Ali Haydar Hür aus Villingen-Schwenningen ist Bartmodel. Foto: Claudio Paltengi

Ali Haydar Hür aus Villingen ist seit vier Jahren in der Branche unterwegs. Haare und Bart müssen immer perfekt gestylt sein.

VS-Villingen - Locker, entspannt und lässig cool kommt er daher: Ali Haydar Hür trägt ein khakifarbenes Hemd und eine passende kurze Hose, als er zum Interview erscheint. Was aber als erstes auffällt, ist sein makellos gepflegter und gestylter Vollbart. Ein Markenzeichen, ein Hingucker – und für seinen Besitzer ein Türöffner in die Modewelt.

Seit vier Jahren ist der Villinger als Bartmodel in der Fashion-Branche unterwegs. Hür wirbt für Kleidung und Bartpflegeprodukte, wird zu Shootings in ganz Deutschland eingeladen und hat auch in sozialen Netzwerken eine große Fan-Gemeinde.

Wenn man mit ihm durchs Städtle läuft, wird man das Gefühl nicht los, der 37-Jährige ist bekannt wie der sprichwörtliche "bunte Hund". Alle zwei Minuten wird er gegrüßt, aber auch "Fremde" schauen ihm gern hinterher. "So weit, dass ich auf der Straße nach Autogrammen gefragt werde, bin ich noch nicht", stellt er schmunzelnd fest.

Shootings unter extremen Bedingungen

Allerdings: "Ich weiß natürlich, dass ich auffalle. Und das nicht nur in einer kleinen Stadt wie Villingen-Schwenningen. Mir ist schon einmal ein Engländer auf dem Bahnhof in Hamburg hinterhergerannt, weil er unbedingt ein Foto mit mir machen wollte", erinnert sich Hür. Auch sonst hat er viele spannende Geschichten zu erzählen – wie er bei minus 18 Grad barfuß und mit nacktem Oberkörper im Schwenninger Moos für Fotos posiert oder im Kölner Fußballstadion an einem extrem heißen Tag neun Stunden lang Model gestanden hat.

Ob in der Hitze oder in der Kälte, was immer perfekt sein muss, ist sein Bart. "Vor vier Jahren habe ich beschlossen, meinen Bart wachsen zu lassen, weil ich so viele Komplimente bekommen habe", erzählt Hür. Ungefähr ein Jahr hat es bis zur richtigen Länge gedauert. Heute ist der Villinger mächtig stolz auf sein besonderes Markenzeichen: "Ich habe einen starken und sauberen Bartwuchs. Andere haben das Glück nicht: Sie haben zum Beispiel Löcher drin."

Bart braucht intensive Pflege

Sein Bart erfordert aber auch intensive Pflege, macht Hür klar. Zweimal im Monat geht er zum Barbier, und jeden Morgen heißt es: waschen, föhnen, kämmen, pflegen. "Mit ganz viel Kokosöl", verrät der 37-Jährige. Eine gute halbe Stunde ist also jeden Morgen für die Bartpflege drin.

Gepflegt werden müssen aber auch die Kontakte zu den Fotografen und zu den Followern in sozialen Netzwerken, weiß Hür. "Ich habe in den letzten Jahren nur von Foto-Geschichten gelebt. Ich muss ehrlich sagen, man muss sich sehr darum kümmern. Wenn man nichts tut, dann kommt auch nichts", macht der Villinger klar. Vor allem, wenn man wie er ohne Agenten arbeitet, muss man viel Eigeninitiative an den Tag legen. "Auch der Instagram-Erfolg kostet Zeit und Arbeit. Man muss regelmäßig Bilder posten, sonst springen die Leute ab." Seine Zielgruppe sind Männer ab 17, sagt Hür. Aber auch die Frauen schauen bestimmt auf der Seite vorbei, frage ich augenzwinkernd. "Ja klar", gesteht der 37-Jährige.

Aktuell ist das Modeln für ihn nur ein Zuverdienst – parallel zu seinem sicheren Job in einem Modegeschäft. Zu den Shootings geht er dann meistens am Wochenende. "Manchmal ist man dabei in einer Stunde fertig – zum Beispiel, wenn der Fotograf nur ein Bild braucht und eine genaue Vorstellung davon hat, wie es aussehen muss", erklärt Hür. Aber es gibt auch andere Sets – zum Teil mit mehreren Outfits und mehreren Locations. "Dann muss ich an verschiedene Orte fahren, mich umziehen, jedes Mal wieder die Haare und den Bart machen. So ein Shooting kann schon sieben bis acht Stunden dauern", schildert der 37-Jährige.

