Notorisch nörgeln liegt dem Graffiti-Künstler Moritz Mader eigentlich gar nicht. Warum die Stadt den Jugendlichen aber selbst solche Schandflecken wie die Brücke am Skaterpark beim Kendrion-Gelände als Fläche für ihre Kunst verweigert, erschließt sich ihm gar nicht. Dann hätte es vielleicht auch mit den hässlichen Schmierereien ein Ende. Foto: Spitz

Künstlerisch ambitionierte Szene findet kein Gehör. Junge Leute wollen VS verschönern.

VS-Villingen - Der Frust sitzt tief in der Graffiti-Szene. Künstlerisch fähige junge Leute wollen helfen, VS zu verschönern. Aber keiner schenkt ihnen Gehör.

Moritz Mader ist einer von ihnen. Er hat die Nase langsam voll. Und das, obwohl der 20-Jährige einer jener seltenen Jugendlichen ist, die sogar vor Oberbürgermeister Rupert Kubon ans Mikrofon treten und im Jugendhilfeausschuss Wünsche formulieren. "Ich habe langsam wirklich keine Lust mehr auf Villingen-Schwenningen."

Er war zwölf als er anfing, zu sprühen. Schon früh sagte man ihm künstlerisches Talent nach. Wenn er heute von den Proportionen von Buchstaben spricht, von den über 200 Farbtönen in seinem Repertoire an Sprühdosen, oder dem Anspruch, den er an seine Arbeit legt, bestätigt sich das umso mehr. Moritz Mader will nicht blindlings drauflos sprühen und nackten Wänden seinen Stempel aufdrücken. Er will Schandflecken schöner machen, Beton in Kunst verwandeln. Und den 13- bis 14-Jährigen, die gerade als nächste Sprayer-Generation in der Stadt nachrücken, so Streetworkerin Jana Thome, eine Plattform zu finden.

Klar, ein paar Mal gab es schon gut gemeinte Zugeständnisse an junge Graffiti-Maler: Bei der Polizei durften sie eine Wand gestalten, den Wohnwagen der Streetworker aufpeppen oder am Jugendhaus auf einer Wand sprühen. Halbherzige Versuche: Bei der Gestaltung der Polizei-Wand hätten die Jugendlichen keine freie Hand gehabt – "da hatte deshalb eigentlich keiner so richtig Lust drauf, aber wir mussten es ja dann machen, wegen der Öffentlichkeit und so", erzählt Moritz Mader, der schließlich einer jener war, die dort zur Sprühdose griffen. Und am Jugendhaus? Der junge Mann lächelt zerknirscht: "Die Wand ist durch. Da kann man das Tollste draufsprühen, wenn man dagegen tritt, fällt die Farbe wie Putz von der Wand."

An Vorschlägen, wie und vor allem wo man dem Mangel abhelfen könnte, fehlt es Moritz nicht. Er geht mit offenen Augen und keineswegs ignorant gegenüber historischer Bausubstanz durch die Stadt. Graffiti direkt neben geschichtsträchtigen Fassaden? "Das will ich doch auch nicht – aber es gibt viele Plätze, die hässlich sind und die man verschönern könnte, wo es hinpasst." Der vagen Aussage lässt er dann klare Beispiele folgen: Unter der Brücke beim Kendrion-Gelände am BMX-Park, oder an Unterführungen – etwa hinter dem Friedengrund, bei der Romäusschule oder an der Mönchweiler Straße. Auch der Stadt schlug er nach deren Aufforderung die Plätze vor. Vergeblich: Es ist nichts passiert.

"Übersprüht wird nur, was ich toppen kann"

Angst, vor Sprayern, die die Kunstwerke mit Schmierereien verunstalten, hat Mader nicht. Ausschließen könne man das natürlich nicht, aber meist sei der Respekt vor der Arbeit anderer vorhanden. Außerdem gibt es den Ehrenkodex unter den Graffiti-Sprühern: "Übersprüht wird nur, was ich toppen kann", sagt der 20-Jährige.

Graffiti und Farbschmierereien sind zwar zweierlei, die einen eine Kunst, die andern eine Unzier. In der Polizeistatistik tauchen sie aber trotzdem gemeinsam als "Graffiti" auf. 36 Anzeigen erreichten die Polizei deswegen im Jahr 2011 (2010: 33), die Aufklärungsquote lag im vergangenen Jahr bei 44,4 Prozent, 2010 bei 18,2 Prozent. Sie differiert deshalb so stark, erklärt Kriminalhauptkommissar Günter Hones, weil einem überführten Sprayer aufgrund von Gestaltung, Farbe oder der verwendeten Lacke im Nachhinein häufig weitere Schmierereien zugeordnet werden können.

Mit Farbattacken auf das Eigentum anderer aber haben die Sprayer um Moritz Mader nichts gemein. Sie schaffen Kunst und das tun sie, mangels Angeboten in der Doppelstadt, nun anderswo: Nach Rottweil, Gosheim, Aldingen oder sogar bis Stuttgart oder Freiburg müssen sie für ihr Hobby fahren. "Villingen ist im Vergleich zu anderen Städten schon heftig hinterher."