Der Selbstversuch: Ein Tag ohne Smartphone und ohne privaten Internetgebrauch. Foto: © georgejmclittle/Fotolia.com

Selbstversuch: Wie meistert ein Digital Native seinen Alltag ohne Handy und Internet?

Alle paar Minuten der Griff zum Handy: Hat wer in Whatsapp oder Facebook geschrieben? Klar muss ich antworten. Ob es nur Plauderei mit Freunden ist oder ob es um eine wichtige Angelegenheit geht ist dabei egal. Ich als Digital Native kenne es kaum mehr anders, bin 24/7 erreichbar. Klar gibt es eine Zeit ohne Smartphone, aber man gewöhnt sich schneller an den kleinen Alltagshelfer, als einem lieb ist. Der Mensch kam tausende Jahre ohne Internet und Handy aus, doch seit ich Auto fahre, lotst mich meine Navigationsapp zum Zielort, seit der siebten Klasse weckt mich mein Handy und seit geraumer Zeit wurden auch Walkman, später Discman und noch später der Ipod von meinem Smartphone ersetzt.

Je nach Apps ist das Smartphone viel mehr als nur ein Telefon: Es ist Fotoapparat, Diktiergerät, Wecker, Armband- und Eieruhr, Taschenlampe, Lexikon, Busfahrplan, Kontoauszugsdrucker, CD-Player und und und.

Wie der Alltag sich ohne Smartphone und Internet anfühlt, wissen wohl die meisten Mitte 20 gar nicht mehr. Ich wollte das herausfinden und schloss mein Smartphone am Aschermittwoch für einen Tag weg, auch die Nutzung des Internets war für mich tabu.

Die Regeln: Ein Tag ohne Smartphone und ohne privaten Internetgebrauch. Die ganze Fastenzeit über lässt sich das Experiment als Mensch mit sozialen Kontakten und einem Job wohl schwer praktizieren, zumindest nicht ohne die Mitmenschen und seine Kollegen zu nerven. Mit meinem Beruf beim Schwarzwälder Boten bin ich quasi Teil der Medien, der Computer ist mein Arbeitsgerät. Daher lässt es sich kaum vermeiden, zu Recherchezwecken ins Internet zu gehen oder die geschäftlichen E-Mails abzuholen. Doch auch hier versuche ich: Geht’s auch offline, vermeide ich den Internetgebrauch. Heißt: Am Aschermittwoch gibt es für mich kein Onlineshopping, kein Googeln, kein Online-Banking, kein Musikstreamen.

Im Vorfeld habe ich ein bisschen Bammel, schließlich ist das Smartphone auch Retter in verschiedenen Notsituationen, in denen man echt in der Klemme steckt: heißt Unfall oder dass in der Familie etwas passiert ist. Also schreibe ich mir zuvor alle relevanten Nummern heraus und erlaube dem engeren Kreis, mich in der Redaktion anzurufen.

Dienstag, 23 Uhr

Ich schalte mein Smartphone aus und stelle den Wecker, den ich mir zuvor ausgeliehen habe. Einen analogen habe ich vermutlich zuletzt in der Grundschule gestellt.

Mittwoch, 7. 15 Uhr

Der Wecker klingelt laut und schrill. Wach war ich sowieso schon, ich habe vergessen wie laut analoge Uhren nachts ticken können.

8.30 Uhr

Ich mache mich auf den Weg in die Redaktion. Doch die Handyhalterung am Armaturenbrett bleibt leer. Hier steckt normalerweise mein Smartphone, das mit meinem Autoradio verbunden ist und mir so mit meinen Lieblingsliedern die 40-minütige Fahrt versüßt. Ich stecke eine alte CD in den Spieler von befreundeten Musikern, eine der wenigen CDs, die ich noch besitze.

8.55 Uhr

Warten auf meine Kollegin, mit der ich mir die letzten Kilometer Fahrt zur Redaktion teile. Doch wo bleibt sie nur? Solange ich auf sie warte, lese ich Zeitung, hoffe dass sie nicht doch krank ist... "Ich hab dir in Whatsapp geschrieben, dass es fünf Minuten später wird." Das habe ich bis dahin allerdings gemerkt. In der Redaktion angekommen greife ich aus Gewohnheit in meine Jackentasche... Stimmt, das Handy blieb heute zu Hause.

