Jeder dritte Herzinfarkt ereignet sich beim oder nach dem Schneeschippen. Foto: dpa

Um Weihnachtszeit schnellt Zahl der Herzinfarkte nach oben. Oft beim oder nach dem Schneeschippen.

Villingen-Schwenningen - Der Weihnachtsstress haut manche regelrecht um. Vor allem Männer erleiden während der Feiertage häufiger einen Herzinfarkt: Der Geschenkekauf auf den letzten Drücker, Streit statt Harmonie in der Familie und dazu die fette Ente, die mit reichlich Alkohol herunter gespült wird.

Die Krankenkassen wissen es aus ihren Statistiken, und der renommierte Arzt aus VS, Werner Jung, weiß es aus der Praxis, als leitender Arzt der Klinik für Innere Medizin III und Kardiologie am Schwarzwald-Baar-Klinikum: Um die Weihnachtszeit schnellt die Zahl der Herzinfarkte nach oben. Die meisten Einweisungen, berichtet er im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, gebe es zwischen dem 23. und 26. Dezember. Die Gründe für den Infarkt selbst bei zuvor symptomfreien Menschen liegen für den erfahrenen Herzspezialisten auf der Hand.

Da ist zum einen der hektische Geschenkekauf in der letzten Minute. "Die armen Männer rennen auf den letzten Drücker auf der Suche nach Geschenken durch die Kaufhäuser, um etwas Passendes zu finden", berichtet er, nicht zuletzt aus eigener Erfahrung. "Ich mach es doch meistens auch so." Was den Leidensdruck und damit die Infarktgefahr erhöhe, sei vor allem der Erwartungsstress, also das Auseinanderklaffen von hohen Erwartungen und der Familienrealität: Streit statt Harmonie, ein riskanter Stressfaktor für den Mediziner. Stress, erläutert Jung, erhöhe die Herzfrequenz, der Blutdruck steige, der Sauerstoffverbrauch nehme zu, mit zum Teil fatalen Folgen.

Doch die Stress-Liste ist noch nicht zu Ende: Hinzu komme, so der Kardiologe, dass über die Weihnachtstage zu viel Fettes gegessen, zu viel Alkohol getrunken und dazu auch noch zu viel geraucht werde. "Und dann sitzen manche auch noch ein paar Tage lang die meiste Zeit um den Weihnachtsbaum".

Der beste Schutz vor einem Herzinfarkt sind für Werner Jung Ausdauersportarten wie Joggen und Schwimmen, eine ausgewogene Ernährung, Alkohol in Maßen, der Verzicht auf Nikotin und ausreichend Schlaf. Sagt’s und geht freilich auch an den Feiertagen als gutes Beispiel voran. Bei Familie Jung gibt es über Weihnachten nur einmal Fleisch, dafür geht der Chefmediziner entweder täglich joggen oder zumindest ins Fitnessstudio über die Festtage. Wichtig sei generell, rät der Arzt, ab dem 50. Lebensjahr zur Vorsorge zu gehen und regelmäßig ein Belastungs-EKG vornehmen zu lassen.

Schneeschippen keine ungefährliche Sache

Nicht nur aufgrund der Weihnachtstage gilt der Winter jedoch als Infarkt-Zeit, in der kalten Jahreszeit verzeichnet die Klinik immerhin einen Anstieg von über 30 Prozent. Jährlich werden rund 400 Infarkte im Schwarzwald-Baar-Klinikum behandelt. "Jeder dritte Infarkt", entnimmt Jung den Aufzeichnungen, ereignet sich beim oder nach dem Schneeschippen, vor allem wenn es sich um schweren nassen Schnee handelt." Zwei Risiken kommen dabei zusammen: die körperliche Anstrengung und die kalte Luft, die die Gefäße sich zusammen ziehen lässt.

Anstrengend fürs Herz sind auch hohe Temperaturschwankungen oder Wetterveränderungen, beispielsweise wenn Kaltluft zu uns strömt. Und wieder nennt Jung das gleiche Phänomen, "bei Kälte ziehen sich die Gefäße zusammen". Aber Achtung, leidenschaftliche Fußball-Fans aufgepasst: Wer sich bei WM-Spielen zu sehr hineinsteigert, lebt riskant. "Da geht die Infarktrate auch nach oben", berichtet Jung: "In Zeiten von WM oder EM steigt das Adrenalin gewaltig."

Info: Wenn der Schmerz anhält

Symptome für einen Herzinfarkt werden häufig unterschätzt. Typische Alarmzeichen für einen drohenden Herzinfarkt sind schwere, länger anhaltende Schmerzen in Brustkorb, Armen und Schulterblättern, vor allem bei körperlicher Belastung. "Länger" heißt, länger als 20 Minuten. Außerdem muss auf Atemnot, Übelkeit, Brechreiz und Angst geachtet werden. Nächtliches Erwachen mit Schmerzen im Brustkorb ist besonders gefährlich. Bei Männern dominiert der Brustschmerz, Frauen dagegen klagen eher über Übelkeit und Atemnot.

Bei Verdacht auf Herzinfarkt sollte nicht gezögert, sondern sofort der Rettungsdienst unter der Nummer 112 angerufen werden.