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Porträt / Ulrike Lichte kümmert sich ehrenamtlich um Familien

Ihre Stärke sind ihre Ruhe und Ausgeglichenheit. Ulrike Lichte behält den Überblick, auch wenn es an den drei Nachmittagen in der Woche, an denen sie den ProKids-Treff in Schwenningen öffnet, rund geht.

VS-Schwenningen. "Kinder sind mein Hobby", sagt die 71-Jährige, die sich zusammen mit ihrem Mann Karl-Henning seit Jahren ehrenamtlich um Familien kümmert, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Sie hat zu Kriegsende erfahren, was es heißt, Flüchtling zu sein, als junge Ehefrau und Mutter auch das Gefühl der Existenzbedrohung erlebt. Sie weiß also, wie es in den Herzen und Köpfen der Menschen aussieht, denen sie zusammen mit einem kleinen Team helfend zur Seite steht.

Ulrike Lichte wird in Wertheim am Main geboren, zieht mit ihrer Familie bald nach Kehl. 1945 muss man aus der französisch besetzten Zone flüchten, kann aber bald wieder nach Hause zurückkehren. Sie besucht das Gymnasium, erlernt in Karlsruhe den Beruf der Medizinisch-technischen Assistentin (MTA) und beginnt danach in einem experimentellen Labor der Humangenetik an der Uniklinik Heidelberg mit ihrer Arbeit, den damaligen Anfängen der Krebsforschung. Dort lernt sie ihren späteren Mann, den Doktoranden Karl-Henning Lichte kennen und lieben.

Sie kämpfen für das Kinderkrankenhaus

1968 wird geheiratet. Ein Jahr später geht das junge Paar nach Gießen, baut ein Humangenetisches Institut auf und kehrt nach Heidelberg zurück. Der erste Sohn kommt zur Welt, eines von drei leiblichen und einem adoptierten Kind der Lichtes.

1975 wird in Villingen-Schwenningen für das Kinderkrankenhaus St. Franziskus (heute Alten- und Pflegeheim in der Neckarstraße) ein leitender Arzt gesucht. Karl-Henning Lichte erhält die Stelle und Ulrike Lichte arbeitet mit.

Ihre Stärke ist es, auch die allerkleinsten Kinder so zu beruhigen, dass man von ihren Köpfen das sensible Elektro-Enzephalogramm (EEG) schreiben kann. Auch im angeschlossenen "Kinderzentrum für Sozialwaisen" ist Ulrike Lichte damals tätig.

Zu einem Politikum wird die Schließung des Hauses 1986. Zwei Kinderkliniken in einer Stadt – das kann und soll nicht sein. Patienten der auf angeborene Erbkrankheiten spezialisierten und weit über die Region hinaus bekannten Kinderneurologie gründen eine Bürgerinitiative – umsonst.

"Uns wurde der Boden unter den Füßen weggezogen", erinnert sich Ulrike Lichte ungern. Sogar ans Auswandern nach Griechenland wird gedacht. Doch die Lichtes bleiben der Stadt treu und gründen eine Kinderarztpraxis in der Alleenstraße, die sie gemeinsam bis 2003 betreiben.

Eine Autoimmunerkrankung von Ulrike Lichte – "ich nehme jeden Tag Cortison" – gibt den Ausschlag für den vorgezogenen Eintritt in den Ruhestand. Danach bleiben der Garten und die wachsende Schar der Enkel – heute sind es fünf – dennoch nicht die einzigen geliebten Hobbys von Ulrike Lichte.

Sie hilft bei der Gründung der "Tafel" in Schwenningen. Dort sieht sie jeden Tag Kinder, "denen man die Armut vom Gesicht ablesen kann", sagt die zierliche Frau. Ihnen zu helfen, das wird fortan ihre wichtigste Aufgabe.

Zuerst über das Kinder- und Familienzentrum der Franziskanerinnen in Heiligenbronn, inzwischen mit der ProKids-Stiftung von Joachim Spitz als Träger, zieht Ulrike Lichte in den Kampf gegen die Armut von Familien mit Kindern. Diese finden an den dreimal wöchentlich stattfindenden Nachmittagen im "Spektrum" in der Schwenninger Alleenstraße nicht nur Ansprache und Trost, sie erhalten auch konkrete Hilfe in Form von Kleidung, Spielzeug und Mobiliar, werden bei Behördengängen begleitet und beim Ausfüllen von Formularen unterstützt.

Die Resonanz wächst mit der sozialen Not, Stadt und Gemeinderat anerkennen die Arbeit der Lichtes, indem sie die Räumlichkeiten im Jugendhaus Spektrum kostenfrei zur Verfügung stellen. Auch Jugendamt und Jobcenter sitzen mittlerweile mit im Boot.

"Ich müsste 20 Jahre jünger sein"

Der Wunsch nach einer Ausweitung des sozialen Angebotes auf den Stadtbezirk Villingen wird ausgesprochen, doch "dafür müsste ich 20 Jahre jünger sein", sagt Ulrike Lichte bedauernd.

Der aktuelle Flüchtlingsstrom hat die wöchentliche Zahl der Besucher noch einmal ansteigen lassen – "sie kommen aus dem ganzen Kreis", hat sie festgestellt.

Auch wenn sie von den Bedürfnissen vor allem der Kinder "aufgefressen" wird – sich um sie zu kümmern, ist und bleibt ihr vordringliches Anliegen. Dafür verzichten sie und ihr Mann gerne auf all die Dinge, die andere Ehepaare ihres Alters gerne tun.

"Unser Hobby sind halt die Kinder", sagt Ulrike Lichte und strahlt dabei Kraft und Zuversicht aus.