Begehbare Herzmodelle halfen, das vom Kardiologen Werner Jung Gehörte anschaulich nachzuvollziehen. Foto: Heinig Foto: Schwarzwälder-Bote

Werner Jung eröffnet Vortragsreihe "story VS" mit faszinierendem Vortrag über Funktion des Herzens

Von Birgit Heinig

Villingen-Schwenningen. Der Auftakt zu Michael Hoyers "story VS"-Vortragsreihe in der Neuen Tonhalle war am Donnerstag einmal mehr ein medizinisches Abenteuer. Werner Jung, den Chefarzt der Kardiologie am Schwarzwald-Baar-Klinikum, schloss das Publikum ins Herz.

Der vom Förderverein des Klinikums initiierte Vortrag erfreute sich großer Beliebtheit – die Neue Tonhalle war voll besetzt. Im Foyer standen begehbare Herzmodelle bereit, die nach Vortragsende das Gehörte nachvollziehbar zu machen halfen. Und das war notwendig, denn trotz aller Bemühungen Jungs, seine Kunst dem Laien verständlich zu machen, waren die Ansprüche an die Zuhörer groß.

Als "Wunderwerk der Evolution" schlägt das Herz während eines Menschenlebens drei Milliarden Mal. Bei vielen nicht ohne Holperer: 745 Menschen erleiden in Deutschland pro Tag einen Herzinfarkt, 300 sterben am plötzlichen Herztod. Damit ist die Störung des "magischen Muskels" die häufigste Todesursache, noch weit vor allen Krebsarten zusammen. Die Aufmerksamkeit war Jung also sicher. Das Fatale am Herzinfarkt: Jeder dritte Betroffenen hat zuvor keine Symptome. In bundesweit 100 000 Fällen pro Jahr endet der Infarkt tödlich. Den Überlebenden helfen Herzkatheter und Metallstützen (Stents), die die verstopften Gefäße wieder aufdehnen. Die neueste medizintechnische Errungenschaft ist hierbei ein Stent, der sich nach zwei Jahren im Körper auflöst. Noch übernehmen die Kassen die Kosten von 3500 pro Stent nicht, sagte Jung.

Auch für Jungs Leidenschaftsthema, die Herzrhythmusstörungen, geht der Fortschritt weiter. Elektrodenlose Herzschrittmacher sind Wunderwerke von der Größe einer Tintenpatrone, die über Katheter in der Spitze der rechten Herzkammer platziert werden. Die unschöne "Dose" unter der Haut am Schlüsselbein entfällt. Dem plötzlichen Herztod begegnet der Spezialist Jung mit implantierbaren Defibrilatoren, die bei Kammerflimmern Stromstöße abgeben und so den Herztakt wieder richten. Patienten werden online überwacht, was im Notfall schnelle Hilfe bedeutet. Das Publikum staunte, als Jung einen Defibrilator der Generation 1990 in der Größe einer Butterdose zeigte: Nur 20 Jahre später sind sie auf Streichholzschachtelgröße geschrumpft.

Auch bei den Herzklappen hat sich viel getan: Inzwischen könne man diese ebenfalls mittels Katheter einführen. Die Herzoperation wird überflüssig. Jung gab hierzu kurz den Blick hinter die medizinischen Kulissen frei und erwähnte, dass diese Innovation unter Herzspezialisten nicht ganz unumstritten sei – aus egoistischen Gründen: "Damit entreißen wir den Herzchirurgen ein weiteres Einsatzfeld". Bei hartnäckigem Bluthochdruck gibt es neuerdings die Möglichkeit, Nervenfasern in der Niere zu veröden. Jungs Begeisterung für seinen Beruf war spürbar. Seiner Dankbarkeit für die innovativsten, roboterunterstützten Katheterlabore im neuen Klinikum, mit der VS jetzt weltweit an der Spitze agiere, gab er Ausdruck und vergaß auch sein "tatkräftiges" Team nicht. Den "idealgewichtigen Sportler, Antialkoholiker, Vegetarier, Nichtraucher mit Blutniederdruck und ohne Stress, der von seiner Familie geliebt und von seinem Chef auch mal gelobt wird", werde er wohl nie in seiner Klinik sehen, sagte Jung am Schluss und witzelte: "Ob der aber Spaß am Leben hat?"