trio wenige Tage nach dem Einbruch in ihrem Geschäft nochmals zu einem Smalltalk, in dem auch der kriminelle Vorfall so nebenbei thematisiert worden sei, zusammengefunden habe, konstatiert die Bestohlene im Nachhinein. Einige Wochen nach dem Einbruch habe sie in einem Zeitungsbericht über die Machenschaften eines aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden 51-Jährigen gelesen und eins und eins zusammengezählt.

In dem Verfahren, das am 2. November fortgesetzt wird, ist auch ein psychiatrischer Sachverständiger gefragt.