Anschlagsserie setzt sich fort: Neuer, fünfter Fall / Rockerähnliche Gruppen drängen nach VS / Konkurrenz-Gebaren?

Von Cornelia Spitz und Verena Schickle

Villingen-Schwenninigen/ Rottweil. Die Anschläge haben System: Unbekannte haben einen Säureanschlag auf ein Trossinger Tätowierstudio verübt. Es ist der fünfte in einer Reihe, die in Oberndorf ihren Anfang nahm und sich auch auf zwei Studios in Schwenningen ausgeweitet haben soll. In der Oberndorfer Oberstadt hängt der faule Geruch eines Säureanschlags in der Luft: Unbekannte haben in der Nacht zuvor eine Flasche mit Buttersäure in ein Tattoo-Geschäft geworfen. "Meine Existenz ist jetzt kaputt", sagt der Inhaber, ein Mittdreißiger. Das war Anfang November 2012. Gut ein Jahr später gibt es das Studio längst nicht mehr, die verunreinigten Räume stehen noch immer leer und ein weiterer, der insgesamt fünfte, Anschlag dieser Art hat sich ereignet.

Diesmal traf es einen Tattoo-Laden in Trossingen. In der Nacht auf den 8. November, zwischen 2 und 3 Uhr haben unbekannte Täter einen Säure-Anschlag auf ein Studio in der Hauptstraße 18 verübt. Das teilte die Polizei gestern mit. Das Vorgehen gleicht dem in Oberndorf: Laut Polizei warfen Unbekannte mit einem Stein die Fensterscheiben ein und versuchten, den Laden mit einer übelriechenden Flüssigkeit zu zerstören.

Seit geraumer Zeit untersuche die Ermittlungsgruppe Leder bei der Kriminalpolizei Rottweil die Anschläge auf Tattoo-Studios: Der erste war im Juni 2012, bereits auf den Oberndorfer Laden. Damals hatten die Täter "nur" einen Stein durch eine Schaufensterscheibe geworfen. Dann folgte die November-Attacke, vorigen August und jetzt im November traf es zwei Schwenninger Studios. Sie kamen glimpflich davon: Bisher flogen nur Steine.

Aufgrund der Vorgehensweise sieht die Polizei einen Tatzusammenhang. Sie vermutet einen Konkurrenzkampf, bei dem es um Vormachtstellungen und Gebietsaufteilungen in der Szene geht. Ziel sei die "Ausschaltung der Konkurrenz", sagt ein Polizeisprecher. Mit Buttersäure verunreinigte Räume sind lange Zeit nicht nutzbar.

In der Szene geht die Angst um. "Ich hab schon Schiss irgendwie", sagt eine Tätowiererin aus dem Landkreis Rottweil. Und es werde spekuliert: Sind es Neider, Idioten oder gar Banden? Oder stecken gar Rockergruppen, etwa die Black Jackets dahinter? Konkrete Hinweise darauf gebe es nicht, erklärt der Polizeisprecher. "Aber möglich ist in dem Fall alles."

Thomas Besch war Tätowierer der ersten Stunde, er habe vor 13 Jahren in Schwennningen das erste richtige Studio eröffnet. Konkurrenzkämpfe als Motiv für die Anschläge in Villingen-Schwenningen schließt er, anders als die Polizei, aus – "komplett". "Der Markt ist stark, je mehr Mitbewerber ich habe, umso besser geht es mir, und es hat noch nie so viele Studios gegeben wie jetzt." Zwei in Spaichingen, drei in Trossingen, sechs in VS – in der Szene sei mächtig was los. Und auch im Rockermilieu, meint Besch. "Die wollen alle Fuß fassen, Freudenhäuser und Tattoo-Läden, das sind die üblichen Geschäfte."

Wie der Hase dort läuft, weiß er aus eigener Erfahrung: "Ich war früher mal bei den wilden Jungs", gesteht er – und er selbst habe vor zehn Jahren unangenehme Erfahrungen mit einer rockerähnlichen Gruppierung gemacht, "aus der jugoslawischen Ecke". "Ich hatte am Anfang auch viele Probleme." Diese Gruppierung hätte versucht, ihn zu erpressen, doch er wusste offenbar sich zu wehren. Black Jackets, United Tribunes, die Banditos in Singen, "und ich habe jetzt gehört, die Mongos wollen hier was machen". Sogar aus dem Raum Herrenberg gebe es seines Wissens nach Strömungen in die Region. "Es ist sehr viel Bewegung drin, auch hier in der Stadt", sagt Besch mit Blick auf VS.

Dass solche Gruppierungen Betreiber von Tattoo-Studios gezielt "einschüchtern", die Läden vielleicht sogar "übernehmen wollen", sei möglich, doch seine Theorie, was hinter den Anschlägen steckt, ist eine andere: "Ich glaube, es geht um alte Rechnungen", möglicherweise sei der eine oder andere Mitglied einer rockerähnlichen Gruppierung und missbrauche diese Macht nun im persönlichen Disput.

Ganz unberührt lassen Thomas Besch die Ereignisse in der Tattoo-Welt aber nicht. Im Ernstfall sei man mit einer Kamera im Studio vielleicht auf der sichereren Seite, überlegt der Tattoo-Künstler und setzt hinzu: "Ich bin auch am überlegen, ob ich eine Kamera hertue, einfach, dass man dann wenigstens einen Beweis hat."

Baden-Württemberg

Weitere Informationen: Die Polizei sucht Zeugen für den Anschlag in Trossingen. Hinweise nimmt jede Dienststelle an. Anonymes Hinweistelefon: 0741/ 46794