12.30 Uhr

Mittagspause. Eigentlich verziehe ich mich zum Essen ins Besprechungszimmer und checke meine Nachrichten, schreibe zurück. Statt mit vielen virtuellen Freunden sitze ich alleine am Tisch. Zum Glück habe ich mir ein Buch mitgenommen. Mittlerweile fallen mir aber so viele Dinge ein, die ich Freunden schreiben möchte. Die Wochenendplanung, die mittlerweile fast ausschließlich über soziale Medien abläuft, geht heute vollkommen an mir vorbei. Was ich meke: Ich bin viel kommunikativer. Unter meinen Kollegen wird heftig diskutiert und abgewägt, wie abhängig wir von unseren Smart- phones und dem Internet sind, ob die Digitalisierung nun Fluch oder Segen ist. Meine Kollegin scheint von meinem Fastenversuch angetan zu sein. Bis März verzichtet sie auf Facebook und schickte an ihre Kontakte eine Nachricht, dass sie auch auf Whatsapp nicht erreichbar sei. Ein weiterer Kollege überlegt sich ebenfalls mitzumachen.

14.30 Uhr

Auf zum Termin. Ich als Nicht-so-ganz-Ortskundige muss doch gelegentlich Google-Maps nach dem Weg fragen. Zum Glück liegt in der Redaktion noch ein verstaubter Straßenplan rum.

14.45 Uhr

Ich bin zu früh zum Termin und frage mich plötzlich, wie man sich früher ohne Smartphone die Zeit vertrieben hat, wenn man warten musste. Ich stelle fest: Obwohl ich immer eine Armbanduhr trage, habe ich wohl noch nie so oft wie heute auf das Ziffernblatt gespickt.

17 Uhr

Zurück in der Redaktion. Gerne würde ich Zusatzinformationen zum Text googeln. Geht nicht. Die Kollegen reden davon, dass es morgen glatt wird. Auch auf meinem Arbeitsweg? Und wo hat man früher seinen Wetterbericht herbekommen?

18 Uhr

Die Seiten werden Korrektur gelesen. Wie schreibt man "kund tun" nochmal? Getrennt? Zusammen? Klein, groß? Ich bin versucht, kurz www.duden.de aufzurufen, doch greife stattdessen wie Generationen an Redakteuren auch, zur gelben analogen Ausgabe der Deutschen Rechtschreibung.

19 Uhr

Endlich bin ich zu Hause. Bisher fühlte sich der Tag recht einsam an. Wie es wohl meiner Freundin bei ihrer Prüfung ergangen ist? Und außerdem würde ich einen Freund gerne fragen, ob wir am Wochenende etwas unternehmen. Ich gehe also auf gut Glück in die Kneipe nebenan. Ausgemacht habe ich mit niemandem etwas. Wie denn auch? Vielleicht ist ja jemand da...

19.15 Uhr

Tatsächlich! Ich treffe Freunde in der Barund erfahre auch prompt, dass in einer Whatsapp-Gruppe etwas Wichtiges besprochen wird, das auch mich betrifft. Ich weise die Freunde an, von mir etwas auszurichten, warte die Antwort ab, ernte Lacher. Ich fühle mich eingeschränkt, möchte aber in den letzten Stunden nicht doch scheitern.

20.30 Uhr

Tatsächlich schaffe ich es um halb 9 noch ins Fitnessstudio. Mit Weitblick habe ich den Ipod aus meiner Schulzeit herausgekramt und geladen. Doch nach einer halben Stunde gibt der Akku seinen Geist auf... Stimmt, das hatte einen Grund, warum der vor sieben Jahren gegen ein Smartphone ersetzt wurde. Die Musik und der Geräuschpegel im Fitnessstudio sind furchtbar, ich bin genervt.

Donnerstag, 7.15 Uhr

Der Wecker klingelt. Doch ist es wieder der gewohnte Weckton von meinem Smartphone. 24 Stunden Internet- und Smartphonefasten sind geschafft. Sobald ich das Gerät wieder anschalte, poppen 57 Whatsapp-Nachrichten in neun Chats auf, fünf Benachrichtigungen in Facebook und Instagram teilt mir mehrmals mit, dass ich mir unbedingt das neueste Bild einer meiner Freunde anschauen soll. Die digitale Welt hat mich also vermisst.

Und? Wie war’s?

Obwohl ich einige kleine Hürden zu meistern hatte und nun froh bin, wieder mit meinen Freunden verbunden zu sein, lasse ich das Smartphone sicher mal wieder zu Hause, im Urlaub auf jeden Fall. Die Zeit offline schärfte den Blick darauf, wie abhängig man doch von den neuen Medien ist. Auf was ich gut verzichten kann? Facebook und Instagram und die damit verbundenen belanglosen Informationen. Was mir schwer fiel? Auf Whatsapp, das Telefonieren und das schnelle Googeln von Informationen zu verzichten. Vorsatz für den Rest der Fastenzeit: Sinn und Unsinn in der Nutzung trennen, das Smartphone wie auch das Internet bewusster nutzen.