Freundlich, verständnisvoll, geduldig: Die menschliche Seite im Umgang mit Patienten spielt eine besonders wichtige Rolle. Foto: Schwarzwälder Bote

Beruf: Claudia Haller macht mit 49 Jahren ihre zweite Ausbildung in der Pflege / Die Arbeit ist herausfordernd, aber erfüllend

Sie wollte raus aus dem Büro und etwas Sinnvolles, Erfüllendes tun: Vor etwas mehr als einem Jahr hat Claudia Haller aus Villingen-Schwenningen ihren Job als Justizfachangestellte am Amtsgericht aufgegeben und sich entschlossen, neue Wege zu gehen. Nun drückt die 49-Jährige wieder die Schulbank – mit einer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin lebt sie ihren Traum. "Es war die richtige Entscheidung, ich würde es jederzeit wieder machen", sagt Haller heute.

Eine gehörige Portion Mut habe sie damals der Schritt gekostet. "Ich habe aber zu mir gesagt: Ich kann ja nichts verlieren, ich probiere das mal aus." Auch die meisten Bekannten, Familie und Freunde hätten sie unterstützt. "Ein paar wenige haben gesagt, ich sei verrückt", erzählt sie schmunzelnd. Sie selbst habe von Anfang an intuitiv gewusst, dass dieser Beruf der richtige für sie ist. Und: "Hier merkt man ziemlich schnell, ob man es liebt", weiß Haller.

Die 49-Jährige liebt es ganz bestimmt, das hört man aus jedem Satz heraus. "Die Arbeit ist abwechslungsreich, man trifft jeden Tag neue Menschen, und kein Tag verläuft wie der andere", schwärmt Haller. In ihrer Klasse – die Ausbildung macht sie an der Pflegeschule am Schwarzwald-Baar-Klinikum – ist sie mit ihren 49 Jahren eher eine Ausnahme: Die meisten Schüler, die im Kurs sitzen, sind zwischen 17 und 25. "Natürlich ist es stressig, nochmal eine zweite Ausbildung zu machen und einen ganz neuen Beruf zu erlernen. Aber ich mache es ja freiwillig", meint sie. Ihre reiche Lebenserfahrung helfe im Theorieunterricht nur wenig, gibt Haller zu. Sie muss sich ihr Wissen hart erkämpfen. "Anatomie, Medizin – es ist wirklich viel Stoff. Und sich zwei Tage vor der Klausur mal schnell alles merken – das funktioniert bei mir nicht." Haller ist eine fleißige Schülerin, sie gibt sich Mühe – und freut sich, bei den praktischen Einsätzen auf den Klinikstationen das Gelernte intensiv üben zu können.

Ich begleite Haller bei ihrer Arbeit in der Allgemeinen und Viszeralchirurgie (AVC). "Wenn man mehrere Wochen da ist, bekommt man gute Einblicke", sagt sie. Haller fühlt sich auf der Station mittlerweile ziemlich sicher, sie kennt die Abläufe und tritt souverän auf. "Am Anfang war es für mich besonders schwierig, mir die Namen der Patienten, ihre Diagnosen und Besonderheiten zu merken", erinnert sich die 49-Jährige. Wer hat welches Zimmer? Wer wird heute entlassen? "Mit jedem Einsatz fällt es immer leichter. Aber ich weiß, man muss immer weiter dazulernen."

Heute zeigt ihr die Praxisanleiterin Beate Loubet, wie man eine Infusion vorbereitet. Sie erklärt zuerst die einzelnen Schritte, dann macht die Auszubildende es allein. Flächendesinfektion, Händedesinfektion – das ist ganz wichtig, auch wenn es nur eine Übungsaufgabe ist. "Fein", lobt Loubet. Sie ist mit ihrer Schülerin sichtlich zufrieden. "Ich habe ungefähr 20 Schüler im Monat zu betreuen. Das Ziel ist, dass die Auszubildenden das in die Praxis umsetzen, was sie im theoretischen Unterricht gelernt haben", erklärt Loubet.

Verbandswechsel, Pflege vor und nach Operationen, Umgang mit bauchchirurgischen Patienten – das alles sind Themen, die die Pflegeschüler auf der Station AVC lernen. Hier darf man keine Berührungsängste haben. Extrem wichtig sei es aber, nicht nur den Körper, sondern auch die Seele des Patienten im Blick zu haben, sagt Haller. "Die soziale Ader muss man für diesen Beruf unbedingt mitbringen, aber auch viel Geduld, Entspanntheit, Fleiß und Flexibilität", weiß sie. Das klingt ganz schön anstrengend, und auch die Verantwortung im Job ist groß. "Aber man bekommt so viel zurück. Ein Dankeschön, ein Blick, ein Lächeln – da hat man sofort das Gefühl, viel Gutes getan zu haben", erwidert Haller. "Richtig schöne Momente erlebe ich jedes Mal, wenn es einem Patienten besser geht und er sich bedankt."

"Es ist ein Beruf, den ich auch nach 25 Jahren noch liebe", fügt Loubet hinzu. Sie weiß, dass sich in dieser Zeit auch einiges verändert hat: "Die Arbeit ist viel rückenschonender geworden. Man muss natürlich mit anpacken, aber es gibt zum Beispiel sehr viele Hilfsmittel zur Mobilisation und höhenverstellbare Betten. Auch neue Standards fließen ständig in die Pflege mit ein. Und es wird immer mehr am Computer gemacht."

Haller vergleicht die Arbeit mit ihrem früheren Job: "Körperlich ist es hier auf jeden Fall anstrengender als im Büro. Man ist permanent in Bewegung. Ich glaube, 11 000 bis 12 000 Schritte pro Schicht sind schon normal."

Aber auch die psychische Belastung gehört in der Pflege dazu: Man braucht nicht nur eine gute Fitness, sondern auch starke Nerven. Regelmäßig wird man mit Krankheit, Schmerz und auch Tod konfrontiert. "Damit muss man umgehen können, daran wird auch im Unterricht gearbeitet", erklärt Loubet. Haller meint: "Ich kann mir vorstellen, dass es nicht immer einfach ist, in solchen Situationen abzuschalten und abzuschließen, indem man seine Arbeitskleidung auszieht." Trotzdem überwiegen für die 49-Jährige die schönen Seiten des Berufs. Auch die Aufstiegschancen seien in der Pflege heute sehr gut, zahlreiche Weiterbildungen in verschiedenen Fachbereichen bis hin zum Studium seien möglich, erklärt Jochen Behret, Leiter der Pflegeschule.

Haller weiß noch nicht, wofür sie sich am Ende entscheidet: "Es ist noch offen, denn ich werde viele Stationen noch kennenlernen. Bis jetzt hat es mir in der Kardiologie besonders gut gefallen."

Insgesamt 160 Auszubildende lernen in sieben Kursen an der Pflegeschule am Schwarzwald-Baar-Klinikum in VS ihr Handwerk. Schulleiter Behret sagt: "Ich finde die Arbeit wunderschön interessant. Auch was man zurückbekommt – das ist eigentlich das Salz in der Suppe bei diesem Beruf. Diese Faszination will ich natürlich auch weitergeben."