Sie lassen Muskeln spielen, und die Handgranate fiel in ihrem Umfeld. Eine Gruppe namens "Stolz und Ehre" macht beim Handgranatenprozess von sich reden. Foto: alphaspirit/Fotolia.com

Handgranatenprozess: Security-Personal hetzt im Internet gegen Flüchtlinge

Villingen-Schwenningen - "Eigentlich sind wir ein Sportverein. Wir haben viel Sport zusammen gemacht, Kraftsport, Boxen und so", sagt einer der Angeklagten im Handgranatenprozess von Villingen-Schwenningen vor dem Landgericht Konstanz. Sport? In Wahrheit offenbar ging es um viel mehr, es ging um Stolz und Ehre. So nämlich nennt sich die Gruppe, welcher viele der Angeklagten im Prozess angehörten, nur eben auf Russisch.

Nur einer, der soll abtrünnig geworden sein und "seine Jacke ausgezogen" haben, schildert der angeklagte Beschaffer der Handgranate während der Gerichtsverhandlung – der ehemalige Kollege in der Bewachungsfirma, der den lukrativen Auftrag für die Bewachung der Flüchtlingsunterkunft in Villingen samt einiger Mitarbeiter mit nach Tuttlingen genommen habe. "Eine linke Bazille" sei der ohnehin gewesen, meint der Handgranaten-Beschaffer. Man habe sich an ihm rächen wollen.

Ob der Abtrünnige eine der weißen oder eine der goldenen Jacken mit dem Adler-Symbol getragen habe, das wisse er nicht so genau. In der Gruppe habe es beide Sorten gegeben. Der mutmaßliche "Big Boss" freilich habe als "Präsident" eine goldene Jacke getragen – und der Handgranaten-Beschaffer selbst im übrigen auch, weil er den Rottweiler Teil der Gruppe schließlich mit aufgebaut habe.

Der "Big Boss" aus dem Raum Waldshut-Tiengen, soll auch in dieser Gruppierung der führende Kopf sein. Mehrere Angeklagte schildern das während des Prozesses. Er sei "der große Boss, vor dem man Angst hat", soll einer bei einer polizeilichen Vernehmigung im Zuge der Ermittlungen gesagt haben.

In Saal Nummer 37 in Konstanz sitzen sie als Angeklagte. Sicher, hier und da lassen sie die Muskeln spielen, und die Zuschauerränge sind voll von ihren Mitstreitern, die den Prozess gebannt verfolgen, sich in den Pausen grüppchenweise zusammenrotten und Bilanz ziehen, wie es für ihre Jungs nun wohl gelaufen sei.

Im "normalen" Leben zeigt sich die Gruppe meist proletenhaft – dicke Autos und der Besuch des Fitnessstudios dürfen nicht fehlen, die Muskeln ließ man auch für Fotos in den sozialen Netzwerken spielen. Dort zeigen sie zudem ihr wahres Gesicht gegenüber den Flüchtlingen.

Einer weiterer Angeklagter lobt dabei den Umgang mit Asylsuchenden, die in Russland "zu Fuß zurückgeschickt" werden und teilt sogar einen Beitrag der rechtsextremen NPD, die ihre Beweise für "Merkels Asylanten-Paradies" verbreitet. In einem weiteren Beitrag teilt er die Meinung, dass die Bundeskanzlerin zurücktreten soll. Passendes Personal zur Bewachung einer Flüchtlingsunterkunft? Wohl kaum.

In ihrer Freizeit scheinen zudem ihre Treffs eine große Rolle zu spielen. Egal ob mit dicken Autos an Tankstellen, einer Bäckereifiliale am Villinger Bahnhof, zu Hause – der Club hatte offenbar viele Treffpunkte, bei denen immer wieder auch über den geplanten Handgranatenanschlag gesprochen worden sei.

Ist der Sport also nur vorgeschoben? Ging es in Wahrheit um düstere Machenschaften? Und zählt "Stolz und Ehre" zu jenem Türsteher-Milieu, von dem der Kripo-Chef Thomas Gerth im Gespräch mit unserer Zeitung im vergangenen Jahr einmal sagte, "für uns sind die Türstehervereinigungen gerade ein größeres Problem als die Rockerclubs"?

Ein wenig Licht ins Dunkel wird vielleicht der weitere Verlauf des Handgranatenprozesses im Landgericht in Konstanz bringen. Am heutigen Donnerstag ist die Fortsetzung. Dann sind die einstigen "Vereinskollegen" tatsächlich wieder "vereint" – im Zeugenstand nämlich soll heute Vormittag der Abtrünnige sitzen, dem der Racheakt gegolten haben soll.