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Brisantes Detail um zweiten Prozess wird bekannt. Skandalträchtiger Auftrag in Villingen-Schwenningen.

Villingen-Schwenningen - Es ist der Stoff für einen Wirtschaftskrimi und ein waschechter Skandal: An das Sicherheitsunternehmen, dessen Mitarbeiter die Handgranate auf das Gelände der Flüchtlingsunterkunft in der Dattenbergstraße geworfen haben soll, soll schon Geld geflossen sein, ehe es überhaupt offiziell genehmigt war.

Am Rande des Handgranatenprozesses vor dem Landgericht in Konstanz wurde am Donnerstag ein äußerst brisantes Detail über ein anderes, noch laufendes, zweites Verfahren bekannt. Es heißt "Verfahren Rubel" – und die Ermittlungen laufen noch auf Hochtouren.

Ein Ermittler der Kriminalpolizei packte im Zeugenstand aus: Die Firma sei am 14. November 2015 durch die Stadt Villingen-Schwenningen als Bewachungsfirma genehmigt worden – "aber sie hat ab Mitte August bis zur tatsächlichen Genehmigung im November schon gearbeitet" und Aufträge übernommen, quasi als Subunternehmen eines anderen Auftragnehmers, so der Kriminalpolizist. Dazu gehörten laut Zeugenaussage auch Bewachungsdienste an der Bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge, kurz Bea, in Villingen. Das Villinger Unternehmen sei in diesem Fall als Subunternehmen für eine Firma aus Lörrach aufgetreten, zu einem Stundenlohn von 14 Euro. Die Angeklagten und die Zeugen während des Prozesses, die in diesem Gewerbe für das Unternehmen arbeiteten – teilweise auch ohne Vertrag, offenbar eher gefallenheitshalber für einen guten Freund – berichten lediglich von einem Stundenlohn um neun Euro.

Es geht also um Geld, sehr viel Geld. Rund eine Viertelmillion Euro soll die Bewachungsfirma, gegründet von drei Männern, die der Firma jeweils den Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens liehen, kassiert haben. Derjenige, den sie als den "Big Boss" bezeichnen, spricht tschechisch und verfolgte den Prozess am Landgericht Konstanz von der Anklagebank aus mit eisiger Miene, eine Dolmetscherin stets an seiner Seite.

Die Bezahlung gab’s in der Regel bar auf die Hand

Während der Verhandlungspause träufelt ihm seine zierliche, blonde Lebensgefährtin fürsorglich Tropfen ins Auge, tätschelt ihm die Wange und lächelt ihn aufmunternd an. Er quittiert diese Zuwendung mit einem kleinen, kaum wahrnehmbaren Klaps auf den Po. Am Ringfinger steckt ein goldener Ring, ob’s ein Ehering ist, weiß man nicht – der Big Boss schweigt, nicht nur zur Sache, auch zu seiner Person.

Ein zweiter Angeklagter, der Mann für die Finanzen, sitzt derzeit ebenfalls auf der Anklagebank im Handgranatenprozess – und zudem in Haft. Die Fußfesseln darf er selbst während der ganztägigen Verhandlung nicht ablegen. Immer wieder beugt sich der Mann in Strickjacke und Karohemd deshalb nach unten und versucht, die Socken um die Schließen zu ziehen, um zu verhindern, dass das Metall auf seiner Haut reibt. Hart treffen ihn hingegen die Beschuldigungen des Handgranaten-Beschaffers, der als einer der wenigen unter den sechs Angeklagten auspackt und angibt, das sei der Mann für die Finanzen im Sicherheitsunternehmen gewesen, er habe das Geld verteilt – die Bezahlung gab’s, das wird bei fast allen Aussagen deutlich, in der Regel bar auf die Hand.

Der Finanzchef des Security-Unternehmens hat aber immerhin Bankkonten, auf die auch das Geld aus den Bewachungsaufträgen fließen kann, wie der Kriminalpolizist ausführt. Ganz im Gegensatz zum Big Boss. Er gehört zu der Sorte Mensch, die einen Kriminalpolizisten schon mal stutzig machen – "wenn einer gar kein Bankkonto hat, dann ist das schon eine Besonderheit", erklärt der erfahrene Ermittler im Zeugenstand, neben sich eine große Kiste mit Aktenordnern, die auch im Verfahren Rubel noch wertvolle Dienste bei der Aufklärung leisten soll.

Ein Big Boss ohne Konto und Steuererklärung?

Der Big Boss, unter dessen Jackett eine massive Kette aus Edelmetall hervorblitzt, hat ansonsten laut Aktenlage und Polizeiermittlungen eine zumindest finanztechnisch reine Weste. Zu rein. Kein Bankkonto, keine großen bekannten Vermögenswerte – abgesehen von den 350 Euro Bargeld, einem Mercedes und zwei Uhren, die man bei ihm gefunden habe. "Es war für mich nicht ersichtlich, wie der Herr seinen Lebensunterhalt finanziert – den Menschen gibt’s finanztechnisch gar nicht", lässt der Polizist wissen.

