Peter Graßmann führte gestern durch die Dauerausstellung im Erdgeschoss des Schwenninger Heimat- und Uhrenmuseum und zu den "Ur-Schwenningern". Fotos: Heinig Foto: Schwarzwälder-Bote

Führung im Heimatmuseum beleuchtet Anfang und Entwicklung des Lebens auf heimischer Gemarkung

Von Birgit Heinig

VS-Schwenningen. 200 Millionen Jahre in 45 Minuten – eine rekordverdächtige Führung durch das Heimatmuseum legte gestern Nachmittag Museumsmitarbeiter Peter Graßmann hin. Die spannende Zeitreise begann bei den Ammoniten und endete bei den Alamannen. Letztere dürfen laut Graßmann durchaus als die "Ur-Schwenninger" angesehen werden, besiedelten sie doch das Gebiet seit dem siebten Jahrhundert vor Christus. Nachgewiesen wurde das durch Funde von Gräbern. Darin lag auch die "erste Schwenningerin", eine offensichtlich adelige Dame von etwa 30 Jahren, einer Körpergröße von 1,65 Metern, mit Karies, mindestens einem Kind und einer degenerierten Halswirbelsäule. "Sie litt sicherlich an Rückenschmerzen", vermutete Graßmann. In der Dauchinger Straße 9 wurden sie und ihre prunkvollen Grabbeigaben 1938 bei Bauarbeiten entdeckt. Darunter auch zwei "Sonnenfibeln", erste Zeichen für einen christlichen Glauben.

Begonnen hatte Graßmann seine Führung hin zu den Alamannen als den Vorfahren der Stadtgründer indes im Erdmittelalter vor 245 Millionen Jahren. Die ersten Spuren von Leben in Schwenningen haben nichts mit der Geschichte der Stadt zu tun, versicherte er. Vielmehr zeigen Fossilienfunde in den verhärteten Sedimentsschichten der Baar, dass Ammoniten und Bellemiten die ersten Lebewesen "und damit die eigentlichen Ur-Schwenninger" waren. Von centgroßen Goldschnecken über Haifischzähne bis hin zu einem Ammoniten von 35 Zentimetern Durchmesser reichen die Fundstücke im Heimatmuseum. Früher wurden sie gerne – wie auch die versteinerten Seelilien – pulverisiert und als Medizin eingenommen.

Den von der Wissenschaft heute am wahrscheinlichsten angenommenen Meteoriten-einschlag, der die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren vernichtete, überlebten tief im Boden mausähnliche Tierchen – "unsere wirklichen Vorfahren", so Graßmann. Vor einer Million Jahren erschienen die ersten Säugetiere in Europa – auch in Schwenningen. Was der Fund eines Mammutstoßzahnes auf Schwenninger Gemarkung in den 1930er-Jahren belegt.

Den Beweis für die ersten Menschen hier liefert der Beckenknochen eines Ur-Rindes, der Spuren einer Pfeilspitze aufweist. "Die ersten Menschen kamen aus Villingen her zur Jagd", weiß Graßmann. 3500 Jahre vor Christus bauten sie Hütten, die der Naturschutzbund zwischen Helios-Arena und Schwenninger Moos nachempfunden hat. Sie bestanden in der Steinzeit jedoch nicht lange.

Für einen "radikalen Umbruch" sorgte in der Bronze- rund 2000 und Eisenzeit gut 600 Jahre vor unserer Zeitrechnung die Entdeckung der Metallverarbeitung Der Fund von Grabhügeln und Wallgrabenanlagen – auf dem Magdalenenberg in Villingen und am Türnleberg in Schwenningen – sprechen dazu Bände.

74 vor Christus schufen die Römer eine Heeresstraße von Süden bis nach Rottweil und ließen sich vorübergehend auch in Schwenningen nieder. Eine typische Wohnstube im Museum zeigt deren hochentwickelte Kultur. Daneben eine bescheidenere Wohnstatt der Alamannen, die später aus dem Westen kamen. Dazu die Nachfahren der Kelten – "ein buntes Völkergemisch", stellte Graßmann die damalige Gemengelage dar.

Lange habe man im übrigen den Alamannen barbarische Kulturlosigkeit nachgesagt, inzwischen haben entsprechende Funde bewiesen, dass sie mit ihren Handwerkstechniken hochwertige Qualität in vielen Lebensbereichen schufen.