Gunnar Frey (links) und Simeon Disch sind vermutlich die größten Plattenfans in Villingen. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder-Bote

Gunnar Frey und Simeon Disch erklären den Kult rund um Vinyl / Plattensammeln ist eine Leidenschaft

In Zeiten, in denen es ganz einfach ist an Musik zu kommen und diese auch mobil zu hören – etwa über Downloads, Streamingdienste oder schnell vervielfältigbare MP3s – ist es vor allem für die jüngeren Musikhörer unvorstellbar, dass man bis vor 35 Jahren Musik fast ausschließlich auf großen, sperrigen, meist schwarzen runden Scheiben zu Hause hören konnte. Dennoch erlebt die einst totgesagte Schallplatte in den vergangenen fünf Jahren ein kleines Revival. Immer mehr Musikliebhaber lernen den antiquierten Tonträger zu schätzen – und das nicht nur die, die mit der Schallplatte aufgewachsen sind.

Vinyl die Treue gehalten

Simeon Disch und Gunnar Frey sind Plattenfans mit Leib und Seele. Frey betreibt seit 16 Jahren den Schallplattenladen Soundsystem in der Färberstraße. "Ich bin Vinyl immer treu geblieben", meint der 38-Jährige. In seiner Jugend war die CD gerade dabei, die Schallplatte als Hauptmusikmedium zu verdrängen. Zu der Zeit seien CDs und die dazugehörigen Player allerdings teurer gewesen als Schallplatten. Ein Plattenspieler stand damals noch im elterlichen Wohnzimmer.

Simon Disch hingegen ist mit Kassetten und CDs aufgewachsen. Als er mit 14 Jahren, Anfang der 2000er, seine erste Schallplatte kaufte, war das Medium totgesagt. Obwohl der 28-Jährige eher der Generation "Digital Natives" zuzuordnen ist, kommt für ihn kein anderer Tonträger in Frage. "Bei mir zu Hause steht in fast jedem Zimmer ein Schallplattenspieler. Downloads und auch unterwegs Musikhören mit kleinen Kopfhören ist für mich ein No-Go."

Rockklassiker sind beliebt

Gunnar Frey kennt als Plattensammler und als Plattenverkäufer beide Seiten der Ladentheke. Als "Soundsystem" vor 16 Jahren, damals noch im alten Kienzleareal, eröffnete, waren die Schallplatten immer noch totgesagt. Einige hartnäckige Plattenliebhaber zählte damals zu seiner Kundschaft und eben Fans unpopulärer Musik. "Es gab an sich drei Subkulturen, die Vinyl am Leben gehalten haben: Punk, Techno und etwas Hip Hop", weiß Frey. Heute werden im Laden am stärksten die Rock-Klassiker nachgefragt: Pink Floyd, Beatles, Rolling Stones, Dire Straits. Sammler kaufen vor allem Jazz, Blues und Soul. Was heute anders ist als damals: Früher seien keine Teenager in den Laden gekommen, um Platten zu kaufen.

Aber was macht die Schallplatte in Zeiten wie heute auch für junge Menschen so faszinierend, wenn man doch weitaus günstiger und schneller im Internet an Musik kommt? "Ich glaube das hat auch was mit Romantik zu tun", meint Frey. "Für manche ist es auch wie Wellness. Man hört Platten nicht einfach nebenher, man nimmt sich Zeit dafür, man zelebriert das richtig." "Ich glaube, das steckt auch die Sehnsucht dahinter, etwas Entschleunigendes zu haben in einer sonst so schnellen Welt, wo alles einen hohen Verfallswert hat", ergänzt Disch. Zudem strahle der Sound, den die Platten von sich geben, etwas Unperfektes aus, und kreieren so eine warme, angenehme Stimmung.

Disch hat seine Platten noch nie gezählt, schätzt aber, dass es mittlerweile um die 3500 Stück sind. Manche darunter stehen doppelt im Regal. Schließlich achte ein Sammler wie Disch auf die kleinen Unterschiede wie Erstpressung, Special Editionen oder die verschiedenen Länderversionen einer Platte. Hergeben würde er dennoch niemals auch nur eine davon. "Für kein Geld der Welt, nicht einmal eine", bestätigt der 28-Jährige. Frey sieht das etwas gelassener. Seine private Sammlung beträgt stets rund 1000 Stück. Neue kommen immer wieder dazu, dafür entrümpelt er auch allerdings regelmäßig.

Plattensammeln, das macht für Frey und Disch eine gewisse Leidenschaft aus. "Das Warten, das Suchen nach einer begehrten Schallplatte und die Sammlung komplett machen zu wollen, machen den Reiz aus", meint Disch. Das Objekt der Begierde einfach online bestellen? Unvorstellbar für Disch. Schließlich gehöre der Findungsprozess mit zum Sammeln. In Gunnar Freys Laden fühlt sich der 28-Jährige wie zu Hause. Aber er unternimmt auch regelmäßig Ausflüge in andere Städte, um dort die Plattenläden zu erkunden. "Eine Platte zu entdecken ist ein tolles Gefühl. Der Suchprozess dauert länger und so ist die Freude groß, das Ding irgendwann mal in den Händen zu halten. Man hat dann schon so ein bisschen das Gefühl, einen Schatz gefunden zu haben."

Jedes Cover ein Kunstwerk

Dadurch wissen Plattensammler ein Exemplar besonders zu schätzen: "Zu jeder Schallplatte hat man eine persönliche Bindung. Man weiß immer genau wann, wo und wie man zu einer Platte gekommen ist", meint Frey. "Für mich ist meine Sammlung auch eine Art Lebensbiografie. Man weiß immer in welcher Zeit man welche Platte gekauft hat und wie die Lebensumstände waren, als man auf eine bestimmte Band oder Musikrichtung stand."

Eine weitere Eigenschaft, die Internetdownloads und Streamingdienste nie ersetzen könnten, seien die meist aufwändig gestalteten Cover. Disch sieht ein Plattencover als ein Stück Kunst. Seine optischen Lieblingsstücke zieren bei ihm zu Hause die Wände.

Für Simeon Disch, der eigentlich Lehrer ist, spielen die schwarzen Scheiben auch beruflich eine Rolle. Als Peter Tröte Surd und als Pierre Torpille Shellac legt er im klassischen Sinne auf – und zwar Schallplatten, wie früher. Bei Auftritten mit dabei hat er immer Kisten und Koffer voller Vinyl. "Da steckt noch richtige Arbeit dahinter", merkt Disch an. Zwei Plattenspieler sind mit einem Mischpult verbunden, das stecke mehr Handwerk dahinter als hinter digitalen Playlisten. Hierbei ist es wichtig, vor der Party eine Auswahl an Platten zu treffen.

Als beide Sammler zum Schluss ihre Lieblingsplatte benennen sollten, grübeln sie: "The Sweetest Sound" von Elsie Bianchi von 1965 ist der Schatz von Gunnar Frey, wegen des Bezugs zu Villingen. Diese Platte gelte als eines der begehrtesten Stücke von Saba. Und eben diese Platten, die für ihn eine besondere Geschichte erzählen, wie beispielsweise die alten Beatles-Platten von seinem Vater.

Disch entscheidet sich nach langem überlegen für "Fremd im eigenen Land" von der deutschen Hip Hop Band Advanced Chemistry von 1995. "Weil es einfach ein Klassiker der Hip Hop Geschichte ist und als Platte sehr rar ist."