Model-Laufbahn "just for fun" begonnen

Angefangen hat er seine Model-Laufbahn vor vier Jahren, mit einem Shooting "just for fun": Ein Bekannter von Hür wollte neue Bilder für sein Portfolio machen, hat die Fotos dann auf Facebook hochgeladen – und sie sind auch bei den anderen Fotografen richtig gut angekommen. "Einige Tage später hatte ich schon viele Anfragen für weitere Shootings", erinnert sich Hür.

Die größte Herausforderung ist für ihn nach wie vor, auf dem Foto die gewünschte Botschaft rüberzubringen. "Du schlüpfst in eine Rolle, auch wenn es keine Dialoge gibt", beschreibt Hür. Das sei nicht immer einfach – besonders knifflig wird es, wenn die Rolle nicht so richtig zu einem passt: "Einmal musste ich in Arbeitsklamotten auf einem Gabelstapler posieren. Am Set war es lustig, aber es war schon eine kleine Herausforderung." Was er dagegen nie machen würde, sind Unterwäsche-Shootings und Erotik-Bilder, verrät Hür. "Solche Angebote habe ich immer abgelehnt."

"Vor der Kamera wirke ich arrogant"

Mit der Zeit sucht sich jedes Model seinen eigenen Charakter aus, sein zweites Ich, sagt Hür. Wie ist denn sein Alter Ego?, möchte ich sofort wissen. "Vor der Kamera bin ich etwas arrogant, so komme ich rüber, das haben mir viele Menschen gesagt. Aber in der Wirklichkeit bin ich ganz anders", sagt er und lächelt. Auf seinen Fotos lächelt er dabei fast nie: "Das passt einfach nicht zur Aussage und zum Image."

Inzwischen hat der Villinger durch seine Model-Tätigkeit in ganz Deutschland Freunde gefunden: "Es ist richtig cool, wie viele Bekanntschaften durch meine Shootings entstanden sind. Ich habe so viele tolle, absolut kreative Menschen kennengelernt", schwärmt der 37-Jährige. Auch seine Familie unterstützt ihn: "Meine Mutter und meine Schwester liken meine Bilder ganz fleißig."

Doch auch mit der anderen Seite – mit Kritik und negativen Kommentaren im Internet – hat Hür kein Problem. "Ich schreibe eigentlich selten zurück und lasse alles so stehen, wie es ist. Ich finde, wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man damit umgehen können. Auch kritische Kommentare gehören dazu, und solange sie nicht unter der Gürtellinie sind, ist alles O.K.", zeigt er sich gelassen. Diese Philosophie gilt auch für alle anderen Bereiche seines Lebens: "Ob Kleidung, Bücher oder Musik, ich bin immer offen, ich mag es, Dinge auszuprobieren. Wenn man sich auf einen Stil festlegt, ist es doch langweilig. Ich höre alles, was mir unter die Haut geht, alles, was mich berührt. Und ich ziehe fast alles an. Ich bin nicht der typische Hipster. Ab und zu trage ich eine Skinny-Hose, dann wieder mal ein Hemd oder auch einen Jogging-Anzug."

Die Schauspielerei reizt ihn

Aber muss man als Model nicht ganz besonders auf sein Äußeres – und auch auf seine Figur – achten? Hür lächelt: "Sport treibe ich nur für mich, und Diäten sind Quatsch. Ich esse, was ich will und wo ich will. Ich finde, es ist im Leben wichtig, alles im Gleichgewicht zu halten. Man darf nicht übertreiben: Das geht das Training genauso wie das Essen an. Wenn ich Lust auf einen Hamburger habe, dann esse ich einen. Wo ist das Problem?" Auf seinen Bildern wirkt der 37-Jährige auf jeden Fall authentisch – und man spürt, dass er seine Arbeit mit Leidenschaft macht.

Für die Zukunft hat der Villinger noch einen ganz besonderen Traum: "Ich würde gerne die Schauspielerei ausprobieren. Ich glaube, ich könnte einen bösen Mann, ein Bandenmitglied gut spielen, ja, das traue ich mir zu."

Mehr Infos, Links und Fotos vom Villinger Bartmodel Ali Haydar Hür gibt es auf seiner Seite www.ali-haydar.com