Und der dritte Mann, der dem Unternehmen mit den drei Buchstaben den Anfang seines Nachnamens lieh? Auch von ihm fand man kein Konto – "das Geld ging an seine Lebensgefährtin, auf ihrem Konto fanden wir dann die entsprechenden Überweisungen".

Doch was ist mit dem Erlös aus den lukrativen Bewachungsaufträgen an der Villinger Bea? Wohin floss das Geld für den Strippenzieher im Hintergrund, wenn nicht auf ein Bankkonto?

Ein Blick in die Vorstrafenregister lässt erahnen, dass man in diesen Kreisen mit nicht alltäglichen Geldkreisläufen ganz gut umgehen kann: Zwei der Angeklagten sind verurteilte Geldfälscher, einer davon saß deshalb nach Informationen, die unserer Zeitung vorliegen, sogar schon in Tschechien im Gefängnis. Und auch der Big Boss ist nicht so unauffällig, wie er mit seinem undurchdringlichen Blick während des Handgranatenprozesses glauben machen will: Drei Einträge mit entsprechenden Vergehen finden sich im Register, darunter einer wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zudem soll er Bewährungsbrecher sein. Nur der Finanzmann, der hat diesbezüglich eine weiße Weste – und eben auch ein Bankkonto.

Zu klären ist, wohin der Rubel letztlich rollte

Während der Handgranatenprozess läuft, rollt das Verfahren Rubel im Hintergrund schon auf Villingen-Schwenningen zu. Es wird zu klären sein, warum Menschen mit solch einer Vorgeschichte eine Bewachungsfirma betreiben dürfen, warum dieser Securitydienst auch noch von Behörden für eine so sensible Aufgabe wie die Bewachung einer Bea engagiert wird, welcher Maßstab an die mitarbeitenden Wachleute hier gelegt wurde und werden müsste – und auch, wohin der Rubel denn nun eigentlich rollte.

Info: Hintergrund

Das Regierungspräsidium (RP) Freiburg ist für die Abwicklung der Bedarfsorierten Erstaufnahmestellen zuständig. Der Schwarzwälder Bote sprach mit dem Pressesprecher Markus Adler.

Wurde das betroffene Security-Unternehmen vom RP engagiert?

Die Firma wurde nicht vom Regierungspräsidium Freiburg mit der Bewachung der Erstaufnahmeeinrichtungen in Donaueschingen oder Villingen beauftragt. Es ist aber möglich, dass es als Subunternehmen durch das beauftragte Unternehmen eingesetzt wurde. Dies wurde dem Regierungspräsidium Freiburg aber nicht gemeldet, was wiederum gegen den damals bestehenden Vertrag mit diesem Unternehmen in Villingen verstoßen hätte. Am 18. Februar sind diese Verträge fristlos gekündigt worden.

Nach welchen Kriterien sucht man die Firmen aus?

Das Regierungspräsidium Freiburg vergibt Bewachungsaufträge derzeit ausschließlich im Rahmen von europaweiten öffentlichen Vergabeverfahren. Dabei sind regelmäßig der Preis sowie Qualitätsaspekte Zuschlagskriterien. Bei den letzten Ausschreibungen (unter anderem für die BEA Donaueschingen und Villingen) wurde der Preis zu 40 Prozent und die Qualität des Angebots zu 60 Prozent gewichtet. Es müssen sämtliche nach der Gewerbe- sowie der Bewachungsverordnung erforderlichen Zuverlässigkeitsunterlagen, insbesondere für das Personal, vorgelegt werden.

Wie werden Geschäftsführer durchleuchtet – was ist über Eignung, mögliche Vorstrafen oder verbüßte Haftstrafen, bekannt?

Nach der Gewerbe- sowie der Bewachungsverordnung müssen die Geschäftsführer zuverlässig sein. Dies wird durch die zuständige Gewerbebehörde am Firmensitz anhand eines Nachweises der Sachkundeprüfung sowie einer unbeschränkten Abfrage aus dem Bundeszentralregister beurteilt. Sollte die Zuverlässigkeit einer Person nicht gegeben sein, kann durch die zuständige Gewerbebehörde die Erteilung einer Bewachungserlaubnis abgelehnt werden.

Wie kam der Vertrag in diesem Fall zustande?

Die Firma erhielt im Herbst 2015 die Aufträge, da zu diesem Zeitraum aufgrund der bundesweiten Flüchtlingssituation eine extreme Verknappung an kurzfristig verfügbarem Sicherheitspersonal bestand. Andere angefragte Bewachungsunternehmen sahen sich dementsprechend nicht in der Lage, die Aufträge anzunehmen.