Meine Premiere als Ballett-Tänzerin in Schwenningen: eine spannende Erfahrung. Foto: Schwarzwälder Bote

Der Tanzsrpotclub VS bietet Unterricht für Erwachsene an / Beim Selbstversuch lerne ich die Waganowa-Methode kennen

Leichtfüßige Sprünge und elegante Pirouetten im Ballett begeistern die Zuschauer – die Arbeit, die hinter den scheinbar spielend ausgeführten Cou-de-pied, Fouetté und Jeté steckt, ist aber richtig schweißtreibend. In Schwenningen überzeuge ich mich davon selbst: Ich mache beim Ballett-Unterricht für Erwachsene mit. Seit April übt die Gruppe in den Räumen des Tanzsportclubs in der Grabenäckerstraße in Schwenningen.

Ich sehe bereits in der Umkleide, dass ich unter den anmutigen, extrem schlanken Hobby-Tänzerinnen, die elegante, eng anliegende Ballett-Kleidung anhaben, sofort auffalle. Ich habe nämlich meine bunten Sportklamotten an – und merke selbst, dass ich irgendwie viel zu grell, viel zu laut, viel zu kitschig für die leise Welt des klassischen Tanzes bin.

Wie eine richtige Diva betritt Tini Ullrich, unsere Tanzlehrerin, den hellen Saal mit vielen Spiegeln. Nicht nur der perfekt durchtrainierte Körper fällt auf, sondern wieder diese wunderbare Eleganz und Unbeschwertheit. Man wird das Gefühl nicht los, sie geht nicht, sondern schwebt über dem Parkett.

Seit ihrer Kindheit fühlt sich Ullrich an der Ballettstange zu Hause. "Mir wurde schon früh klar, dass ich das Tanzen zu meinem Beruf machen möchte", verrät sie. "Ich liebe das Ballett, weil es einen verzaubert und in eine andere Welt tragen kann. Es hat eine Leichtigkeit, eine Eleganz und tut Körper, Geist und Seele gut. Beim Tanzen kann man vom Alltag abschalten und seinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck verleihen", schwärmt Ullrich. Diese Leidenschaft will sie an ihre Schüler weitergeben.

An die kleinen, aber auch an die großen. In der Gruppe "Ballett für Erwachsene" in VS tanzt sogar ein Mann mit. "Das Alter ist bunt gemischt, von Mitte 20 und aufwärts", sagt Ullrich. Zum Unterricht kommen sowohl Anfänger, als auch Schüler mit Vorkenntnissen, die nach einer Pause wieder einsteigen wollen. "Trotzdem haben wir mit den Basics begonnen, so dass jeder gut mitkommt."

Wie fit muss man eigentlich sein, um in die Welt des klassischen Tanzes einzutauchen? "Wir haben keine speziellen Voraussetzungen. Man sollte Spaß und Interesse am Ballett haben, und dann ist jeder eingeladen", sagt Ullrich und strahlt. So einfach, wie es sich anhört, ist es in der Praxis dann aber doch nicht. Und die größte Herausforderung ist tatsächlich nicht der von mir gefürchtete klassische Spagat – diesen machen wir im Unterricht gar nicht –, sondern das Gefühl, die ganze Zeit Körperspannung halten zu müssen, 60 Minuten lang.

Im Hintergrund läuft leise Klaviermusik vom Band. Am Anfang irritiert sie mich etwas: Ich bin beim Sport machen und auch beim Tanzen etwas andere Klänge gewohnt. Doch irgendwann merke ich, wie ich durch diese Musik tatsächlich zur Ruhe komme, abschalte – und mich auf meine Bewegungen konzentriere. Ich will sie wenigstens ein bisschen leichter und eleganter hinbekommen.

Den Boden sollte man im Idealfall nur mit den Zehenspitzen berühren. Zweite Position, dritte Position, irgendwann gewöhnen sich die Füße an die Stellungen, die mir trotzdem immer noch ziemlich unnatürlich erscheinen.

Die anderen Schülerinnen sind fleißig, diszipliniert und konzentriert. Und es sieht wirklich wunderschön aus, wenn die Hobby-Ballerinas ihre Fußspitzen ziehen – auch wenn keine von ihnen Tüllröckchen anhat. Sehr ruhig, elegant und anmutig ist das Ganze. Auch ich werde nach wenigen Minuten leise, auch ich ziehe die Fußspitzen, auch ich fange an, die klassische Musik zu genießen.

Ehrgeiz und Perfektionismus gehören im Ballett einfach dazu; richtige Ballett-Tänzerinnen müssen hart trainieren, sie haben einen wahnsinnigen Leistungsdruck, für die Gruppe hier ist es eher ein Hobby – aber auch das ist nicht ohne. Ob beim Jeté, Tendu, Piqué oder Plié: Man braucht unheimlich viel Konzentration. Ullrich unterrichtet mit dem russischen System nach Agrippina Waganowa. "Es ist wichtig, dass die Technik exakt erarbeitet wird, die Bewegungsausführung richtig erlernt wird und die schönen klassischen Linien beigebracht werden. Zudem wird, besonders bei der Waganowa-Methode, auf die individuellen körperlichen Voraussetzungen jedes Einzelnen geachtet", erklärt Ullrich. Ein gesundheitsfördernder Unterricht liege ihr sehr am Herzen, versichert sie.

Derzeit schwitze ich an der Ballettstange weiter. Ich hoffe sehr, dass diese Übungen gesundheitsfördernd sind. Denn mir kommt es vor, als würden sie jeden einzelnen von meinen Fuß- und Beinmuskeln beanspruchen. "Alle Bewegungen kommen aus der Hüfte raus. Die Ferse bitte immer nach vorne", erinnert die Lehrerin. Die Tänzerinnen scheinen es gewohnt zu sein, ihre Körper bis über die Schmerzgrenze hinaus zu strapazieren. Auch ich gebe mein Bestes. Ich muss auf die Arme aufpassen, auf den Blick, auf den Atem.

Spannung liegt in der Luft. Aber wir sind noch lange nicht fertig. Nach dem Stangentraining üben wir in der Raummitte, das heißt Adagio. Danach kommen die Diagonalen und am Ende noch ein Stretching-Teil. "Natürlich können die richtige Technikausführung, die Balance und die dauerhafte Körperspannung durchaus eine Herausforderung darstellen, aber das alles ist erlernbar. Zudem ist Ballett ein gutes Training für alle Muskeln und sorgt für eine bessere Körperhaltung und ein erhöhtes Körperbewusstsein im Alltag", gibt mir Ullrich mit auf den Weg.

Ballett für Erwachsene: Für mich war das eine spannende Erfahrung, eine schweißtreibende Stunde – aber ich bleibe lieber doch beim Kampfsport.