Friedrich Engelke (von links), Heinz Löcher und Wolfgang Heitner stehen am Mahnmal für die ins Konzentrationslager Gurs deportierten jüdischen Mitbürger.Foto: Heinig Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Friedrich Engelke, Heinz Lörcher und Wolfgang Heitner schreiben Buch über die Deportation jüdischer Villinger

"Noch nie wurde so im Detail darüber berichtet". Für Friedrich Engelke, Wolfgang Heitner und Heinz Lörcher gab der 80. Jahrestag den Anlass für das Verfassen eines Buches. "Die Deportation jüdischer Villingerinnen und Villinger nach Gurs" blickt auf den 22. Oktober 1940.

VS-Villingen. Und zwar so genau, dass es wehtut. Denn eines wird bei der Lektüre klar: Die Villinger Bürger von damals wussten nicht nur um die Schicksale ihrer Mitbürger, sie haben sich zum Teil sogar daran bereichert.

In einem Vorwort wünscht sich Oberbürgermeister Jürgen Roth daher, "das Grausame von damals nicht zu leugnen und zu ignorieren, sondern als Mahnung für heute und die Zukunft zu sehen". Das Buch dringt auf 130 Seiten tief in die Erinnerung ein und gibt Dank der Geduld und Akribie seiner Autoren den Blick frei "auf einen bisher kaum behandelten Teil der Villinger Geschichte". Engelke, Lörcher und Heitner leisteten dafür Aktenarbeit und wälzten Archivordner nicht nur im hiesigen Stadtarchiv, sondern auch im Staatsarchiv in Freiburg und sogar im "Archives departementales des Pyrénées-Atlantiques" in Pau.

Gleich nach dem jüdischen Feiertag, dem Laubhüttenfest, werden in Baden und in der Pfalz "alle transportfähigen Volljuden" vom 21. auf den 22. Oktober 1940 aufgefordert, sich innerhalb weniger Stunden mit 50 Kilogramm Gepäck und maximal 100 Reichsmark reisefertig zu machen. Die "Wagner-Bürckel-Aktion", benannt nach den beiden Gauleitern Josef Bürckel (Pfalz) und Robert Wagner (Baden), trifft in Villingen elf Personen und fünf weitere aus dem Umkreis. Das Buch widmet ihren Biografien in einzigartigen Details ein zentrales Kapitel.

An einem schönen Tag, an dem die Villinger die Einweihung des neuen Theaters am Ring feiern, werden ihre jüdischen Mitbürger aus ihren Wohnungen geholt und in einen Keller der NSDAP-Kreisleitung, dem heutigen Neckar-Verlag, gebracht. Nach Eintritt der Dunkelheit geht es zum Bahnhof und von dort auf eine drei Tage dauernde 1200 Kilometer lange Reise in das französische Konzentrationslager am Fuße der Pyrenäen. Im Gegensatz zur Reichspogromnacht zwei Jahre zuvor, bekommt die Bevölkerung von dieser Aktion zunächst wenig mit. Doch als nur wenige Tage nach der Deportation die zurückgelassenen Vermögenswerte in der Prinz-Eugen-Halle, dem heutigen Franziskaner-Konzerthaus, versteigert wurden, war jedem Teilnehmer der Aktion – "vielen Hundert Neugierigen" – klar, wem die Möbel, Küchengeräte, Kleidungsstücke, Handtücher und Geschirrteile gehört haben mussten: Menschen, Nachbarn aus ihrer Mitte.

Deren Schicksal im damals "berüchtigtsten und bekanntesten Internierungslager Südfrankreichs" wird im Buch schmerzvoll beschrieben. Familienmitglieder verloren sich aus den Augen, litten und starben unter unmenschlichen Bedingungen oder wurden in deutsche Vernichtungslager umgelegt.

Im Epilog begründen die Autoren ihr Buch mit dem "Wunsch nach Erinnerung". "Die Vergangenheitsbewältigung ist unabdingbar, da die Zukunft nicht auf Vergessen oder Gleichgültigkeit aufgebaut werden kann", schreiben sie.

Für die drei aktiven Mitglieder des Vereins "Pro Stolpersteine VS" ist es seit 2013 selbstverständlich, am Mahnmal für die Deportierten vor dem Villinger Bahnhof an jedem 22. Oktober ihrer zu gedenken. Seit diesem Jahr sind dort auf einer Bronzeplatte auch alle ihre Namen zu lesen.

Pfarrer Udo Stober und Pastoralreferent Gunter Berberich schreiben in ihrem Vorwort zum Buch: "Denn jeder Name ruft ein Leben auf".

"Die Deportation jüdischer Villingerinnen und Villinger nach Gurs" ist für acht Euro in allen örtlichen Buchhandlungen, beim Ticket-Service im Franziskaner an der Rietgasse und beim Neckarverlag in Villingen zu haben.